Warum die aggressive Umzingelung Chinas durch die USA ein Desaster ist

Der US-Flugzeugträger USS Nimitz führt Routineoperationen durch, während das Kriegsschiff das Südchinesische Meer durchquert, 4. Februar 2023

Der US-Flugzeugträger USS Nimitz führt Routineoperationen durch, während das Kriegsschiff das Südchinesische Meer durchquert, 4. Februar 2023. Bild: David Rowe, Navy / Public Domain

400 US-Militärstützpunkte und Mini-Nato in Asien, um Beijing einzudämmen. Nächste Eskalationsstufe kommt. Über Kriegsspiele im Pazifik.

Die Eskalation des Westens mit China ist auf eine neue Ebene gehoben worden.

Beim Nato-Gipfel in Washington D.C. diese Woche machte hauptsächlich eine Aussage Schlagzeilen. Die Staats- und Regierungschefs der Nato wiesen China mit klaren Worten in die Schranken und bezeichneten das Land als "entscheidenden Erfüllungsgehilfen" des russischen Kriegs gegen die Ukraine – was als gravierende Rüge des westlichen Militärbündnisses gegenüber Beijing (Peking) angesehen wird.

China soll einen Preis zahlen

US-Präsident Joe Biden warnte vor den "Kosten" für die Unterstützung Russlands und Chinas "aggressives Auftreten" im Südchinesischen Meer und in der Straße von Taiwan. Bei Abschluss des Nato-Treffens sagte er:

Wir müssen sicherstellen, dass [der chinesische Präsident Xi Jinping] versteht, dass es einen Preis zu zahlen gibt, wenn er sowohl die Pazifikregion als auch Europa unsicher macht, und das betrifft Russland und den Umgang mit der Ukraine.

Diese brüske Zurechtweisung findet statt vor dem Hintergrund der seit 17 Monaten zunehmenden Konfrontationen im Südchinesischen Meer, verbunden mit der Befürchtung, dass sie außer Kontrolle geraten könnten. Immer wieder wird berichtet, dass in den umstrittenen Gewässern philippinische Schiffe von chinesischen gerammt oder mit Wasserkanonen beschädigt wurden.

Im April und Mai dieses Jahres fand zudem zum ersten Mal ein gemeinsames Militärmanöver der USA und der philippinischen Armee außerhalb der territorialen Gewässer der südostasiatischen Inselnation statt. China hatte Manila vor solchen "Provokationen" gewarnt, die zu größerer Unsicherheit und Instabilität im Südchinesischen Meer führen werden, so Beijing.

Der Westen und seine Hauptbedrohung

Beijing hat auch bereits auf die Provokation reagiert. Seit einigen Tagen laufen bis Mitte des Monats gemeinsame Übungen der See- und Luftstreitkräfte Russlands und Chinas vor seiner Küste unter dem Titel "Joint Sea-2024". Das teilte das chinesische Verteidigungsministerium am Freitag mit.

Auch vor der Inselrepublik Taiwan nehmen die Spannungen zu, die durch Fehleinschätzungen im Zuge von Vorfällen zum offenen Konflikt führen könnten.

Währenddessen berichtete die South China Morning Post, dass fünf der elf amerikanischen Flugzeugträger in naher Zukunft gleichzeitig im Pazifik stationiert sein werden. Damit wäre die Hälfte der US-Flugzeugträger dort stationiert, eine beachtliche Konzentration der US-amerikanischen Seemacht in der Region, wie Daniel Larison auf Responsible Statecraft findet.

Wie im Refrain wiederholen das Weiße Haus und das Pentagon in den letzten Jahren, dass man China als Hauptgegner auf der Weltbühne betrachtet.

400 US-Militärstützpunkte um China

So steht im Haushaltsantrag des US-Verteidigungsministeriums für 2022, dass "China die größte langfristige Herausforderung für die Vereinigten Staaten darstellt" und das Pentagon "die richtigen operativen Konzepte, Kompetenzen und Pläne entwickeln wird, um die Abschreckung zu stärken und unseren Wettbewerbsvorteil zu erhalten".

Im März dieses Jahres bezeichnete Avril Haines, die Direktorin des US-Geheimdienstes, China als die "oberste und folgenreichste Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA". Der chinesische Präsident Xi Jinping verwies demgegenüber darauf:

Die westlichen Länder – angeführt von den USA – betreiben eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Repression gegen uns.

Seit dem "Schwenk nach Asien" der Obama-Regierung im Jahr 2012 wurden 60 Prozent der US-Marinekräfte in den asiatisch-pazifischen Raum verlegt, und 400 der weltweit 800 US-Militärstützpunkte und 130.000 Soldaten "umkreisen jetzt China", erklärt Simone Chun, Wissenschaftlerin und Expertin für US-Außenpolitik in Asien. Das Ziel der USA sei es, so Chun, …

China in die Enge zu treiben, indem sie einen hybriden Krieg an mehreren Fronten auslösen und eskalieren, einschließlich Militär, Technologie, Wirtschaft, Information und Medien.

Mini-Nato in Asien und atomare Aufrüstung

Dafür haben die USA eine Reihe von sogenannten "sentinel states", also verbündete Wachposten-Staaten entlang der chinesischen Pazifikgrenze, auserkoren, die sie aufrüsten und mit denen sie militärisch bei der Eindämmung kooperieren.

Da sind an erster Stelle Südkorea und Japan, die China nördlich umschließen, mit denen die USA ein gemeinsames Abkommen, eine Art Mini-Nato in Asien, beschlossen und u. a. ein Raketenabwehrsystem in Betrieb genommen haben.

Zugleich werden Australien und Indonesien im Süden gegen China positioniert. Der rechtsgerichtete Präsident Südkoreas, Yoon Suk-yeol, begrüßte die Stationierung taktischer US-Waffen in Südkorea und beabsichtigt, sein Land mit Atomwaffen aufzurüsten.

Die USA, Großbritannien und Australien kündigten im März an, dass Australien bis "Anfang der 2030er-Jahre" drei atomgetriebene U-Boote kaufen werde. Die Biden-Regierung erklärte zudem, bis zu sechs nuklearfähige B-52-Bomber in Nordaustralien zu stationieren, von wo aus China angegriffen werden könnte.

Der Pazifik-Ring

Die Wachposten-Staaten der USA werden also mit diversen, auch atomaren Präzisionswaffen ausgestattet, die auf China gerichtet sind. Südkorea, Taiwan, Japan, Australien, Neuseeland und der zögerliche Verbündete Indien bilden dabei einen Ring, um China im Pazifik vor der eigenen Küste einzudämmen.

Auch die USA selbst bereiten sich auf eine militärische Eskalation vor. So wurde im August 2023 ein eine Milliarde Dollar umfassendes militärisches Drohnenprogramm in Hinsicht auf einen möglichen Konflikt bzw. Krieg mit China gestartet. Mit der "smarten Masse" von Killer-Robotern, so das Pentagon, möchte man den Massevorteil der chinesischen Streitkräfte überwältigen.

Die vielfältigen Botschaften aus Washington an die chinesische Führung seit über zehn Jahren sind unmissverständlich: Wir werden Euch mit allen Mitteln militärisch zurückdrängen. Dazu kommen provozierende Besuche von hochrangigen US-Vertretern in Taiwan, dem Zentrum der weltweiten Chipherstellung, während Washington begonnen hat, von der sogenannten "strategische Zweideutigkeit" bezüglich der Ein-China-Politik Beijings, die den Anspruch auf die Inselrepublik einschließt, abzurücken. Eine historische Kursänderung.

US-Präsident Joe Biden hat bereits insgesamt viermal erklärt, Taiwan bei einem chinesischen Angriff zu verteidigen, und schließt damit an Trumps Anti-China-Eskalation nahtlos an. Der US-Kongress hat sogar vorgeschlagen, Waffendepots auf der Inselrepublik nach dem Muster Israels anzulegen, was die Eskalation weitertreiben würde.

Ein Wahnsinnsprojekt

China lässt sich aber nicht von den westlichen Drohgebärden unter Führung der USA beeindrucken, weder, was das Südchinesische Meer noch was Taiwan angeht, also Gebieten direkt vor der "eigenen Haustür". Vielmehr hat man damit begonnen, militärisch ebenfalls aufzurüsten und zu modernisieren.

Natürlich kann die Frage gestellt – und sie sollte gestellt werden –, was US-amerikanische Atom-U-Boote und Flugzeugträger vor der Küste Chinas zu suchen haben. Während die USA überall auf der Welt aggressiv ihre nationalen Interessen "verteidigen" dürfen, wird China aggressiv umzingelt und unmittelbar an der Staatsgrenze von den USA provoziert, wenn es in einer Weise agiert, die Washington nicht gefällt.

Die Gefahren sind absehbar und liegen wie beim Stellvertreterkrieg in der Ukraine offen zutage. Die US-Strategie, China militärisch einzukreisen, sei ein "wahnsinniges" Unterfangen, kritisiert der US-Intellektuelle Noam Chomsky die Anti-China-Politik. Man steuere damit direkt auf einen Atomkrieg zu.

So verwies schon die Trump-Regierung gegenüber dem US-Kongress 2018 darauf, dass, wenn die Abschreckung gegen China scheitere, man militärisch "gewinnen müsse".

Auf Sieg spielen

Vor drei Wochen drängten die Außenpolitik-Experten Matthew Kroenig und Dan Negrea vom Atlantic Council im US-Fachmagazin Foreign Policy: "Against China, the United States Must Play to Win", "Gegen China müssen die Vereinigten Staaten auf Sieg spielen". Es ginge nicht darum, "Bedrohungen" zu "managen", sondern die Kommunistische Partei Chinas zu schwächen und zu besiegen, wenn nötig mit "Regime Change".

Gegen die Atommacht China zu "gewinnen", bedeutet natürlich, alle Optionen auf den Tisch zu legen, auch die atomare. "Die größte Bedrohung für Frieden und Stabilität in Nordostasien ist die militärische Einkreisung Chinas durch die USA im indopazifischen Raum", stellt demgemäß Chun fest.

Ähnlich äußerte sich Peter Kuznick, Professor für Geschichte und Direktor des Nuclear Studies Institute an der American University, gegenüber Truthout:

US-Politiker scheinen derart panisch gegenüber Chinas enormem Wachstum und der Art, wie das Land die US-Hegemonie im Pazifik herausfordert, dass man bereit ist, eine nukleare Vernichtung zu riskieren, um das zu verhindern.

Kriegsszenario um Taiwan

Aber selbst ein konventioneller Krieg mit China um Taiwan wäre ein Desaster für die Vereinigten Staaten und nicht zu gewinnen.

Ein kürzlich durchgeführtes Kriegsszenario schätzt, dass die ersten drei Wochen einer US-Intervention zugunsten Taiwans das Leben von etwa 3.000 US-amerikanischen Soldaten, zwei Flugzeugträgern, zehn bis zwanzig Kriegsschiffen und 200 bis 400 Kampfflugzeugen kosten würden. In nur drei Wochen würden die Vereinigten Staaten also rund die Hälfte der Verluste erleiden wie in zwanzig Jahren Krieg im Irak und in Afghanistan.

Es gibt für einen Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China kein "Endgame", das im Entferntesten akzeptabel wäre – was jeder wissen kann. Die US-Strategie, China an der eigenen Küste im Pazifik militärisch abzuschrecken und in die Knie zu zwingen, ist eine auf die Katastrophe zulaufende Politik, bei der es keine Sieger und Verlierer gibt.

Auch der Handelskrieg mit Zöllen und Sanktionen, den die USA und die EU gegen Beijing vom Zaun gebrochen haben, wird nicht von den Chinesen, sondern am Ende größtenteils von den europäischen und US-amerikanischen Verbrauchern bezahlt werden müssen, in Form von höheren Preisen, wobei der EU-Block insgesamt droht, wirtschaftlich und industriell geschwächt zu werden.

Die chinesische Stahlmauer

"Wir werden niemals zulassen, dass eine ausländische Macht uns tyrannisiert, unterdrückt oder unterjocht", erklärte Präsident Xi bei der Militärparade zum hundertsten Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei im Juli 2021, während Chinas neueste Panzer und Raketen vorbeizogen. "Jeder, der das versucht, wird sich auf Kollisionskurs mit einer großen Stahlmauer wiederfinden, die von über 1,4 Milliarden Chinesen geschmiedet wurde."

Kritiker der Anti-China-Politik des Westens betonen eindringlich, dass schnellstmöglich von Konfrontation auf Kooperation umgestellt werden müsse. Das sei auch möglich. Denn China habe kein Interesse an einer militärischen Eskalation.

So habe die chinesische Führung seit 1979 mit keinem Land mehr Krieg geführt, so Kuznick. Im Gegensatz dazu hätten die Vereinigten Staaten in ihren 247 Jahren nur 16 Jahre Frieden vorzuweisen. Die USA seien das Land mit den meisten Kriegen in der Welt.

Ellsberg: Gegen den Atomkrieg

Der berühmte Pentagon-Papers-Whistleblower, ehemalige Analyst bei der Rand Corporation und Autor des Buchs "The Doomsday Machine", Daniel Ellsberg, hat kurz vor seinem Tod im letzten Jahr eindringlich entschlossenes Handeln angemahnt.

Man müsse sich auf das dringende Ziel konzentrieren, "mit anderen zusammenzuarbeiten, um einen Atomkrieg in der Ukraine oder in Taiwan (oder anderswo) zu verhindern".

Gegenwärtig stehen die Zeichen jedoch – auch in Europa – auf Militarisierung, Konfrontation und atomare Abschreckung, koste es, was es wolle.