Warum ist die Lebenserwartung der Männer in Israel so hoch?

Seite 2: Religion und die Lage an einer Küste sollen auch für längeres Leben sorgen

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Für die Studie wurden neben dem Militärdienst die ansonsten üblichen Faktoren für eine längere Lebenserwartung wie Wohlstand, Entwicklungsstand, Ungleichheit oder Ausbildung berücksichtigt. Zudem wurden auch weitere Faktoren wie Ausgaben für Gesundheit und Zugang zu den Gesundheitssystemen herangezogen, aber auch demografische Faktoren wie Bevölkerungswachstum und Fertilität. Die normalerweise herangezogenen Variablen würden in den OECD-Ländern zu 80 Prozent die Varianz der Lebenserwartung erklären können, aber nicht, warum die israelischen Männer länger leben.

Es habe sich gezeigt, dass die Lebenswartung der israelischen Männer schon die letzten 20 Jahre lang besser als vorhergesagt gewesen sei. Zudem sei die Differenz zwischen Vorhersage und wirklicher Lebenserwartung größer geworden: von 3,8 Jahren in 1990 auf 5.85 Jahre in 2000 und jetzt auf 7 Jahre. Ähnliche Abweichungen vom Durchschnitt gibt es in Japan, Chile, Italien oder Südkorea, während es in Deutschland praktisch keine Differenz vorliegt und in den USA die tatsächliche Lebenserwartung 6 Jahre kürzer ist als die Vorhersage bzw. der OECD-Durchschnitt.

Um die angebliche Sonderstellung der israelischen Männer zu klären, griffen Weinreb wieder auf die Daten aus den 133 Ländern zurück und berücksichtigten die Geografie. Dabei stellten sie fest, dass in den Ländern, die sich an einer Küste erstrecken, die Lebenserwartung gewöhnlich höher ist, während die Lebenserwartung sinken würde, wenn sich das Land über 40 Grad vom Äquator entfernt befindet (was aber etwa bei Island offenbar nichts ausmacht). Wenn man die geografischen Faktoren berücksichtigt, würde die Abweichung um 2,1 Jahre geringer, wobei immer noch 5,4 Jahre zwischen erwarteter und tatsächlicher Lebenserwartung liegen würden. Wenn man noch einen Zusammenhang zwischen Religiosität und Gesundheit einbezieht, würden immer noch 3,65 überschüssige Jahre übrigbleiben, so die Rechnung.

Und dann kommt eben die Wehrpflicht ins Spiel. In 3 der 4 Länder mit der höchsten Lebenserwartung gibt es eine Wehrpflicht, unter den OECD-Ländern sei es ebenso, nur Japan falle heraus. Zieht man den angeblichen Effekt der Wehrpflicht ab, würde der Unterschied zwischen erwarteter und tatsächlicher Lebenserwartung praktisch verschwinden und Israel vom 4. Platz unter den OECD-Ländern auf den 22. verändern. Nebenbei wird nicht nur die Wehrpflicht als gesundheitsfördernde Maßnahme gefeiert, da die körperlichen Anstrengungen während des Dienstes zu den niedrigen Raten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und manchen Krebsarten in Israel auch im Vergleich zu den arabischen Israelis führen, sondern auch die Militärausgaben sollen eine Rolle spielen: Je höher sie ausfallen, desto höher die Lebenserwartung.

"Wenn Israel keine Wehrpflicht und nicht die Verteidigungsausgaben wie gegenwärtig hätte, würde die Lebenserwartung der israelischen Männer wahrscheinlich viel geringer sein", so gibt sich Weinreb von den Ergebnissen seiner Berechnungen überzeugt. Zwar sei die Wehrpflicht "kein Allheilmittel" - besonders nicht im Kriegsfall, würde man geneigt sein hinzuzufügen -, aber es gebe eben Hinweise auf "einen positiven Einfluss auf die Gesundheit".

Jetzt müsste man nur noch wissen, ob die Studie vom israelischen Verteidigungsministerium oder von der Armee bezahlt wurde. Die Berechnungen sind reichlich spekulativ, basieren auf vielen Annahmen und erklären etwa die hohe Lebenserwartung in Italien, Japan oder Island nicht, auch nicht die geringere Lebenserwartung in den afrikanischen Ländern mit Wehrdienst oder etwa in der Türkei oder Russland. Und ein Vergleich mit Berufssoldaten, die viel länger Militärdienst leisten, hätte auch nicht geschadet. Die These ist jedenfalls so eigenwillig, dass sie auch von israelischen Medien verbreitet wird. Die Jerusalem Post meint wohl eher ernst: "Join the army".