Warum ist die erste Million E-Mobiles in Deutschland immer noch nicht auf der Straße?

Die neue E-Isetta. Bild: micro-mobility.com

Es will nichts werden mit der ersten Million an E-Kfz in Deutschland - und das liegt nicht nur an den Preisen und der Reichweite der Fahrzeuge

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Die Kanzlerin versprach im Jahre 2011 eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020. Das ist wohl in den verbleibenden 30 Monaten nicht mehr zu schaffen. Aktuell meldet Statista in Deutschland weniger als 35.000 Fahrzeuge mit Elektroantrieb. Und in Wirklichkeit wird wohl die Zahl der rein elektrisch angetriebenen Kraftfahrzeuge noch deutlich geringer sein, denn statistisch zählen auch Hybridfahrzeuge zu den elektrisch angetriebenen.

Zudem leidet der E-Mobil-Bestand in Deutschland unter einem kontinuierlichen Schwund. So manches Fahrzeug scheint in Deutschland nur ein kurzes Leben zu führen, um die Hersteller-Flottenverbrauchsstatistk aufzuhübschen. Diese Fahrzeuge werden dann wenige Tage nach ihrer Erstzulassung wieder abgemeldet und beispielsweise nach Norwegen exportiert, wo sie als junge Gebrauchte auf den Markt kommen, was den dortigen Förderungsbedingungen nicht zu widersprechen scheint.

Sind Fahrzeugpreis, Reichweite und Akkulebensdauer wirklich ausschlaggebend?

Als Hemmnis bei der E-Mobilisierung werden immer wieder die Argumente "hoher Fahrzeugpreis, geringe Reichweite und begrenzte Akkulebensdauer" hervorgehoben. Aber sind das wirklich die entscheidenden Gründe für den schleppenden Verkauf der elektrischen Fahrzeuge?

Bei der Zahl der öffentlichen Ladepunkte haben sich nicht zuletzt die Stromversorger in der letzten Zeit kräftig ins Zeug gelegt. Zuletzt kamen öffentliche Ladepunkte auf den Markt, die in Masten der öffentlichen Straßenbeleuchtung integriert wurden. Und für die Nutzung von Ladepunkten außerhalb der heimischen Region haben sich inzwischen Abrechnungsroamingsysteme etabliert, welche die Reichweiten der Fahrzeuge in der Praxis weiter steigern dürften.

Die Standorte der öffentlichen Ladepunkte werden inzwischen auch durch eine interaktive Karte der Bundesnetzagentur angezeigt. Für private E-Mobil-Nutzer sind das jedoch nur Notbehelfe oder Möglichkeiten die Reichweite seines Fahrzeuges moderat zu erhöhen. Bislang lässt sich eine bestimmte Ladezeit an einer bestimmten Ladesäule in der Regel nicht vorab buchen und so gesellt sich zum gefürchteten Parkplatzsuchtourismus oft noch ein Ladepunktsuchtourismus.

Für Fahrzeugflotten, die gewerblich genutzt werden und jeden Abend an den Betriebsstandort zurückkehren, ist die nächtliche Aufladung bis zum morgendlichen Betriebsbeginn kein logistisches Problem, denn der benötigte Ladepunkt kann auf dem Betriebsgelände installiert werden.

Wer jedoch als privater E-Mobil-Nutzer sein Fahrzeug über Nacht laden will, sollte schon im Einfamilienhaus wohnen. Denn da stößt er auf die geringsten Widerstände beim Installieren einer Ladestation. Er sollte seinen privaten Stellplatz mit Ladepunkt jedoch sicherheitshalber mit einem Gartentor oder zumindest mit einer Kette vom öffentlichen Verkehrsraum trennen. Es könnte sonst sein, dass jemand annimmt, es handle sich um einen öffentlichen Ladepunkt. Und für die öffentlich zugänglichen Ladepunkte besteht eine Meldepflicht.

Dass sich die Leistungselektronik mancher Fahrzeuge durchaus eigenwillig zeigen kann und die Hausinstallation in benachbarten Gebäuden schon zu Pfeiftönen angeregt wurde, ist ein Thema, über das nicht so gerne gesprochen wird. Wie solche Komplikationen künftig ausgeschlossen werden können, ist derzeit ungewiss, denn für die technische Überwachung der E-Fahrzeuge scheint niemand wirklich zuständig zu sein. Auch scheint die Entwicklung von verbindlichen Prüfnormen bislang ebenfalls noch in den Kinderschuhen zu stecken.

Die lokalen Stromnetze scheinen die aktuelle Zahl der E-Mobile nicht zu fürchten

In den meisten Fällen sollte das lokale Stromnetz auch über ausreichende Kapazitäten verfügen. Die jeweils zuständigen Netzbetreiber halten sich da jedoch mit verbindlichen Aussagen gerne zurück. Zu ungewiss ist die absehbare Auslastung durch das Laden von E-Mobilen und die mögliche Gleichzeitigkeit des Ladebeginns nach Feierabend derzeit noch kein Problem. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass mit der Rückkehr nach Hause neben dem Fahrzeug-Ladebeginn auch die Waschmaschine und der Elektroherd fast gleichzeitig in Aktion treten und Strom benötigen, scheint bei den geringen E-Mobil-Beständen weniger Sorge zu bereiten als die Unregelmäßigkeit der Einspeisungen der Erneuerbaren.

Bei der Frage, wie viele Schnelladestationen in einem konkreten Ortsnetz realisierbar sind, werden die Netzbetreiber gerne ziemlich einsilbig. Denn da kommen die bestehenden Netze gerne an ihre Belastungsgrenzen. Man kann nun die Netzkapazitäten ausbauen, aber dies bindet Kapital, das sich über die Durchleitungsgebühren nicht zeitnah refinanzieren lässt. Dazu ist die Bestandsdichte bei den E-Kfz noch immer viel zu gering und die Regulierung der Durchleitungskosten lässt nur wenig finanziellen Spielraum.

Mehrfamilienhäuser als Elektrifizierungshindernis

Mehr als 50 Prozent der Haushalte in Deutschland wohnen nicht im Eigenheim, sondern in einem Mehrfamilienhaus. Und wer nun das Pech hat und in einem Mehrfamilienhaus wohnt, hat durchaus schlechte Karten, wenn er seinen Garagenplatz über Nacht zum Aufladen seines E-Fahrzeuges nutzen will.

So muss bei Eigentumswohnungen die Eigentümergemeinschaft der Installation des Ladepunktes zustimmen und sich an den Kosten der Installation beteiligen. Welche Hindernisläufe ein potentieller E-Fahrzeug-Halter hinter sich bringen muss, wurde kürzlich unter dem Titel Wie kommt der Strom in die Tiefgarage? ausführlich geschildert.

Es scheint offensichtlich noch längere Zeit zu dauern, bis auch die Mehrheit der deutschen Haushalte, die nicht das Glück hat, im Einfamilien-, Doppel- oder Reihenhaus mit eigenem Fahrzeugstellplatz am Haus zu wohnen, als Kunde für ein E-Mobil infrage kommt.

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