Warum kann Europa mit dem Zurückholen ausgelagerter Produktionen nur verlieren?

Aus Angst vor einer Abhängigkeit von China versucht die Politik in der EU mit viel Steuergeld, globalisierte Produktionen nach Europa zurückzuverlagern. Warum diese Aktivitäten zum Scheitern verurteilt sind

In Europa, zuerst im Vereinigten Königreich und später in Deutschland, wurden über lange Zeit technische Innovationen entwickelt. Mit dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich die Entwicklung und Umsetzung von technischen Innovationen in die "Neue Welt" jenseits des Atlantiks. In Europa tat man sich mit der Umsetzung in vermarktbare Produkte immer schwerer. Da waren andere schneller und sind inzwischen kaum noch einzuholen.

Zuerst übernahmen die USA die Führung im Marketing und dann auch bei der Übernahme der Rechte an europäischen Entwicklungen. Diese Rechteübernahme funktioniert klassischerweise so, dass europäische Unternehmen mit ihrem Patentportfolio von US-Investoren aufgekauft werden, die Patente auf eine US-amerikanische IP-Firma übertragen werden und die reine Fertigung an das europäische Management abgestoßen werden. Diese müssen dann für ihre ehemaligen Patente Lizenzgebühren bezahlen und suchen nach Möglichkeiten, ihre Fertigung an preiswertere Standorte auszulagern.

Mit der Öffnung Chinas und der zunehmenden Übernahme der Funktion als kostengünstige Werkbank für Unternehmen aus den Industriestaaten sah man hier eine Möglichkeit der Kostensenkung. Dass die chinesische Seite in der Anfangszeit darauf bestand, dass auch ein Know how-Transfer stattfand und die Fertigungsbetriebe in China mehrheitlich einem chinesischen Partner gehörten, wurde aufgrund der Kostenvorteile akzeptiert.

Dass die Auswahl des Personals Sache der Chinesen war und der ausländische Partner darauf keinen Einfluss hatte, erkannte man erst dann als Problem, als das eingearbeitete Personal abgezogen wurde und in benachbarten Fertigungsstandorten mit vergleichbaren Fertigungsprogrammen eingesetzt wurde.

Aus den verlängerten Werkbänken wurde mit dem Aufbau einer Zulieferindustrie schon bald eine weitgehend vollstufige Produktion. Die in Fernost aufgebauten Zulieferer traten zunehmend auch in Konkurrenz zu den ursprünglichen Zulieferern in Europa und verdrängten diese auch bei der europäischen Endfertigung.

Wiederholung der geschichtlichen Entwicklung der Industrie

Die Abwanderung ganzer Branchen aus Europa nach Fernost ist keineswegs eine neue Entwicklung. Sie hatte ihre Vorläufer in der Fotowirtschaft und der Unterhaltungselektronik, die zu Beginn der Globalisierung von japanischen Firmen übernommen wurden. Im Fotokamera-Bereich schufen sich japanische Unternehmen wie Nikon, Canon und Asahi sukzessive Vorteile durch den Ausbau ihrer Spiegelreflexsysteme mit einer großen Zahl an Wechselobjektiven, die den Nutzern zahlreiche Vorteile boten, die den europäischen Vertretern fehlten.

Im Bereich Consumer Electronics verlief die Entwicklung auf vergleichbaren Pfaden. Und so ist von den ehemaligen Platzhirschen Grundig, Metz, Dual, Saba, Nordmende, Schaub-Lorenz, Wega und Telefunken heute bestenfalls noch eine Markenhülle vorhanden, aber keine marktführende Entwicklung.

Konnten die japanischen Konzerne wie Sony und Panasonic/Matsushita über lange Zeit auf kostengünstige kleinteilig organisierte Zulieferer zurückgreifen, die sich auf bestimmte mechanische Bauteile konzentrierten und diese in großen Stückzahlen bei niedrigen Personalkosten produzierten, kamen die japanischen Firmen zunehmend unter Druck durch Anbieter in Hongkong und mit der Öffnung des Mainland China. Inzwischen werden in Japan kaum noch Fotokameras produziert. Ein Teil ist aufs chinesische Festland abgewandert, in der Hauptsache wird heute in Thailand und Vietnam produziert, wobei Komponentenzulieferer inzwischen auch in Malaysia, Laos und Myanmar fertigen.

Auch bei Smartphones haben die Hersteller aus den alten Industriestaaten inzwischen weitgehend Boden verloren. Motorola in Flensburg und Nokia in Bochum sind schon lange Geschichte. Die Verlagerung an billigere Fertigungsstandorte hat beide Unternehmen nicht gerettet. Motorola Smartphones kommen heute von Lenovo und die Modelle von Nokia werden unter einer Nokia-Markenlizenz von HMD Global Oy vertrieben und von Lohnfertigern in Asien produziert.

Ein vergleichbare Verlagerung und Konzentration gab es bei Festplatten, wo von 221 Firmen bis heute gerade einmal drei überlebt haben. Bei Seagate und Western Digital (WD) handelt es sich um zwei US-amerikanische Unternehmen, die ihre Fertigung inzwischen weitgehend nach China und Thailand verlagert haben, wo sie von langjährigen Steuerbefreiungen profitieren.

Toshiba hat in den vergangenen Jahren von kartellrechtlichen Entscheidungen profitiert, die u.a. dazu führten, dass Western Digital einige Teile der Festplatten-Produktion mit Toshiba tauschen musste. Dies betraf im Wesentlichen die 3,5-Zoll-Produktion einschließlich zugehöriger Patente, die Toshiba von WD übernahm, während das in Thailand ansässige Tochterunternehmen Toshiba Storage Device an Western Digital ging.

Computerfestplatten (HDD) sind heute ein typisches Beispiel für eine weitgehend globalisierte Lieferkette. Auch wenn in Europa nur noch ein Zulieferer in Nordirland übrig geblieben ist, arbeiten 100 Prozent des Weltmarktes für HDDs mit Lizenzen von Pabst Licensing in St. Georgen im Schwarzwald. Ihre Motorenproduktion, die ursprünglich aus dem Umfeld des im gleichen Ort angesiedelten Plattenspielerherstellers Dual stammte, musste die Familie auf Druck der Hausbanken verkaufen.

Rückholung der Fertigung von Produkten am Ende ihres Lebenszyklus nicht sinnvoll

Warum ist es wenig sinnvoll, die Fertigung von Produkten am Ende ihres Lebenszyklus nach Europa zurückzuholen? Weitgehend ausentwickelte Produktgruppen wie Festplatten oder Smartphones lassen sich heute höchstens noch in hochautomatisierten Fertigungsbetrieben in Europa herstellen, wobei praktisch alle Zulieferer in Fernost sitzen.

Dies trifft beispielsweise auch bei der Smartphone-Fertigung von Gigaset in Bocholt zu, die dort das automatisierte Assembling einiger ausgewählter Modelle betreibt.

Konnte sich Deutschland die letzten Jahrzehnte noch mit dem Export von Hightech-Produkten über Wasser halten, gerät man inzwischen gegenüber China immer mehr ins Hintertreffen. Spitzentechnologie kommt inzwischen immer häufiger von dort. "Der Anteil Deutschlands an den weltweit exportierten Hightech-Waren hat sich seit 1990 nahezu halbiert", meldet das Handelsblatt aktuell.

Will Europa technologisch/technologisch weltweit noch eine Bedeutung behalten, muss man mit Hochdruck an Entwicklungen arbeiten, die zumindest für eine gewisse Zeit einen Vorsprung gegenüber anderen Regionen sichern und deren zügigen Umsetzung als Vorbild dienen kann. Wenn es sich dabei um eine Entwicklung handelt, die auf kurz oder lang für alle zwingend wird, umso besser.

Eine Dekarbonisierung könnte ein solches Ziel sein, bei dem die wirtschaftlich stärksten Länder innerhalb der EU eine Vorreiterrolle übernehmen könnten. Dies wird jedoch in einer Konfrontation mit Russland und China keinesfalls möglich sein. Nicht zuletzt China hat in den vergangenen Jahren die Wankelmütigkeit der europäischen Politik konsequent zum eigenen Vorteil genutzt und die PV-Hardware-Industrie erfolgreich aus Deutschland abgezogen.

Ein Ausbau der deutschen PV-Nutzung kann damit keinesfalls erfolgreich umgesetzt werden, wenn man die konfrontative Auseinandersetzung mit China sucht. Der Siemens-Chef Roland Busch stellt dazu fest:

Wenn Exportverbote erlassen werden, könnten diese dazu führen, dass wir keine Solarzellen aus China mehr kaufen können - dann ist die Energiewende an dieser Stelle zu Ende.

Roland Busch

Kritisiert wird Busch derzeit von der Welt. Die Zeitung unterstützt die grüne Außenministerin gerade dabei, genau diesen Import von Solarzellen aus China zu verbieten, weil der Rohstoff für die kristallinen Solarzellen aus dem Westen Chinas stamme und China die dortige Bevölkerung dafür zur Zwangsarbeit zwinge, was in der Konsequenz bedeuten würde, dass Deutschland die Zwangsarbeit gutheiße.

Und wer jetzt, wie ebenfalls von den Bündnisgrünen gewünscht, Russland unter Druck setzen will, indem man den Gasbezug aus Russland zu vermeiden versucht, steht vor dem unschönen Problem, dass Erdgas nicht nur ein Brennstoff, sondern auch ein Chemierohstoff ist. Wird Erdgas knapp und teuer, steht die Chemie vor der Entscheidung, wieder zur Chlorchemie zurückzukehren, was aus Umweltgesichtspunkten nicht besonders clever wäre.

Es scheint absehbar, dass Europa bis heute viele Chancen vergeben hat und sich für die Zukunft zusehends Optionen verbaut, die den Teilkontinent wieder in einem zukunftsträchtigen Bereich in eine führende Position bringen könnte. Somit scheint sich die von weltgewandten Chinesen schon länger definierte Rolle Europas als warnendes Beispiel für gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu manifestieren.