Warum wählen immer mehr Arbeiter in Deutschland die AfD?
Arbeiter als Kernwähler der AfD: Ein unerwarteter Trend? Eine neue Studie zeigt, warum immer mehr von ihnen ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten machen.
Arbeiter gehören zu den Berufsgruppen, die die AfD besonders stark unterstützen. Auch bei den diesjährigen Landtagswahlen in Hessen konnte die Partei unter Arbeitern deutlich an Zustimmung gewinnen. Hier wurde sie von 40 Prozent der Arbeiter gewählt, ein Zugewinn von 16 Prozent. Bei den Landtagswahlen 2019 in Brandenburg und Sachsen stimmten mehr als 40 Prozent der Arbeiter für die Rechtspopulisten.
In der Parteienforschung wird seit geraumer Zeit diskutiert, ob der besondere Erfolg der AfD diese zu einer neuen Arbeiterpartei macht. Weitgehend unstrittig ist, dass ihr Wahlprogramm nicht unbedingt als arbeiterfreundlich bezeichnet werden kann. Dass sie dennoch unter Arbeitern überdurchschnittlich erfolgreich ist, wird unter anderem darauf zurückgeführt, wie sie Unzufriedenheit und Protest aufgreift.
WSI-Studie zu AfD-Wählern: Neue Erkenntnisse
Nun hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung eine Studie zu diesem Thema vorgelegt. Sie basiert auf Daten des seit April 2020 regelmäßig erhobenen Erwerbstätigenpanels. Bei der letzten Befragung im Juli 2023 wurden mehr als 5.000 Erwerbstätige und Erwerbslose befragt. In den vergangenen Jahren hatten die Befragten viermal die Möglichkeit, ihre Wahlabsichten anzugeben.
Vergleich von AfD-Stammwählern und Neuwählern
Durch die Verwendung von Paneldaten ist es in der Studie möglich, AfD-Stammwähler und Personen, die erst seit Kurzem zur AfD tendieren, zu vergleichen.
Unter den Neuwählern finden sich demnach mehr Frauen als unter den Stammwählern und sie verfügen häufig über mittlere bis höhere Bildungsabschlüsse und Einkommen. Der Klimaschutz ist den Neuwählern wichtiger als den Stammwählern und sie haben sich häufiger gegen Grippe impfen lassen. Sie haben auch deutlich weniger Vertrauen in die Politik der AfD.
Gemeinsam ist beiden Gruppen, dass sie sehr besorgt sind und der Bundesregierung sehr stark misstrauen. Beide sehen das Thema Migration kritisch, was auch die Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine einschließt. Für sie steht im Vordergrund, dass nicht jeder nach Belieben ins Land kommen kann.
"Die Studie zeigt, dass es der AfD gelungen ist, noch stärker als bisher in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen", erklärte Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. Dabei werde nicht trotz, sondern wegen ihrer migrationsfeindlichen Positionen gewählt.
Soziale und demokratische Teilhabe als Wahlmotiv
Gleichzeitig werde aber deutlich, so Kohlrausch, dass Erfahrungen mangelnder sozialer und demokratischer Teilhabe, primär im Kontext von Erwerbsarbeit, ebenso wie materielle Sorgen mit der Wahl der AfD in Zusammenhang stehen.
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So zeigt die Studie, dass AfD-Wähler überdurchschnittlich häufig von problematischen Arbeitsbedingungen berichten. Dazu gehören Aspekte wie geringe Arbeitsplatzsicherheit, mangelnde Anerkennung und unzureichende Bezahlung. Solche Bedingungen tragen laut Studie, zu einer allgemeinen Unzufriedenheit bei, die sich in der politischen Orientierung niederschlägt.
Zufriedenheit der AfD-Wähler mit ihrer Arbeit
Die Arbeitsbedingungen haben einen direkten Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung. Die Studie legt nahe, dass Unzufriedenheit im Arbeitsleben zu einer Hinwendung zu Parteien führt, die radikale Veränderungen versprechen, wie dies bei der AfD der Fall ist.
Knapp 74 Prozent der AfD-Stammwähler gaben an, dass ihr Job ihnen Spaß mache, und ebenso viele waren stolz auf ihre Arbeit. Bei den Erstwählern liegt der Anteil in beiden Bereichen um zehn Prozent höher.
Auch die Chancen im Falle von Arbeitslosigkeit werden von den Stammwählern pessimistischer eingeschätzt. Die Arbeit wird von ihnen seltener als abwechslungsreich empfunden, es gibt weniger Mitspracherecht bei strategischen Fragen am Arbeitsplatz und weniger Unterstützung durch Kollegen.
Noch gravierender sind die Unterschiede bei der sozialen Anerkennung. Ihren Lohn halten 42 Prozent der AfD-Anhänger und 55 Prozent der übrigen Erwerbstätigen für angemessen. Dass ihre Arbeitsleistung vom Arbeitgeber nicht gewürdigt wird, beklagen 48 Prozent gegenüber 40 Prozent. Insgesamt ist ein Viertel der AfD-Wähler mit der Arbeit wenig oder gar nicht zufrieden, bei den übrigen Befragten ist es nur ein Sechstel.
Das Bild des "besorgten Bürgers" bei AfD-Anhängern
Das Klischee des "besorgten Bürgers" sehen die WSI-Forscher bei den AfD-Anhängern teilweise bestätigt. Rund 47 Prozent machen sich große Sorgen, ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Knapp 71 Prozent sorgen sich um steigende Preise. Beide Werte liegen deutlich höher als bei den anderen Berufstätigen (23 Prozent und 42 Prozent).
Dass die derzeitige Bundesregierung hier Abhilfe schaffen kann, glaubt nur eine kleine Minderheit. Nur 2,8 Prozent der AfD-Sympathisanten haben großes oder sehr großes Vertrauen in die Bundesregierung. Auch den öffentlich-rechtlichen Medien vertraut nur eine unbedeutende Minderheit von sechs Prozent.
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