Was die DDR über die NSA wusste

Seite 2: Nach meinen Informationen wurden diese Dokumente durch die Geheimschutzstelle des Bundesinnenministeriums aus der damaligen Gauck-Behörde abgezogen, um sie direkt an die USA auszuliefern"

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1992 veranlasste der damalige Geheimschutzbeauftragte und spätere BND-Chef Hansjörg Geiger einen weiteren Abfluss von Akten über die Spionageaktivitäten der USA. Anscheinend lagern 100 m solcher Akten nun beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Warum ist das Material noch zwei Jahrzehnte später so brisant?

Klaus Eichner: Nach meinen Informationen wurden diese Dokumente durch die Geheimschutzstelle des Bundesinnenministeriums aus der damaligen Gauck-Behörde abgezogen, um sie direkt an die USA auszuliefern. Die scheinbar legale Grundlage dafür waren Regelungen des sogenannten Stasi-Unterlagen-Gesetzes, die eine "ersatzlose Herausgabe" solcher Unterlagen, die für den Schutz von Quellen westlicher Geheimdienstes bedeutsam erscheinen, ermöglichen.

Aber diese rechtlichen Regelungen verlangen auch, dass die Behörde in ihrem Tätigkeitsbericht an den Deutschen Bundestag solche brisanten Aktionen darstellt. Und außerdem verbieten sie nicht, dass die deutschen Behörden sich Kopien dieser Dokumente erhalten. Es wäre schon spannend einmal zu erfahren, ob die deutschen Behörden so professionell waren, solche Kopien zu sichern. Sie wären in der aktuellen Diskussion über die Hintergründe der sogen. "Ausspähaffäre" auch heute noch wichtige Zeitdokumente.

Sie bewerten die NSA nicht als Subjekt, sondern als Objekt. Wer sind Ihrer Meinung nach die tatsächlichen Player hinter der Massenausspähung?

Klaus Eichner: Kein Geheimdienst operiert als ein unabhängiges Subjekt in seiner Gesellschaft. Sie alle sind "Dienstleister" der Politik und operieren nach den Vorgaben der politischen Führung. Aber auch diese Vorgaben sind von den Interessen der wirklich Mächtigen in unseren Gesellschaften - nämlich den Führungskreisen aus der Wirtschaft und des Finanzkapitals - bestimmt.

Der in die DDR eingebürgerte und damit nach der Vereinigung deutsche Staatsangehörige Doppelagent Jeffrey M. Carney, der aus Gewissensgründen überlief, wurde 1991 vom US-Geheimdienst in Deutschland entführt und in den USA zu 38 Jahren Haft verurteilt, von denen er fast 20 Jahre absaß. Damals interessierte das quasi niemanden. Glauben Sie, dass sich die USA ähnliches auch bei Edward Snowden auf deutschem Boden erlauben würden?

Klaus Eichner: Die gewaltsame Entführung von Jeffrey Carney im April 1991 aus Berlin-Friedrichshain war ein Akt der Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik, gegen den kein Verantwortlicher dieses Staates protestiert hat.

Ich persönlich rate Edward Snowden, keinerlei Garantieerklärungen für einen angeblich sicheren Aufenthalt in Deutschland zu vertrauen - die amerikanischen Geheimdienste haben genügend Erfahrungen im Kidnapping und keinerlei Skrupel, sich über die Interessen eines Staates (soweit dieser auch wirklich bereit wäre, einen solchen Menschen zu schützen) hinwegzusetzen.

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