Was die "Zeitenwende" von Bundeskanzler Scholz bedeutet

Olaf Scholz beim Verkünden der "Zeitenwende". Bild: Bundesregierung/ Twitter

Aufrüstung, Energiesouveränität, Kriegsmoral: Deutschland macht sich im Schatten des Ukraine-Krieges von Lasten der Vergangenheit frei

Der böse Mann, der böse Mann, der böse Mann;

Soll tot sein, dann;

Können wir wieder glücklich sein;

Können wir wieder glücklich sein;

Glücklich sein

Peter Licht, "Der böse Mann", 2006

Wie Deutschland den Krieg für einen nationalen Aufbruch nutzt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in seiner Regierungserklärung zur Ukraine eine "Zeitenwende" in der deutschen Sicherheitspolitik und ein gigantisches Aufrüstungsprogramm verkündet. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen) nimmt den laufenden Krieg als endgültiges Argument dafür, die Nation von ihrer "Abhängigkeit" von russischen Öl- und Gaslieferungen zu "befreien" und stattdessen Fracking-Gas aus den USA zu importieren.

Der Wirtschaftsminister spricht offen aus, dass der Kern der deutschen Klimapolitik die "Energiesouveränität" der Bundesrepublik ist und kann sich dabei der Unterstützung durch Fridays for Future gewiss sein.

Und Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/ Die Grünen) verurteilt bei ihrer als "emotional" gefeierten Rede vor den Vereinten Nationen Russland in einer Art und Weise, die den alten Weltkriegsverlierer Deutschland in die Rolle eines moralischen Richters hebt und demonstriert, was "wertebasierte Außenpolitik" meint.

Mit Fingerzeig auf den "bösen Mann" in Moskau wird einiges, was die deutsche Nation in der Vergangenheit zum Teil entzweit und gequält hat, mit Macht und ungeahnter Geschlossenheit vorangetrieben – unter freundlicher Schützenhilfe mancher Leitmedien, die ihre "Debattenkultur" noch einmal stark verbessert haben.

Bedenken gegen einen Militäretat, der zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt, werden in dieser Situation der nationalen Panikmache gegen einen "wahnsinnigen Mörder" aus Moskau, der jederzeit auch über "uns" herfallen könnte, beiseitegeschoben.

Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft gilt zurzeit als eine Art fünfte Kolonne des "Feindes", auch wenn er nur daran erinnert, dass Deutschland immer gut und verlässlich am Russland-Geschäft verdient hat. Und Zweifel an der Klimaverträglichkeit von US-amerikanischem Fracking-Gas oder sonstigen "Lösungen" des deutschen Energiehungers werden angesichts der "unerträglichen Erpressung", in der uns der "russische Bär" mit seinen Lieferungen hält, für unerheblich erklärt – auch wenn Russland, ganz im Gegensatz zu Deutschland, seine Energie-Verträge bislang noch nie politisch-erpresserisch eingesetzt hat.

Die deutsche Regierung nimmt den russischen Krieg in der Ukraine zum Anlass, einige der bisherigen Widersprüche ihres nationalen Projekts offensiv zu bereinigen.