Was die "Zeitenwende" von Bundeskanzler Scholz bedeutet

Seite 5: Ende der Nachkriegsordnung

So bringt der Krieg, der Vater aller Dinge, einige nationale Anliegen auf Trab. Deutschland bereinigt angesichts des Ukraine-Kriegs einige Widersprüche der Nachkriegsordnung, die sich aus dem unglückseligen letzten Weltkriegsergebnis ergeben hatten.

Das Militär wird "endlich" auf den Stand gebracht, den diese Nation zur autonomen Absicherung ihrer ökonomischen Interessen und der dafür notwendigen geostrategischen Machtentfaltung braucht. Was der in Deutschland so verhasste US-amerikanische Präsident Trump dem Land vorgeworfen hatte: Dass es außerordentlich viel aus der von den USA gesicherten Weltordnung profitiere und außerordentlich wenig zu den Kosten ihrer Absicherung beitrage – das lässt sich die aktuelle Regierung einleuchten und bringt die fällige Aufrüstung auf den Weg. Friedensfreunde, die angesichts dessen mal wieder bejammern, dass das Geld "besser" verwendet werden könnte, sollten sich fragen, wie viel denn ihrer Meinung nach angebracht ist, um dieses Deutschland zu "verteidigen".

Das Streben nach Energie-Autarkie, mit der sich der rohstoffarme deutsche Exportweltmeister von seiner "Energie-Abhängigkeit" befreien will, erhält einen neuen Schub. Die Bürger müssen massiv erhöhte Kosten bei Sprit und Heizung zahlen; die Wirtschaft beschwert sich über die neuen Konkurrenz-Nachteile.

All das muss aber sein, damit Deutschland sich in dieser Frage endlich von einigen Rücksichten emanzipieren kann – nicht zuletzt von der Abhängigkeit von einem US-dominierten Welt-Energie-Markt gehört, auch wenn jetzt nur von den schlimmen Russen die Rede ist.

Die unangenehme Kriegsschuld, die Deutschland vom letzten großen Versuch immer noch anhaftete, wird gerade in der Auseinandersetzung mit dem Land, bei dem die deutsche Wehrmacht die mit Abstand meisten Kriegstoten verursacht hat (27 Millionen), kriegsmoralisch produktiv gemacht.

Mit dem selbstgerechten Verweis auf die angeblich so geglückte Vergangenheitsbewältigung führen sich Führung wie Volk als Richter über "Gut und Böse" in der Welt auf.

Und die deutschen Bürger?

Sie hören sich die diesbezüglichen Ansagen ihrer Regierung an. Dass Aufrüstung und Energie-Autarkie neben der sowieso schon deftigen Inflation ihren Lebensunterhalt weiter nach unten drücken, führt in unserer "freien Gesellschaft" vorläufig ebenso wenig zu Massenprotesten oder Streiks wie die Tatsache, dass die deutsche Außenpolitik zurzeit alle paar Tage die "rote Linie", die Putin mit seiner Atomkriegs-Drohung gezogen hat, gezielt überschreitet und auslotet, was der "Irre in Moskau" hinzunehmen bereit ist.

Ebenso wenig stören sich die aufgeklärten deutschen Bürger anscheinend daran, dass in der unserer "freien Presse" herzlich wenig über den wirklichen Verlauf des Kriegs zu erfahren ist. Für das Bedürfnis nach "Information" reichen die Interviews mit Betroffenen (natürlich nur der richtigen Seite!), den Klitschko-Brüdern und die täglichen Videos von Selenskyj mit Drei-Tage-Bart und Militär-T-Shirt anscheinend aus. Über die Positionen anderer Staaten und die des "Feindes" ist kaum etwas zu erfahren.

Feindsender wie RT und Sputnik sind in der meinungsfreien Bundesrepublik verboten; Gabriele Krone-Schmalz, die sich mit ihren Analysen in der Vergangenheit dafür stark gemacht hatte, die russische Position wenigstens einmal intellektuell zu begreifen, wird als "Putin-Versteherin" diffamiert – ihre "reißerisch aufgemachten Paperbacks" sollen am besten verschwinden.

So geht es in der liberalsten Demokratie, die Deutschland jemals hatte, zu. Aber die "freie" Ukraine darf keinesfalls neutral werden – eher ist man für den Weltkrieg.

Jodtabletten sind übrigens vielerorts knapp geworden oder gar ausverkauft.