Wenn zwei Weltmächte streiten
- Wenn zwei Weltmächte streiten
- Staaten sind sich grundsätzlich spinnefeind
- "Sicherheit" Marke Moskau: keine Aufrüstung der Ukraine
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Plädoyer für einen nüchternen Blick auf den Krieg in der Ukraine
Die Empörung Deutschlands, der EU und der USA über den Angriff der russischen Armee auf die Ukraine ist erwartungsgemäß und verständlicherweise groß. Auf breiter Front fühlen sich Politik und Leitmedien in ihrem Vorwurf bestätigt, Russland respektiere keine Grenzen und stelle damit die "Sicherheitsordnung" in Europa in Frage.
Mit massiven Sanktionen reagiert der Westen, die Nato geht in den "Krisenmodus", Deutschland schickt der Ukraine nun doch Waffen und legt ein 100 Milliarden Euro-Rüstungsprogramm auf. Einige Medien zweifeln, ob das genügt, den Angriff zu stoppen. Sie fordern härtere Maßnahmen – die in einer direkten militärischen Konfrontation münden könnten.
Die Beweggründe Russlands interessieren nun hierzulande noch viel weniger als vor dem Angriff. Die Zeit für Diplomatie und ein Minimum an Respekt vor dem Staat im Osten ist endgültig vorbei. Dessen Chef Wladimir Putin gilt nun definitiv als durchgedrehter, unberechenbarer, eiskalter Bösewicht. Damit sind alle Bürger aufgerufen, sich gegen diesen "Diktator" zu stellen und die armen Ukrainer gegen ihn zu unterstützen.
Das heißt zunächst, den Aktionen der Bundesregierung gegen Russland beizupflichten. Das kann aber in weiteren Schritten heißen, enorm erhöhte Öl- und Gaspreise bezahlen zu müssen, weil es keine Energielieferungen mehr aus Russland gibt. Und dass bald einige deutsche Soldaten im Rahmen der Nato-Präsenz an den russischen Grenzen zu einem lebensgefährlichen Einsatz kommen. Von einem Atomkrieg auf dem Kontinent ganz zu schweigen.
Gute Abtrünnige, schlechte Abtrünnige
Es herrscht Kriegsstimmung in Europa, und die Schuldfrage gilt als eindeutig geklärt. Tatsächlich hat Russland die abtrünnigen Regionen im Osten der Ukraine als "Volksrepubliken" und damit als reguläre Staatsgebilde anerkannt. Schon zuvor hatten russische Einheiten die Abtrünnigen dabei unterstützt, sich gegen die Angriffe der regulären ukrainischen Armee zu verteidigen.
Damit stellt sich Moskau hinter die Sezession von Donezk und Luhansk, bestreitet Kiew die Souveränität über diese Gebiete. Das kommt einer Kriegserklärung gleich: Denn die bisherige Anerkennung der Ukraine durch Russland basierte schließlich darauf, dass dieser Staat die volle Gewalt besitzt über sein gesamtes Gebiet einschließlich der Bevölkerung in den akzeptierten Grenzen. Das ist der Inhalt jeder Anerkennung zwischen Staaten.
Wem jetzt dabei die Anerkennung der abtrünnigen Jugoslawien-Republiken Kroatien und Slowenien durch Deutschland in den 1990er-Jahren einfällt oder später der Nato-Krieg gegen Serbien, um das abtrünnige Kosovo zu behaupten, liegt richtig: Ja, vor noch nicht allzu langer Zeit wurden in Europa bereits die Grenzen neu gezogen.
Und ja, es waren jene europäischen Führungsnationen und die USA, die dies mit Gewalt durchgesetzt haben, die heute ihr damaliges Verhalten schlicht vergessen und es nun Russland umso mehr vorhalten. Die heute viel beschworene "Sicherheitsordnung" wurde damals neu definiert, unter schwachem Protest des Serbien-Partners Russland, aber ohne ernsthaften Widerstand.
Es war auch der Auftakt zur Ausdehnung der Nato in die ehemaligen Bündnisländer der UdSSR – entgegen der Beteuerungen vor der deutschen Wiedervereinigung 1990, dies gerade nicht tun zu wollen.
"Rote Linie" für USA & Co.: Ukraine bleibt unser!
Nüchtern betrachtet, geschieht demnach gerade der Versuch einer Weltmacht, eine zusehends für sie militärstrategisch immer schlechter gewordene Lage nicht noch schlechter werden zu lassen. Die "rote Linie" gilt für Russland als überschritten, wenn auch noch die Ukraine zum Aufmarschgebiet der Nato wird – nach Bulgarien, Rumänien, Polen, dem Baltikum, der Slowakei etc.
Denn die Ukraine grenzt auf tausenden Kilometern direkt an Russland, eignet sich damit noch viel besser als die bereits integrierten Ost-Staaten zur Stationierung von nach Moskau ausgerichteten Raketen. Damit dies nicht passiert, lässt Putin seine Armee in der Ukraine Fakten schaffen.
Die Invasion ist die Antwort auf das monatelang vom Westen wiederholte "Nein!" auf die Forderung, die Ukraine nicht in die Nato aufzunehmen, dort keine Einheiten zu stationieren. So sah und sieht die "rote Linie" aus hiesiger Sicht aus.
Diese Option gegen den Feind im Osten will man sich nicht nehmen lassen. Die Ukraine "neutral", zumindest militärisch? Das geht für USA & Co. gar nicht. Zu verlockend offenbar für die Weltmacht Nr.1 und ihre Verbündeten, die östliche Weltmacht noch mehr unter Druck setzen zu können.