Wenn zwei Weltmächte streiten
Seite 2: Staaten sind sich grundsätzlich spinnefeind
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- Staaten sind sich grundsätzlich spinnefeind
- "Sicherheit" Marke Moskau: keine Aufrüstung der Ukraine
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Beide Konfliktparteien reklamieren in diesem Zusammenhang ihren Bedarf nach "Sicherheit". Ein merkwürdiger Begriff, zumal doch jeder gestandene Staatslenker immer betont, mit allen anderen Kollegen Frieden halten zu wollen.
Der wird seltsamerweise aber notorisch "bedroht", so dass sich jeder Staat trotz Friedensliebe allenthalben mit wehrhafter Rüstung ausstattet. Es muss demnach in den Beziehungen der Staaten untereinander häufig und wiederkehrend Anlässe geben, die nur mit Gewalt oder wenigstens der glaubhaften Androhung derselben zu bewältigen sind.
Staaten verstehen nun einmal keinen Spaß, wenn es um ihre Souveränität geht – also wie viel Gebiet, Kapital und Volk sie in ihrer Gewalt haben. Denn das ist die Quelle von Reichtum und Macht. Entsprechend hart reagieren sie, wenn diese Quelle von anderen Staaten in Frage gestellt wird.
Umgekehrt ist der betroffene Staat selbst interessiert daran, Herrschaft und Einfluss auszudehnen auf Kosten anderer Staaten – sei es durch einfache Erweiterung seines Landes, sei es durch Verträge, die die vorteilhafte Benutzung oder Ausbeutung von Ressourcen anderer Nationen ermöglichen.
Ohne eine ernstzunehmende Streitmacht sind solche Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Die einträglichen Geschäfte und Gewinne müssen abgesichert werden gegen Überlegungen des ins Hintertreffen geratenen Staates, dieses mit Gewalt zu korrigieren. Nicht von ungefähr unterhalten die auf der Welt kapitalistisch erfolgreichen Nationen die stärksten Armeen. Und die erfolgreichste, die USA, hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit Abstand die meisten Kriege geführt und die meisten Umstürze angezettelt.
Russische Raketen relativieren US-amerikanische Weltmacht
"Sicherheit" beschreibt so gesehen den prinzipiellen Anspruch eines jeden Staates, in seinem Agieren auf der Welt sich gegen die Staaten behaupten zu können, die ihm dabei in die Quere kommen. Insofern bedroht tatsächlich Russland die "Sicherheit" der Vereinigten Staaten von Amerika. Denn mit der immer noch bestehenden Fähigkeit, mit Atomraketen die USA anzugreifen, gefährdet diese Nation die Sicherheit der US-Amerikaner, unangefochten als Weltmacht Nr. 1 auf dem ganzen Globus ihre Interessen durchzusetzen.
Umgekehrt bedroht die USA die Sicherheit Russlands. Die einstigen Partnerländer zu Sowjetzeiten sind im westlichen Lager gelandet. Wirtschafts- und Militärbündnisse wie EU und Nato gibt es auf russischer Seite nicht.
Moskau ist auf sich allein gestellt und sieht sich einer Front von feindlich gesonnenen hochgerüsteten Staaten an seinen Grenzen gegenüber. Sein Ansinnen: keine weitere Ausdehnung der Nato in Richtung Ukraine und anderer ehemaliger Sowjetrepubliken. Verhandelt werden sollte darüber hinaus über einen Rückzug des Militärbündnisses aus den seit 1999 hinzugekommenen östlichen Mitgliedsstaaten.
Wenn die jeweiligen Ansprüche an "Sicherheit" zwischen Staaten nicht erfüllt werden, diese sich nicht auf einen Status der jeweils wechselseitig zugestandenen Rüstung einigen können, droht eine kriegerische Entscheidung, wessen "Sicherheit" in Zukunft Vorrang hat oder zumindest von der Gegenseite respektiert werden muss.
Da die Verhandlungen über die Wünsche Russlands nach "Sicherheitsgarantien" nie zustande kamen, weil sie der Westen von Beginn an kategorisch ablehnte, blieben Moskau nur zwei Möglichkeiten: Klein beigeben und der Nato auch die Ukraine überlassen – oder mit Gewalt dem einen Riegel vorzuschieben. Wie bekannt, entschied man sich für Letzteres.