Webkriege und Hackermythen

Die Einigkeit und Intelligenz von Hackern wird in Frage gestellt, während sich der transsilvanische Webkrieg aufheizt

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Nach einer kurzen Unterbrechung hat sich der Webkrieg in dem karpatischen Becken Zentraleuropas wieder aufgeheizt, nachdem rumänische Hacker erfolgreich in die Website "Nein, Nein, Niemals" eingedrungen sind. Bei diesem neuestem Angriff auf die revisionistische Website tauschten die Hacker das dominierende Bild mit einem aus, das eine riesige rumänische Flagge mit den Worten "Transsilvanien gehört zu Rumänien" darstellt.

"Nein, Nein, Niemals" (Nem, Nem, Soha)beschäftigt sich besonders mit dem ethnischen Problem von Transsilvanien, in dem zwei Millionen Ungarn leben. Das Gebiet wurde am Ende des Ersten Weltkriegs von Ungarn abgetrennt. Der Slogan "Nein, Nein, Niemals" bezieht sich auf einen ungarischen Spruch aus den 20er Jahren, der die Weigerung zum Ausdruck brachte, den Friedensvertrag von Trianon zu akzeptieren, der die Aufteilung Ungarns zur Folge hatte.

Es gibt zwei weit verbreitete Mythen über Hacker und die "Hackerkultur". Einerseits sollen die Hacker eine neue soziale Klasse bilden, die angeblich die Grenzen der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen überschreitet, andererseits sollen alle Hacker intelligente Menschen sein. Der gerade in Bezug auf Transsilvanien stattfindende Hackerkrieg dürfte jedoch ein ausreichend deutliches Beispiel geben, um diese gefährlichen Illusionen zu zerstören.

Der Begriff eines "Hackerkriegs" reicht an sich schon aus, um den ersten Mythos zu untergraben, also dass die Hacker eine homogene soziale Gruppe sind. Die ersten Brüche in dieser Theorie der Hackerkultur ergaben sich während der Bürgerkriege im früheren Jugoslawien, bei dem die Online-Konflikte einfach die Offline-Konflikte spiegelten. Der gegenwärtige Hackerkrieg zwischen ungarischen und rumänischen Nationalisten in Transsilvanien ist, auch wenn er weniger bekannt als die Hackerkonflikte im Balkan ist, ebenso heftig und sollte die Vorstellung einer Homogenität der Hacker für immer begraben.

Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass nationalistische Hacker sich bekämpft haben. Der Hackerkrieg in Transsilvanien zieht sich nun bereits über eineinhalb Jahre hin. Letztes Jahr waren das ungarische Fernsehen MTV1 und die Behörde für im Ausland lebende Ungarn, die offiziell die ungarischen Minderheiten in Kroatien, Rumänien, Serbien, Slowakei und der Ukraine betreut, eine der ersten Opfer des Schlagabtausches. Wie beim letzten Vorfall wurde derselbe Text, also dass Transsilvanien zu Rumänien gehört, auf ihren Seiten angebracht.

Neben der Zerstörung der geliebten Hoffnung, dass Hacker irgendwie die Avantgarde einer neuen apolitischen sozialen Klasse seien, hat der transsilvanische Hackerkrieg auch zur Dekonstruktion des Mythos beigetragen, dass Hacker allgemein eine intelligente Gruppe bilden. Diese Annahme ist gewissermaßen eine populäre Falle, weil sie die Menschen mit einer verführerischen Binsenweisheit ködert: Um in ein System einbrechen zu können, muss man ein gewisses Maß an Wissen und Können besitzen. Das trifft besonders für die "Nein, Nein, Niemals"-Website zu, die eine der am besten gesicherten Sites in ungarischer Sprache im Web ist.

Wenn man diese Binsenweisheit einmal übernommen hat, springt die Falle schnell zu. Geht man davon aus, dass man ein gewisses Maß an Wissen und Können benötigt, um in ein System einzubrechen, und dass dies bei einem Hacker bedeutet, dass er über ein außergewöhnliches Maß an Wissen und Können verfügt, dann hat man nicht erkannt, dass sich von einem Wissen und Können in einem Bereich nicht notwendigerweise ein entsprechendes Wissen und Können in anderen Bereichen oder eine allgemeine Intelligenz ableiten lassen. Überdies sind Hackerwerkzeuge für jedermann verfügbar, der am richtigen Ort nachschaut, weswegen ein Hacker keineswegs immer wissen muss, was er macht. Sie mögen wissen, wie man die entsprechenden Werkzeuge einsetzt, aber das bedeutet nicht, dass sie deswegen auch viel über Computer oder das Netz wissen müssen. Die script kiddies sind dafür ein Beleg.

Aber auch ein Hacker, der gut über das Funktionieren der Computertechnologie Bescheid weiß, muss deswegen noch nichts über das Leben wissen, das außerhalb des Computermonitors stattfindet. Der Hackerkrieg über Transsilvanien ist dafür ein Beispiel. Einer der Mitglieder der Neuen Rechten, einer rechtsextremen Partei in Rumänien und eine der Angriffsziele der ungarischen Hacker, war im letzten Jahr in die "Nein, Nein, Niemals"-Site mit einem slowakischen Mitkämpfer eingebrochen und hatte deren Inhalte verändert. Gleichzeitig hat er Dokumente heruntergeladen, die nach seiner Ansicht zeigten, dass seine Rivalen Angriffe auf rumänische Websites planen würden. Er übergab dem rumänischen Geheimdienst eine Kopie dieser Dokumente in der Hoffnung, dass dieser die geeigneten Maßnahmen ergreifen würde.

Das Ergebnis war jedoch anderes als von ihm erwartet. Der rumänische Geheimdienst verfolgte nicht die ungarischen Revisionisten, sondern die rumänischen Nationalisten, überwachte die Neue Rechte und beschlagnahmte deren Computer. Während die Untersuchung seiner Hackeraktivitäten durch die Polizei noch stattfindet, hat dieser Informatikstudent aus der Stadt Cluj schon einmal seinen Rückzug aus dem Hackerkrieg mitgeteilt. Gleichzeitig brüstete sich eine Gruppe aus Konstanza auf einer der Mailinglisten der rumänischen Hacker, dass sie eine neue Offensive gegen die revisionistische ungarische Website vorbereiten würde.

Es ist unbekannt, ob es nun dieser Gruppe gelungen war, in die revisionistische Website einzubrechen, oder ob der einstige Studentenhacker von Cluj beschlossen hat, wieder aus der Pensionierung aufzutauchen. Unabhängig davon, wer nun wieder den Hackerkonflikt geschürt hat, ist eines sicher: Der Krieg der Worte um Transsilvanien geht weiter. Und das alles zeigt nur, dass die Hacker genauso menschlich sind wie wir alle.