Weihnachtsmann fand Weg zur ISS nicht

Bescheidenes Weihnachtsfest auf der ISS

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Vom kommerziellen Weihnachtsrausch, der vor wenigen Tagen auf ihrem Heimatplaneten wütete, haben die drei mittlerweile hinlänglich bekannten Protagonisten der Internationalen Raumstation nur herzlich wenig mitbekommen. Kein Wunder, schwebt doch ihre Heimat weit abseits aller himmlischen Pfade, die zu bestimmten Jahreszeiten vor allem Weihnachtsmänner stark frequentieren.

Obwohl kein Tannenbaum, keine kulinarische Spezialität in Gestalt eines Lebkuchens oder eines Christstollens und kein Weihnachtspaket der Schwerelosigkeit der Raumstation ausgesetzt war, und der Weihnachtsmann den Weg zur 'Alpha' offensichtlich nicht fand, kam an Bord dennoch ein klein wenig Stimmung auf.

Etwas trocken war der Truthahn schon, den die drei Raumfahrer am ersten Weihnachtstag in heißem Wasser kochten und zu sich nahmen. Aber geschmeckt haben soll der Extrahappen dennoch, den sich die ISS-Astronauten zur Feier der Stunde gönnten. Alles in allem war es aber eine spartanische und ausgesprochen besinnlich ruhige Feier, die ihren Höhepunkt fand, als die ISS-Besatzung die Raumstation auf die Erde ausrichtete und diese im Orbit so positionierte, dass das samtene Blau unseres Planeten die Luken von 'Alpha' mit Licht erfüllte.

Dass die Drei von der Außenstelle im All dieses Mal ihre ganze Aufmerksamkeit der Erde schenkten und am Wochenende - sichtlich von der überwältigenden Aussicht angetan - einen Weihnachtsgruß gen Heimat schickten, kam nicht von ungefähr: "Wir lieben die Schönheit der Erde", funkte Sergej Krikaljow zur Erde. "Allen ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr."

Streng genommen bestand für die beiden russischen Kosmonauten an Bord der ISS kein Grund, in Weihnachtsstimmung zu fallen, wird doch das orthodoxe Weihnachtsfest erst in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar gefeiert. Da jedoch die Amerikaner das Oberkommando an Bord der ISS haben, gab man der amerikanischen Feiertagsregelung den Vorzug: Die Raumfahrer bekamen am ersten Weihnachtstag, dem 25. Dezember frei (der zweite Weihnachtstag fällt in den USA weg). Wie die Russen jedoch die Nacht vom 6. auf den 7. Januar verbringen werden, ist bis dato unklar.

Wie auch immer - die gesamte Mannschaft nutzte den freien Tag vornehmlich dazu, um mit den Liebsten daheim via "Videokonferenz" zu kommunizieren. Die langen Gespräche, die sie mit Familien und Freunden führten, dürften für die Crew das beste Weihnachtsgeschenk gewesen sein.

Auch zu Neujahr am 1. Januar erhält die Besatzung einen arbeitsfreien Tag. Dann kann sie - wie schon während der Weihnachtszeit - das Werkzeug beiseite legen und entweder Bücher lesen, Filme sehen, telefonieren oder Musik hören. Dass die Kosmonauten, die zu Beginn ihrer Mission noch über reichlich Stress klagten, die letzte Ruhepause sehr gut gebrauchen konnten, war angesichts des gewaltigen Arbeitspensums, dem sie noch Tage zuvor ausgesetzt gewesen waren, auch dringend nötig.

Zurück zur Erde geht es für die nach über vier Monaten im All als erste Langzeitbesatzung der Internationalen Raumstation tätige Crew frühestens am 12. März 2001. Auf der russischen Raumstation Mir, die seit 15 Jahren um die Erde saust und im kommenden Februar endgültig versenkt werden soll, waren die Feiertage zum Jahreswechsel besser vorbereitet. Dort habe es Plastiktannen und Spielzeug gegeben, erinnern sich die Kosmonauten. Einige Besatzungen hätten zu den russischen Neujahrsfeiern sogar eigene Kostüme mitgebracht.

Zumindest was Sylvester anbelangt, dürfte die Crew voll auf ihre Kosten kommen. Den sage und schreibe 15 Mal dürfen sie, die Zeitzonen en masse überfliegen, auf ihrer Umlaufbahn auf das Neue Jahr anstoßen; allerdings ohne Sekt, da dieser sich in der Schwerelosigkeit im All nicht trinken läßt. "Wir werden uns mit Cognac begnügen - aber nur symbolisch", hatte der Russe Juri Gidsenko noch vor dem Start Ende Oktober verraten.

Während die ISS-Crew im All ihre dezente "Weihnachtsfeier" zelebrierte, verstummte die derzeit unbemannte russische Raumstation MIR für fast 24 Stunden. Warum der Kontakt am Montagmittag abgebrochen war, jedoch am Dienstagnachmittag wiederhergestellt werden konnte, ist bisher unklar. Die Raumstation, die derzeit unbemannt ist, sollte im Februar 2001 kontrolliert zum Absturz gebracht werden. Dabei sollte ein Teil verglühen und ein Teil im Pazifik versinken. Im Januar soll eine Crew zur "Mir" reisen und die Zerstörung der Raumstation vorbereiten. Die MIR ist bereits seit 1986 im All. In den vergangenen Jahren hatte es auf der Raumstation immer wieder Zwischenfälle gegeben. Die Russen wollen sich jetzt an der internationalen Raumstation ISS intensiver beteiligen.

Für die NASA, aber auch für die russische Raumfahrtbehörde war der "Weihnachtsaufenthalt" der ISS-Crew keineswegs eine Premiere. Bereits die erste bemannte Mission zum Mond, bei dem die Apollo-8-Crew mit ihrer Kapsel jedoch nur den Mond umkreiste, erstreckte sich im Dezember 1968 über die Festtage. Commander Frank Borman, James Lovell und Bill Anders waren die ersten Menschen, die nicht nur den Mond umkreisten, sondern sie war auch zugleich die erste Crew, die bislang während der Weihnachtstage am weitesten von Mutter Erde entfernt gewesen war: über 384.000 Kilometer. Und auf der Skylab (1973) und der MIR erlebten einige Besatzungen auch Weihnachten im All. Dass indes im Dezember 1999 das letzte Mal Astronauten während der Weihnachtszeit im All weilten, geschah mehr oder weniger unfreiwillig. Aufgrund einer neunmaligen Verschiebung des Starttermins kam es Ende 1999 dazu, dass die siebenköpfige Crew der US-Raumfähre Discovery Weihnachten im Orbit verbringen mußte. Seinerzeit wollte die NASA einen Start der Discovery nach dem 14. Dezember vermeiden, um den Astronauten nicht zuzumuten, Weihnachten im All verbringen zu müssen. Doch wie sooft im Leben traf genau dies ein. Aber der Erfolg gab den NASA-Verantwortlichen Recht: Die dritte Hubble-Reparatur-Mission gelang, weil die Astronauten seinerzeit ungeachtet der Weihnachtstage durcharbeiteten.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Aufenthalt künftiger ISS-Crews während der besinnlichen Tage etwas arbeitsarmer und "weihnachtlicher" sein wird, als dies dereinst bei den "Pionieren" der Raumfahrt gewesen war.