Wellenreiter

Schnellere und billigere Antriebssysteme

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Das Wellenreiter-Design kann für den Einsatz von Über- und Hyperschallflugzeugen genutzt werden, um das Verhältnis von Auftrieb/Widerstand zu erhöhen. Es eignet sich auch für den Einsatz sogenannter Raketen-Jets, die zukünftig in etwa einer Stunde Passagiere von New York nach Paris transportieren können.

Wellenreiterentwurf für ein Hyperschallfluggerät. DLR

Hinter dem Wellenreiter-Design verbirgt sich der physikalische Effekt des Kompressionsauftriebs. Hinter einem Verdichtungsstoß bildet sich eine Zone erhöhten Drucks. Wenn diese Zone eine günstige Lage am Tragflügel oder Rumpf einnimmt, so wird zusätzlicher Auftrieb erzeugt, wobei gleichzeitig der Widerstand sinken kann. Ein Wellenreiter wird dabei einem definierten Stoß angepaßt, durch den seine Unterseite, die genau auf dem Stoß liegen soll, festgelegt wird. So kann z.B. beim Flug mit Mach 3 in 21km Höhe bis zu 30% des erforderlichen Auftriebs als Kompressionsauftrieb erzeugt werden. Dies bedeutet bei gegebener Flügelfläche, daß sich der Anstellwinkel und damit der induzierte Widerstand verringern. Dadurch werden der erforderliche Schub und der Brennstoffverbrauch der Triebwerke kleiner, was entweder in größere Reichweite oder höhere Nutzlasten umgesetzt werden kann.

Das Wellenreiter-Design wurde durch Arbeiten in Großbritannien aus den 50er und frühen 60er Jahren begründet. Terence Nonweiler veröffentlichte als erster Analysen zum Wellenreiter-Prinzip im Jahre 1951, als er eine Flügelform für atmosphärische Wiedereintritts-Vehikel vorschlug. Seine Arbeiten bei Armstrong-Whitworth Aircraft Ltd zwischen 1957 und 1959 führten zunächst zu einem pyramidenförmigen Design mit flacher Unterseite und kurzen Flügeln und später zu einem auf einer Schockwelle reitenden Deltaflügel. Weiter kann hierbei das Prinzip der Wieder-Abstrahlung der Hitze beim Wiedereintritt für die Kühlung des Vehikels genutzt werden. Hierbei wird die Hitze der Oberseite in das darüberliegende Vakuum abgestrahlt.

In den 70er Jahren wurden insbesondere Wiedereintritts-Trajektorien mit Wellenreitern von Leo Townend beschrieben. Einer der weltweit führenden Forscher im Bereich des Wellenreiter-Designs ist Maurice Rasmussen von der Aersopace and Mechanical Engineering School (AME) der University of Oklahoma, der Nonweilers zwei- um dreidimensionale Lösungen erweiterte, die weitaus verbesserte Auftriebseigenschaften und einen reduzierten Widerstand gegenüber Nonweilers Design aufwiesen. Durch die Zunahme der Rechenleistungen wird es hierbei immer besser möglich werden, neue Lösungen für dreidimensionale Strömungsberechnungen zu finden und somit das Design von Wellenreitern weiter zu optimieren.

Wellenreiter-Flugzeuge mit luftatmenden Hyperschall-Antrieben können mit Geschwindigkeiten von über Mach 4 betrieben werden. Wellenreiter haben darüber hinaus ein hervorragendes Potential, Antriebssysteme in die Flugzeugstruktur zu integrieren, da diese z.B. für wasserstoffverbrennende Scramjet-Antriebe im Eingangsbereich ein bekanntes Strömungsfeld liefern. 'Ram-Jet'/'Scram-Jet'-Antriebe nutzen die Kompressionswirkung hoher Geschwindigkeiten für die Verdichtung, wobei beim 'Scram-Jet'-Antrieb im Unterschied zum 'Ramjet'-Antrieb die Verbrennung im Überschallbereich stattfindet. Im Geschwindigkeitsbereich von Mach 3,5 bis Mach 6 können 'Ram-Jet'-Antriebe und ab Mach 6 'Scram-Jet'-Antriebe eingesetzt werden.

Entsprechende Untersuchungen an voll integrierten Wellenreitern werden im NASA Langley Research Center und bei Lockheed durchgeführt. Wellenreiter haben den besonderen Vorteil, daß diese ihre Überschallgeschwindigkeiten beim Wiedereintritt nicht durch den immensen Widerstand wieder verlieren. Mittels Laserstrahlen, die an der Spitze des Flugkörpers fokussiert werden, kann dort ein Plasma erzeugt werden. Dadurch wird eine Serie pulsierbarer Schockwellen hervorgerufen, die für die Kontrolle des Luftstroms um den Flugkörper eingesetzt werden können. Durch diese Technologie lassen sich im Gegensatz zu heutigen Antriebssystemen wesentlich verbesserte Kosten-/Nutzenverhältnisse erreichen.

1989 wurde in Großbritannien das STAAR Forschungsprogramm mit dem Ziel ins Leben gerufen, einen kleinen bemannten Wellenreiter in niedere, gegebenenfalls orbitale Umlaufbahnen fliegen zu lassen. Die NASA und die US Air Force haben ein Flugzeug mit Jet-Antrieb, das Low-Observable Flight Test Experiment (LoFLYTE) entwickelt, welches auf dem Wellenreiter-Design basiert und durch ein neuartiges Flugkontrollsystem gekennzeichnet ist. Dieses beinhaltet Neuronale Netze, die dem Flugzeug während des Fliegens ein ständiges Lernen über Flugzustände erlauben. Derartige Programme sind für Wellenreiter unbedingt notwendig, da bei derart hohen Geschwindigkeiten die Reaktionszeiten der Piloten viel zu lange wären. Die Anwendung Neuronaler Netze hilft Piloten in Echtzeit-Entscheidungssituationen und ermöglicht, beschädigte Flugzeuge auch bei partiellem Ausfall von Systemen noch zu landen. Wenn Neuronale Netze die komplexen Flugzustände beim Hyperschall kontrollieren können, dann können diese auch bei normalen Großraumverkehrsflugzeugen oder Militärmaschinen erfolgreich die Piloten substituieren.