Weltweiter US-Wahlkampf

Das anstehende Obama-Event in Berlin sorgt weiter für Kontroversen, fraglich ist, ob der demokratische Präsidentschaftskandidat mit seiner Medienstrategie Erfolg haben wird

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Die Loveparade hat ihren Standort gewechselt und ging am letzten Wochenende im Westen der Republik über der Bühne. Dafür soll am kommenden Donnerstag an der Berliner Siegessäule, dort wo vor Jahren DJ Motte seine Jünger mit seinen esoterischen Reden unterhielt, ein neuer Superstar auftreten, der designierte US-Präsidentschaftskandidat der Demokraten Barack Obama. Sein Auftritt an der Ostseite der Siegessäule – „von hinten gefilmt vor vielen Menschen und dahinter das Brandenburger Tor“, wie der USA-Experte Harald Wenzel sagte - sorgt in Berlin noch immer für Kontroversen: Nach dem Streit um das Brandenburger Tor fiel nun einigen FDP- und Unionspolitikern ein, dass die Siegessäule eine militaristische Vergangenheit hat.

Das Plakat für den Auftritt Obamas in Berlin

Das ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Wegen dieser Tradition hatten die Revolutionären Zellen 1991 sogar einmal einen missglückten Anschlag auf die Siegessäule verübt. Da aber diese Vergangenheit ausgerechnet bei der geplanten Rede eines US-Politikers und nicht beim Massenevent überwiegend deutscher Technojünger diskutiert wird, können diese Wortmeldungen nur als Nörgelei einiger Politiker interpretiert werden, die im Sommerloch zumindest auch etwas von der Aufmerksamkeit abkriegen wollen, die Obama bei seinen einzigen öffentlichen Auftritt auf seiner Wahlkampfweltreise schon jetzt genießt.

Das ist verständlich. So erwarten die Behörden zum Obama-Auftritt einen Ansturm, der an die Fanmeile während der Fußball-Weltmeisterschaft erinnert. Selbst die Aufstellung von Videoleinwänden ist geplant. Auch die Sicherheitskontrollen können sich mit den Maßnahmen während der Fußball-WM messen lassen. So soll das Mitführen von Transparenten und Taschen bei der Obama-Rede untersagt werden.

Wie viele Teilnehmer tatsächlich zum Obama-Auftritt, der Teil der diesjährigen Berliner Sommerevents ist, kommen werden, ist völlig offen. Die Behörden erwarten zwischen zehntausend und eine Million Menschen. Selbst bei der niedrigsten Schätzung müssen sämtliche deutsche Politiker vor Neid erblassen. Sie taugen halt nicht für die Eventkultur. Allerdings sagt auch ein Ansturm nichts über das künftige Verhältnis zwischen Deutschland und den USA aus. Das hat mehrere Gründe. Zunächst ist Obama eben nur designierter Kandidat und noch kein Präsident.

Auch wenn man über John McCain zur Zeit wenig auf der internationalen Bühne hört, er auch auf innenpolitischem Parkett eher glücklos operierte und auch wegen Wirtschaftskontakten ins Gerede gekommen ist, so darf der Konkurrent von Obama keinesfalls abgeschrieben werden. Die Umfragewerte der beiden Kandidaten liegen noch immer für Obama gefährlich nahe beieinander. Die US-Wahlen werden eben nicht durch einen weltweiten Wahlkampf entschieden. Wenn es McCain gelingt, die konservativen US-Bürger an die Urnen zu bringen, hat er gute Chancen. Dazu könnte die Allgegenwärtigkeit von Obama und sein Hang zum Event beitragen. Selbst seine treuesten Freunde in Deutschland warnen deshalb davor: „Wer die Dynamiken von US-Wahlkämpfen kennt, dem kann beim jetzigen Stand angst und bange werden. Obamas aktuelle Omnipräsenz kann zum Überdruss führen. In den letzten Wahlkampfwochen kann das entscheidend sein.“

Hinzu kommt, dass Obamas außenpolitische Wahlkampfshow in der Substanz nicht besonders erfolgreich war. Die irakische Regierung hat sich von Obamas Abzugsplänen distanziert. Gerade erst hatte der Spiegel noch ein Interview mit Nuri al-Maliki veröffentlicht, in dem er Obamas Plan, die US-Truppen innerhalb von 16 Monaten aus dem Irak abzuziehen, als den richtigen Zeitraum bezeichnet hat. Da Maliki auch schon früher von Abzugsplänen gesprochen hat, ist anzunehmen, dass es einer Intervention aus Washington bedurfte, um ihn wieder auf Linie zu bringen. Danach betonte der Sprecher der irakischen Regierung, dass deren Äußerungen nicht als Unterstützung eines Kandidaten im US-Wahlkampf interpretiert werden dürften. Damit sind auch die realen Machtverhältnisse noch einmal klargestellt worden. Allerdings sagte ein Sprecher der irakischen Regierung nach dem Treffen von Obama und Maliki am Montag in Bagdad diplomatisch, dass man keinen Zeitplan vorlegen könne, aber dass der Zeitrahmen bis 2010 durchaus angemessen wäre.

Unterschiedliche Interessen

Aber selbst wenn Obama nach den nächsten Wahlen ins Weiße Haus einziehen sollte, ist nicht automatisch von einer Verbesserung der transatlantischen Beziehungen auszugehen. So machte etwa der US- Professor für Internationale Politik Daniel Hamilton deutlich, dass es unter einer Präsidentschaft von Obama für die europäischen Länder schwieriger werden könnte, Hilfsgesuche zurückzuweisen. Das betrifft vor allem den in Deutschland noch immer äußerst umstrittenen Einsatz in Afghanistan. Auf das Land aber will sich Obama stärker konzentrieren und die Truppenpräsenz bedeutend ausweiten. Dabei ist sogar ein Übergreifen des Konflikts auf Teile von Pakistan nicht ausgeschlossen.

Für die westlichen Truppen hat sich die Situation in Afghanistan in der letzten Zeit verschlechtert, verschiedene islamistische Gruppen gewinnen an Boden und die innenpolitische Situation der Atomwaffenmacht Pakistan ist weiterhin äußerst instabil. In den USA könnte Obama mit seiner außenpolitischen Schwerpunktsetzung auf Afghanistan durchaus auch Unterstützung bei Gegnern des Irakeinsatzes bekommen. Immerhin war Afghanistan ein Rückzugsgebiet für Al-Qaida.

In Deutschland aber dürften die Probleme eher zunehmen. Hier hat die Politik lange Zeit den Eindruck erweckt, dass die deutschen Soldaten nur eine Art bewaffnete Entwicklungshelfer sind und sich von den britischen und US-amerikanischen Kollegen absetzen (Angst ums Selbstbild) Diese Lesart ist schon heute nicht mehr aufrechtzuerhalten. Jede neue Unterstützungsanforderung aus den USA oder von anderen Nato-Staaten wirkt da eher kontraproduktiv. Der Afghanistaneinsatz ist in der deutschen Öffentlichkeit nicht beliebt, auch wenn bislang kein aktiver Protest, wie sich an den kleinen Demonstrationen gegen den Afghanistaneinsatz zeigt (Nicht in meinem Namen). Ein Teil der heutigen Kritiker vor allem aus dem grünen Lager dürften bei einer Präsidentschaft Obamas ihre Meinung ändern. So wird in der Tageszeitung plötzlich vor der Modeerscheinung Antiamerikanismus gewarnt. Dabei war das Blatt beim Bush-Bashing mit in der ersten Reihe. Doch wer nun etwas daran auszusetzen hat, dass auch Obama für die Todesstrafe eintritt, soll plötzlich ein Antiamerikaner sein.

Der Wille zur Gegenmacht

Doch die bedingungslosen Obama-Anhänger dürften in Deutschland in der Minderheit sein. Interessant ist hier ein Beitrag des Politikwissenschaftlers Werner Link in der FAZ, in dem dieser ein von Deutschland dominiertes Europa ganz klar gegen die USA in Frontstellung bringen will.

Wie die britische Regierung lehnt auch die Bundeskanzlerin Merkel (CDU) die Vorstellung ab, Europa solle als eigenständige Macht ein Balancefaktor gegenüber der Übermacht Amerikas werden. Welche Folgen die Hinwendung zu den Vereinigten Staaten für die deutsche Europa-Politik haben wird, ist nicht abzusehen. Immerhin anerkennt das „Weißbuch 2006 zur Sicherheit Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“, Deutschlands nationale Interessen seien „am besten in einer handlungsfähigen Europäischen Union durchzusetzen.

Dass ein unabhängiger europäischer Machtpool die Voraussetzung für die angestrebte Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten ist, wird von den deutschen Atlantikern nicht anerkannt. Der „Wille zur (Gegen-)Macht“ im Konzert der Mächte unterscheidet die Europäer von den Atlantikern.“

Diese Debatte ist nicht neu, aber dass sie an prominenter Stelle in der FAZ platziert wurde, zeigt ihren Stellenwert. Die Strömung könnte bei einer Präsidentschaft Obamas stärker werden und erhält Zustimmung bis in die Friedensbewegung hinein, weil sie sich als angeblich friedliche Alternative zur USA verkauft. Solche Debatten sind für die künftigen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA wichtiger, als die Zahl der Teilnehmer am Obama-Event an der Siegessäule.