Wem gehört die Prinzhorn-Sammlung?

Noch immer gibt es kein Denkmal für die Euthanasieopfer der Nazizeit - eine Berliner Initiative will das ändern

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Jahrzehntelang bargen die Kellergewölbe des Heidelberger Universitätsklinikums einen Kunstschatz der besonderen Art: die sogenannte Prinzhorn-Sammlung. Benannt ist sie nach dem Arzt Hans Prinzhorn, der zwischen 1919 und 1921 rund 6000 Kunstwerke von Anstaltsinsassen in der Heidelberger Klinik zusammengetragen hatte. In den zwanziger Jahren machte die Sammlung weltweit Furore. Bekannte Künstler wie Paul Klee, Picasso und Dali ließen sich bei ihrer Arbeit von der Prinzhorn-Sammlung inspirieren.

Die Nazis stellten einige Kunstwerke aus der Sammlung in ihrer berüchtigten Ausstellung über entartete Kunst aus. Dort wollte man die gesamte Moderne unter Generalverdacht stellen. Dafür eigneten sich natürlich Bilder von Psychiatriepatienten hervorragend. Eine Reihe der Künstler wurde unter den Nazis Opfer der Euthanasiemorde, von weit mehr verliert sich in den 30er Jahren jede Spur. In dieser Zeit wurde die Heidelberger Universitätsklinik unter dem berüchtigten Neurologen Carl Schneider zum Motor der Euthanasie, des Mordprogramms an sogenannten Behinderten.

Lamm Gottes von Johann Knopf (Knüpfer)

Nach 1945 hatten die Klinikverantwortlichen in Heidelberg daher allen Grund, die Prinzhorn-Sammlung tief im Keller zu vergraben. Nur im Internet ist seit einigen Jahren ein Teil der Kunstwerke zu sehen.

Demnächst soll die Ausstellung in einen extra umgebauten Pavillon auf dem Gelände der Heidelberger Universitätsklinik wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ein später Akt der Rehabilitation könnte man denken. Doch so einfach ist es nicht. Der Bundesverband der Psychiatrieerfahrenen (BPE und der Freundeskreis Haus des Eigensinns erheben Einspruch gegen die Träger und den geplanten Standort der Ausstellung.

"Beutekunst im Hörsaal der Mörder" hieß die polemische Aufschrift auf einem ihrer Transparente, mit denen sie auf die bedeutende Rolle der Heidelberger Klinik beim Euthanasieprogramm verweisen. Der Sprecher des Freundeskreis Haus des Eigensinns, René Talbot, bezichtigt die Verantwortlichen in Heidelberg, die pathologisierenden Sichtweise auf die Patienten bis heute fortzusetzen: "Die Verantwortlichen betrachten die Kunstwerke noch immer als Patientenkartei, die sie nicht herausgeben wollen. Die Klinik will noch immer nicht akzeptieren, daß sie die Kunstwerke bösgläubig erworben hat und die Eigentümerrechte nicht an sie übergegangen sind."

Die Kritiker schlagen einen anderen Ort für die Prinzhornsammlung vor. Auf dem Areal der Tiergartenstraße, an der Stelle, wo von 1939 bis 1941 die Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten die systematische Registrierung und Tötung geistig Behinderter - die sogenannte T4-Aktion - vorbereitet wurde, soll nach ihren Vorstellungen ein 1100 Quadratmeter großer, mit einem Mahnmal kombinierter Museumsneubau zum Gedenken an die rund 275 000 Euthanasieopfer der Nazizeit errichtet werden.

Der zerstückelte Horus von Paul Goesch, 1885-1940

Zwei Ausstellungsprojekte haben die Initiatoren, zu denen u.a. der Berliner Bischof Wolfgang Huber, der Schriftsteller Walter Jens und der ehemalige Präsident der Berliner Ärztekammer und frühere grüne Gesundheitspolitiker Ellis Huber gehören, für das Museum vorgesehen. Eine vom Bund der "Euthanasie-Geschädigten und Zwangssterilisierten" konzipierte Wanderausstellung soll den Grundstock für die Dokumentation der Verbrechen und der ideologischen Hintergründe der Euthanasie-Morde bilden und würde zirka 40 Prozent des vorgesehenen Museumsplatzes beanspruchen. Die restliche Fläche ist für die Bilder der Prinzhorn-Sammlung reserviert.

"Wir wollen den Künstlern mit der Präsentation im 'Haus des Eigensinns' ihre Würde zurückgeben", betont René Talbot. Neben dem im Bau befindlichen Holocaust-Denkmal und dem geplanten Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma soll auch den Euthanasieopfer in der Mitte Berlins gedacht werden. Außerdem soll mit der Ausstellung im Euthanasie-Mahnmal der Kontext zwischen der Pathologisierung der Psychiatriepatienten durch Prinzhorn und ihrer Vernichtung im nazistischen Euthanasieprogramm hergestellt werden.

Einen solchen Zusammenhang wiederum will die Heidelberger Initiative unter allen Umständen vermeiden. "Die Tatsache, dass die Sammlung in der Heidelberger Klinik, die in die Euthanasieaktion verwickelt war, beheimatet ist, wird als Grund angesehen, sie von dort zu entfernen. Diese Verknüpfung ist historisch nicht stichhaltig", heißt es in einem Papier der Prinzhorn-Stiftung. Seit Monaten sind zwischen Berlin und Heidelberg die Fronten verhärtet. Je weiter der Bau in Heidelberg fortgeschritten ist, desto geringer sind die Chancen, die Vorstellungen der Berliner Iniativen durchzusetzen.

Durch die demnächst anstehende Senatsumbildung könnten die Chancen auf die Realisierung des Projekts wieder steigen. Denn bisher hat sich von allen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien lediglich die CDU explizit gegen das Haus des Eigensinns gewandt. PDS und Bündnisgrünen haben Zustimmung signalisiert, die SPD hielt sich in dieser Frage bisher bedeckt.

Wenn aber erst einmal eine definitive Entscheidung zugunsten des "Hauses des Eigensinns" gefallen ist, wird sich auch die Heidelberger Initiative die Bilder der Prinzhornsammlung nicht länger verweigern können, gibt sich Talbot überzeugt.