Wenig Chancen für künftiges Familienleben

Seite 4: Konsum und Konsum-Freizeit sozialisieren für die Erwerbsarbeit

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Viele junge Menschen sind begeisterte Videospieler, "Gamer"; die jüngeren Generationen sind geradezu geprägt von Computerspielen. Diese folgen genau dem Muster der modernen Erwerbsarbeit: Eigeninteresse, heftiger Wettbewerb, beschränkte strategische Kooperation, hohe Flexibilität. Erfolg im Spielverlauf führt zu einem Schub für das Selbstwertgefühl und zu Anerkennung durch die Community.1 Die Spieleindustrie bereitet damit pädagogisch perfekt auf Erwerbsarbeit vor, wo aus dem Spielerischen dann halt Ernst wird, dafür aber Geld winkt.

Beim Konsum wiederholen sich jene Machtverhältnisse, die im Feld der Erwerbsarbeit herrschen. Das schöne Wohnen gelingt nur mit genügend Geld, ebenso die teuren Fernreisen, der neue große, eindrucksstarke SUV. An luxuriöse Konsumgüter kommt man nur mit entsprechendem finanziellen Spielraum, also mit passender Anstrengung und guter Selbstdarstellung in der Arbeitswelt. Da kriminelle Karrieren in den mitteleuropäischen Ländern doch noch ein Minderheitenprogramm sind, braucht es also Bewährung in der Berufsarbeit und eine persönliche Aufstiegsillusion, die sich für viele allerdings nie erfüllen wird. Der Tellerwäscher, der Millionär wird, ist auch in den USA immer ein ganz extremes Minderheitenprogramm gewesen.

Wer das nicht kann oder will, ist auf den mitteleuropäischen Sozialstaat angewiesen. Aber dessen Geld reicht nur für ein sehr, sehr bescheidenes Leben, da der moderne Staat die Menschen ja ununterbrochen in Berufstätigkeit bringen will, die Leute sollen sich schließlich ihre Lebensmittel selbst verdienen und nicht aus Steuermitteln zahlen lassen. Mit knapp 400 Euro im Monat (das ist der HartzIV Satz eines Singles für 2015, plus einer dürftigen Wohnung) geht sich nur ein recht anspruchsloses Überleben aus.

Instabile Verhältnisse

Dieser erwähnte Mindestsicherungssatz mag für EU-Migranten aus den Südosten der EU oder aus dem Nahen Osten oder Süden, auf den ersten Blick und aus dem Blickwinkel ihrer gewohnten Preisniveaus anziehend sein. Wenn sie dann länger da sind, schwindet das Attraktive der westlichen Konsum- und Arbeitsgesellschaften wohl allmählich. Das war nach dem Umbruch in den kommunistischen Oststaaten so, viele hatten die Werbung mit der Wirklichkeit verwechselt, immerhin, die Osteuropäer blieben damals meist zuhause. Ein Drittel Jahrhundert später sieht das anders aus. Die Kosten der aktuellen und ziemlich einfach gestrickten "Willkommenskultur" werden wohl in erster Linie die vorhandenen wirtschaftlich Schwächeren zahlen, wie immer schon - der Onkel aus Amerika stiftet zwar viel geopolitisches Unheil, zahlen tut er aber nicht dafür.