Wenig Chancen für künftiges Familienleben

Seite 5: Die Skepsis wächst …

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Die Skepsis vor der Zukunft hat sich in einem Jahr nahezu verdoppelt, folgt man der aktuellen Studie der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen.2 55 Prozent gehen "mit Angst ins neue Jahr", 87 Prozent meinen, Politiker werden weiter an Zustimmung in der Bevölkerung verlieren. Wenn der Terror vor der Haustür oder dem Gartenzaun zuschlägt, aber die Politik nur Allgemeinplätze produziert und die wirtschaftlichen Skandale anschwellen (heuer etwa VW, FIFA) kommen unruhige Zeiten auf uns zu.

… und die Folgen

Menschen rücken in Bruchzeiten notgedrungen von ihren Leitbildern und Zielen ab, richten sich auf mühsames persönliches Überleben ein. Langfristige Paarbindungen und die Aussicht auf ein Vierteljahrhundert mit Kinderbetreuung verlieren da ganz grundsätzlich an Interesse, denn das alles würde ja Stabilität und Planbarkeit, halbwegs sichere Verhältnisse voraussetzen.

Diese Instabilität ist nicht im Jahr 2015 vom Himmel gefallen, sondern war schleichend schon seit vielen Jahren vorhanden. Statt gemeinsam miteinander leben nimmt die Lebensform des "Living Apart Together" zu: Paare, die in getrennten Haushalten an verschiedenen Orten leben und sich nach Lust, Laune und Möglichkeiten sehen. "Bei den unter 30-Jährigen sind die bilokalen (an zwei getrennten Orten Lebende) Paarbeziehungen mit einem Anteil von 20% die zweithäufigste Lebensform."3 Gründe dafür sind: die "Individualisierung der Lebensformen" und die "wachsenden Mobilitätserfordernisse" - man ist nicht mehr synchronisierbaren Arbeitsverhältnissen ausgesetzt. Living-Apart-Together sind recht instabile Beziehungen, die Hälfte der Paare trennt sich dann auch innerhalb eines Jahres.

Geburtenaufschwung?

Kürzlich hat das Statistische Bundesamt erfreut über die steigenden Geburtenzahlen in Deutschland berichtet (Deutschland: Höchste Geburtenziffer seit Wiedervereinigung): "Die (..) Geburtenziffer des Jahres 2014 betrug in Deutschland 1,47 Kinder je Frau. Das ist (…) der höchste bisher gemessene Wert im vereinigten Deutschland."

Genau besehen dürfte das jedoch in erster Linie auf Frauen mit Migrationshintergrund, wovon viele mittlerweile deutsche Staatsbürger geworden sind, zurückzuführen sein. Es ist nicht explizit ausgewiesen, aber die Staatsbürgerschaft ist es: Deutsche Staatsbürgerinnen (inklusive Migrationshintergrund) haben 1,42 Kinder, nicht-deutsche Staatsbürgerinnen haben 1,86 (destatis).

Also eher keine erfreuliche Nachricht für die alten Einheimischen, da bleibt es, wie es war. In krisenhaften Zeiten überdenkt man häufig auch eine anstehende Scheidung (ein wesentlicher Grund ist heute: "weil es nicht mehr passt") und verschiebt sie auf das nächste oder übernächste Jahr.

Unerfreulich…?

Berufliche Mobilitätserfordernisse, Erfolgszwänge, gesellschaftsgewollte (oder eingebildete) Konsumerfordernisse und vor allem die persönlichen Kalküle in Hinblick auf Partnerschaft und Kinderwünsche, mit all ihren Folgen und Kosten lösen das Familienideal als praktisches Leitbild langsam auf. Für viele geht sich dieser "trade off" (der Austausch) von Familienleben im Vergleich zu einem wesentlich problemloser einlösbaren Individualismus, heute nicht mehr aus. Man wird sich damit abfinden oder die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern müssen. Zu letzterem fehlt allerdings vorderhand die gesellschaftspolitische Kraft, scheint es.