Wenige Tage vor Trump-Präsidentschaft: Meta schafft in USA Faktenchecker ab
Meta beendet die Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktenprüfern. Stattdessen sollen Nutzer selbst Inhalte bewerten. Wie die Entscheidung aufgenommen wird.
Der Tech-Gigant Meta, Mutterkonzern von Facebook und Instagram, kündigte am Dienstag weitreichende Änderungen seiner Strategie zur Inhaltsmoderation an. In einem Blogpost erklärte CEO Mark Zuckerberg, dass das Unternehmen die Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktenprüfern beenden und stattdessen auf ein System von Community-Notes setzen wird, ähnlich wie es aktuell auf der Plattform X (ehemals Twitter) praktiziert wird.
"Es ist an der Zeit, zu unseren Wurzeln der freien Meinungsäußerung zurückzukehren", so Zuckerberg in einem begleitenden Video. Er bezeichnete die externen Faktenchecker als "zu politisch voreingenommen". Metas neuer Leiter für globale Angelegenheiten, Joel Kaplan, ergänzte, dass die bisherige Vorgehensweise, obwohl gut gemeint, zu oft zur Zensur von Nutzern geführt habe.
Hintergrund der Entscheidung
Die Ankündigung ist Teil einer Reihe von Maßnahmen, die Meta ergreift, um dem Vorwurf der "Zensur" entgegenzuwirken und sich stärker für Meinungsfreiheit einzusetzen. Sie fällt zusammen mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus, der zuvor ein scharfer Kritiker von Metas Moderationsansatz war und Facebook als "Feind des Volkes" bezeichnete.
Erst im November speiste Zuckerberg mit Trump in dessen Anwesen Mar-a-Lago und das Unternehmen spendete eine Million Dollar für die Amtseinführung des wiedergewählten Präsidenten.
Meta hatte sein Faktenchecker-Programm 2016 als Reaktion auf die Kritik eingeführt, dass die Plattform zur Verbreitung von Fehlinformationen im US-Wahlkampf beigetragen habe. Seitdem überprüften unabhängige Organisationen des International Fact-Checking Network (IFCN) verdächtige Inhalte auf ihren Wahrheitsgehalt. Posts, die als falsch oder irreführend eingestuft wurden, erhielten Warnhinweise und wurden im Newsfeed herabgestuft.
Joel Kaplan, ein prominenter Republikaner, der den bisherigen Politikchef Nick Clegg ablöst, sagte gegenüber Fox & Friends, dass die Regeln auf Facebook und Instagram mit der Zeit "zu restriktiv" geworden seien, insbesondere bei sensiblen Themen wie Einwanderung und Geschlechtsidentität, über die die Menschen diskutieren wollten. "Wenn man etwas im Fernsehen oder im Kongress sagen kann, sollte man es auch auf unseren Plattformen ohne Angst vor Zensur sagen können", so Kaplan.
Reaktionen und Bedenken
Die Entscheidung stößt jedoch auch auf Kritik. Ava Lee von der Aktivistengruppe Global Witness sieht darin den Versuch, sich bei der neuen Trump-Regierung einzuschmeicheln - mit schädlichen Auswirkungen. "Zu behaupten, 'Zensur' zu vermeiden, ist ein politischer Schachzug, um keine Verantwortung für den Hass und die Desinformation zu übernehmen, die Plattformen fördern und ermöglichen", so Lee.
Auch die Molly Rose Foundation zeigte sich besorgt: "Diese Maßnahmen könnten schwerwiegende Folgen für viele Kinder und junge Erwachsene haben", warnte Vorsitzender Ian Russell. Die Organisation will nun dringend klären, ob die Änderungen auch Inhalte zu Suizid, Selbstverletzung und Depressionen betreffen.
Ein grundlegender Kurswechsel
Die Änderungen bei Meta sind Teil eines branchenweiten Trends, sich von der Bekämpfung von Falschinformationen abzuwenden. Kritiker sehen darin eine Politisierung der Moderation. "Die private Steuerung der Rede auf diesen Plattformen ist zunehmend zu einem Politikum geworden", erklärt Kate Klonick, Rechtsprofessorin an der St. John's University, gegenüber der BBC.
Standen die Unternehmen bisher unter Druck, durch Mechanismen Vertrauen und Sicherheit zu gewährleisten und gegen Probleme wie Belästigung, Hassrede und Desinformation vorzugehen, findet nun ein "radikaler Schwenk in die entgegengesetzte Richtung" statt, so Klonick.
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Besonders im Ausland war Metas Faktencheck-Netzwerk entscheidend, um Manipulationen und Missbräuche zu stoppen, die mitunter zu realer Gewalt führten. Laut Daten des Duke Reporters' Lab ist die Zahl der aktiven Faktenchecker weltweit rückläufig. In Nordamerika sank sie zwischen 2020 und 2023 von 94 auf 90.
Für Meta scheint die Zusammenarbeit mit Faktenprüfern in den USA vor allem dazu gedient zu haben, Ärger wegen politischer Fehlinformationen zu vermeiden. Das Unternehmen hatte in der Trump-Ära viel unternommen, um Kritiker zu beschwichtigen und der Regulierung zu entgehen - selbst wenn dies Zuckerbergs Vision einer neutralen Plattform für freie Rede widersprach. So investierte Meta Millionen in die Bezahlung von Nachrichtenpartnern, nur um diese Investitionen bei einer Algorithmusänderung wieder zu streichen.
Mit dem jüngsten Schwenk versucht Meta nun offenbar, sich rechtzeitig mit der neuen Administration gut zu stellen. Statt externer Prüfer sollen künftig Nutzer selbst Kontext und Klarstellungen zu kontroversen Beiträgen beisteuern - ganz im Sinne der von Trump beschworenen "Meinungsfreiheit".
Die Änderungen sollen zunächst in den USA eingeführt werden. Für die EU plant Meta laut eigenen Angaben derzeit keine Anpassungen.