Wenn Banken Politiker über den Tisch ziehen

Seite 2: "Die Banken haben die Politik zunächst für ihre Rettung und dann für ihre Regulierung beraten"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mit dem Bankenrettungsschirm wurden den Banken ihre waghalsigen Unternehmungen mit einem gewaltigen Aufwand an Steuergeldern finanziert. War dies das falsche Signal an die Finanzbranche?

Volker Handon: Hier kann man ja eigentlich nicht von falschen Signalen an die Finanzbranche reden. Die Signalgeber waren doch die Finanzinstitute selbst. Die Branche hat schnell erkannt, wie sie und ihre Eigentümer, die Probleme, die ihnen durch ihre eigenen Fehler entstanden sind, lösen können. Für diese Lösung wurde der gesamte Lobbyistenapparat in Richtung Berlin in Bewegung gesetzt. Jedem Politiker, der es wissen wollte, wurde dezidiert erklärt, dass eine Rettung nur mit Steuergeldern möglich sei. Und damit beim Volk kein größerer Unmut aufkommt, wurde diese Form der Rettung des Finanzsystems von der Kanzlerin und ihrem Finanzminister auch noch für "alternativlos" erklärt. Die Banken haben also in Deutschland die Politik zunächst für ihre Rettung und dann für ihre Regulierung beraten. Und weil das schließlich Arbeit macht, haben sie der Regierung für diese Qualitätsberatung auch noch fette Rechnungen gestellt. Das ist schon dreist.

In Deutschland haben sich die Politiker von den Banken ganz klar über den Tisch ziehen lassen. Da aber in der politischen Landschaft damals allgemeine Ahnungslosigkeit herrschte, kam man mit dieser Strategie schnell zum Erfolg und an das Geld der Steuerzahler. Bis zum heutigen Tage ist eine realistische Abwicklung einer systemrelevanten Bank wie zum Beispiel der Deutschen Bank ohne den immensen Einsatz der Geldschöpfungsfähigkeit von Notenbanken oder durch Steuergeldern, einschließlich der Enteignung von Inhabern und Aktionären, nicht möglich. Die Vision, die von Politikern gerne verbreitet wird, eine große Bank sei nach all den Reförmchen nun ohne weiteres abwicklungsfähig, ist echte Volksverdummung.

"Der Markt wäre sofort tot"

Wie ist Ihre Meinung zur Tobin-Tax?

Volker Handon: Die Tobin-Tax sollte ursprünglich ausschließlich auf Devisengeschäfte erhoben werden. Inzwischen redet man von einer Finanztransaktionssteuer (FTS), die möglichst sämtliche Finanzgeschäfte betreffen soll. In der öffentlichen Diskussion um die FTS werden dabei gerne Äpfel mit Birnen verglichen. Zum Beispiel wird die FTS häufig mit der Umsatzsteuer gleichgesetzt, was sie definitiv nicht ist. Würde sie nach dem jetzigen Modell, in dieser geplanten Höhe eingeführt, wäre der Markt sofort tot, weshalb auch die gerne vorgerechneten, exorbitanten Einnahmen für den Staat reine Illusion sind.

Wenn man schon über die Einführung einer solchen Steuer nachdenkt, wäre die Beachtung von folgenden Punkten aus meiner Sicht von großer Wichtigkeit:

  1. Die Höhe der Steuer, die sich immer auf Nominalbeträge beziehen müsste, sollte homöopathischer Natur sein, um die Transaktionskosten von zum Beispiel Derivaten nicht explodieren zu lassen. Denn sonst kommt der Handel zum Erliegen.
  2. Das neu erzielte Steueraufkommen dürfte nur zweckgebunden verwendet werden, also für Krisenfälle, die in der Finanzwirtschaft verursacht wurden. Die eingesammelten Steuern sollten also in einem "Feuerwehrfond" angespart werden.
  3. Die Steuer müsste einheitlich für alle EU-Länder auf europäischer Ebene festgesetzt werden.
  4. Sie sollte als Quellensteuer von den jeweiligen Börsen abgeführt werden, um ein Abschleichen der Marktteilnehmer an außereuropäische Orte zu verhindern.

Grundsätzlich bin ich als Händler gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, hätte allerdings einen besseren Vorschlag zu machen. Warum überlässt man das heute weitgehend automatisierte Börsenbusiness eigentlich den Banken? Eine staatliche Börse, die zudem das Clearinggeschäft übernimmt, könnte sich für den Staat als ewig und kräftig sprudelnde Einnahmequelle erweisen, um die dringend erforderlichen Investitionen in Bildung, Infrastruktur, die Energiewende oder die Kosten einer Finanzkrise zu stemmen.

"Es existiert keine Abschreckung unter den Akteuren"

Welche Lehren sollte man aus der Bankenkrise ziehen?

Volker Handon: Die Bankenkrise hat mindestens zwei Fehlentwicklungen in unserer heutigen Welt offengelegt, die keineswegs bereinigt sind. Das eine Problem ist die mangelnde Bildung der Konsumenten, der breiten Bevölkerung, in finanziellen, wirtschaftlich Bereichen. In welcher anderen Branche kaufen die Kunden pausenlos Produkte, von denen sie weder wissen, wie sie heißen, was sie nutzen oder worin ein mögliches Risiko besteht. Gerade diese Unwissenheit der Betroffenen war der Nährboden, der eine objektive Betrachtung von möglichen Risiken unmöglich machte und der Gier nach scheinbar sicheren Renditen freien Lauf ließ.

Das zweite Problem ist die Straflosigkeit, mit der Entscheider in der Finanzbranche nach wie vor hochriskante Geschäfte tätigen können. Es existiert keine Abschreckung unter den Akteuren, die den ein oder anderen Bankmanager zum Umdenken animieren könnten oder gar ein ganz anderes Bewusstsein zur eigenen beruflichen Tätigkeit entstehen lassen würde. Angestellte Trader und Investmentbanker sitzen im Börsencasino und spielen mit dem Geld anderer Leute. Verluste spüren diese Zocker nicht am eigenen Geldbeutel. Die an dieser Stelle lächerliche Debatte um die Begrenzung von Boni ist reine Augenwischerei und eine Beruhigungspille für die Bevölkerung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.