Wenn aus Hasenbein in der Fahndung Nader el Abd wird

Text Mining bringt die Lösung für das Unwägbare

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Ich fürchte mich, in die USA zu reisen. Meine Name "Hasenbein" ist bereits auf der Fahndungsliste dringend gesuchter Terroristen. Warum ich das weiß? Die Business News aus Washington haben es ausgeplaudert. Voll des Lobes, weil Text Mining die Lösung für das Unwägbare bringt, berichten sie über eine kleine Computer-Firma, die vor einem Jahr die Flugschulen in Florida besser in den Griff bekommen hat als das FBI.

Wie andere Telefonnummern, sammelt der Gründer von Language Analysis Systems, Jack Hermansen, Namen. Weit hatte er es schon gebracht, denn 1 Milliarde aus 200 Ländern lagerten auf seiner Festplatte als er der Nation seinen Dienst anbot. Früher lebte er abseits der Straße und verdiente schmale Kost mit "customer relationship management", weil die USA bekanntlich keine Meldepflicht kennen, und der Namenswechsel bei kleinen Vergehen vor Nachforschungen schützen kann. Inzwischen boomt das Geschäft bei einem Preis von 100.000 bis 200.000 US Dollar pro Auftrag. CIA, FBI, U.S. Customs Service und National Security Agency stehen Schlange, denn die Heimatverteidigung, Homeland Security, ist zum Dauerabonnenten geworden.

Die Firma lässt mich, und die anderen Terroristen, Kostproben miterleben, nämlich auf der Webseite von Onomastic. Da sind richtige Spezialisten am Werke, erklären sie doch schon auf ihrer Homepage die korrekte Phonetik "on uh MASS tiks". Irritierend nur dieses déja vu beim Namen; natürlich uh nicht a! Angetrieben von meinem Spieltrieb probiere ich an mir selbst "the technology of names". Wirklich, ich habe den "Name-Hunter" dreimal getestet: unter internationalen Namen ergibt der meine zwei Treffer: Hassein, Ali und el Abd, Nader.

Ich beginne zu träumen: Stamme ich aus der Zeit der Tausend und einen Nächte? Auf dem Weg zur Wiedergeburt stört plötzlich der Cop in einer der Wüsten, nicht in Afrika, sondern in den USA. Mein Fahrstil gefällt ihm nicht, was ihn nach meiner DriverŽs Licence verlangen lässt. Ich reiche ihm mein kanadisches Kärtchen, womit er im Vollbesitz seiner Autorität zu seinem Wagen zurücktappt. Dann aber, oh weh. Mit einem halben Fangschuss hat er mich auf die Erde getrieben. Er schwitzt und ich, immer noch in der Wüste, liege stundenlang regungslos. Endlich kommt der Hubschrauber und bringt mich an einen geheimen Ort. Keine Haremsdame, auch kein freundlicher alter Herr vom Typ Smiley (John le Carre), sondern bissige, bullige, kurzgeschorene Agenten, immer mit denselben Fragen: Wo hast Du bin Laden zuletzt gesehen? Stammst Du aus Saudi Arabien oder dem Jemen?

Der Bildschirmschoner bringt mich, schweißgebadet, in die Wirklichkeit zurück. Meinen Blick zieht es nach draußen auf den silbrig glänzenden Atlantik. Ich bin gerettet. Wie war das mit den Hunderten von Verdächtigen, die in US Gefängnissen gegen die sonst so lobenswerten demokratischen Spielregeln unseres Weltgewissens einsitzen? Wahrscheinlich ist in ihrer Driver`s Licence ein Begriff enthalten, der dank Text Mining zu einer jenen Unnamen wird, die seit einem Jahr ohne Konterfei auf der Fahndungsliste stehen. Präventiv sozusagen.