Wenn der Treibhauseffekt davongaloppiert

Bild: Nasa/Unsplash

Eines Tages könnte die Erde so heiß werden wie die Venus. Was die Astronomie über die Zukunft des Erdklimas verrät und woran weiter geforscht wird.

Immer bessere Weltraumteleskope erlauben es, Näheres über Atmosphäre und Klima von Exoplaneten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems in Erfahrung zu bringen.

Diese Informationen lassen letztlich auch Rückschlüsse darauf zu, ob auf einem Exoplaneten Leben vermutet werden kann oder es einmal Leben gegeben hat.

Oder für die Anhänger:innen einer Auswanderung von der Erde: Ob sich Menschen dort potenziell niederlassen könnten – wenn da nicht das kleine Problem der allzu lange dauernden Anreise wäre.

Atmosphären und Klima von Exoplaneten oder Planeten in unserem Sonnensystem zu studieren, kann aber auch ein Weg sein, etwas auf die mögliche Entwicklung des Klimas auf der Erde zu erfahren.

Theorie des "galoppierenden Treibhauseffekts"

Eine Frage, die in einer aktuellen Veröffentlichung eines Teams von Astronom:innen der Universität Genf und des französischen Forschungszentrums CNRS im Fachjournal Astronomy & Astrophysics angestoßen wird, ist die, ob relativ kleine Veränderungen im Klimasystem der Erde zu einem "galoppierenden Treibhauseffekt" ("runaway greenhouse effect") führen könnten, wie ihn die der Sonne nähere Venus einmal durchgemacht haben könnte, auf der heute eine mittlere Oberflächentemperatur von 464 Grad Celsius herrscht.

In der Astronomie können kleine erdähnliche Gesteinsplaneten mit einem gemäßigten Klima und solche mit einem heißen Klima nach dem Treibhauseffekt unterschieden werden.

Die Theorie des "galoppierenden Treibhauseffekts" besagt, dass auf einem Planeten mit Ozeanen aus Wasser durch eine Zunahme von Energie, etwa durch eine etwas stärkere Sonneneinstrahlung, die Verdunstung eine kritische Schwelle überschreiten kann. Wasserdampf ist ein bedeutendes Treibhausgas.

Kritischen Schwellenwert für Menge an Wasserdampf

Ist davon zu viel in der Atmosphäre enthalten, entweicht die Wärme nicht mehr ins Weltall, der Planet heizt sich weiter auf und mehr Wasser verdampft. Wie Guillaume Chaverot, ehemaliger Postdoktorand in der Abteilung für Astronomie an der wissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf und Hauptautor der Studie erklärt:

Es gibt einen kritischen Schwellenwert für diese Menge an Wasserdampf, über den hinaus sich der Planet nicht mehr abkühlen kann. Von da an wird alles mitgerissen, bis die Ozeane schließlich vollständig verdampfen und die Temperatur mehrere hundert Grad erreicht.

Guillaume Chaverot, Hauptautor der Studie.

Dieser Effekt wurde bereits in der Vergangenheit beschrieben, etwa 2013 von Jérémy Leconte und Kolleg:innen in Nature, die in einem 3D-Modell ermittelten, ab welcher Sonneneinstrahlung das Erdklima von dem derzeit gemäßigten zu einer Gluthölle wie auf der Venus kippen könnte.

Zunahme der Sonneneinstrahlung

Denn die Strahlung der Sonne nimmt allmählich zu. Würde die Sonneneinstrahlung auf die Erde von heute 341 Watt pro Quadratmeter auf 375 Watt pro Quadratmeter steigen, würde es zu einem Verdampfen der Ozeane kommen, so das Modell. Mit einer derartigen Zunahme der Sonneneinstrahlung ist aber erst in einer Milliarde Jahren zu rechnen.

Guillaume Chaverot möchte nun in einem weiteren geförderten Forschungsprojekt unter anderem der Frage nachgehen, ob die Zunahme von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre den galoppierenden Treibhauseffekt genauso anstoßen könnte wie eine leichte Zunahme der Sonneneinstrahlung. Einmal gestartet, verlaufe der Prozess rasant, erklärt Chaverot:

Angenommen, dieser galoppierende Prozess würde auf der Erde in Gang gesetzt, würde eine Verdunstung von nur 10 Metern der Ozeanoberfläche zu einem Anstieg des atmosphärischen Drucks in Bodennähe um 1 bar führen.

In nur wenigen hundert Jahren würden wir eine Bodentemperatur von über 500°C erreichen. Später würden wir sogar einen Oberflächendruck von 273 bar und eine Temperatur von über 1 500 °C erreichen, wenn alle Ozeane vollständig verdampft wären.

Guillaume Chaverot

Modellierung der Übergangsphase

Das Besondere an der aktuellen Modellierung ist, dass sich die Wissenschaftler:innen speziell die Übergangsphase von einem moderaten Klima hin zu einem extrem heißen, lebensfeindlichen Klima angeschaut haben.

Im Modell bildeten sich dabei sehr dicke Wolken in der oberen Atmosphäre und die Struktur der gesamten Atmosphäre veränderte sich. In den oberen Atmosphärenschichten bildeten sich neue Zirkulationsmuster heraus, während sich die Zirkulation in unteren Schichten abschwächte und schließlich zum Erliegen kam.

Simuliert wurde ebenfalls, ob der galoppierende Treibhauseffekt, einmal in Gang gesetzt, auch wieder rückgängig gemacht werden könnte. Eine leichte Verringerung der angenommenen Sonneneinstrahlung auf einen Wert unterhalb der kritischen Schwelle reichte dabei nicht aus, um den Wasserdampf aus der Atmosphäre wieder kondensieren zu lassen.

Um den galoppierenden Treibhauseffekt wieder rückgängig zu machen, wäre demnach eine Abkühlung auf tiefere Werte als zum Ausgangspunkt des Prozesses notwendig.