Wer nach Aliens sucht, sollte nach Raumsonden und Artefakten suchen

Eine galaktische Flaschenpost ist allemal besser für interstellare Kommunikation als Licht- und Radiowellen, behaupten zwei Forscher im "Nature"

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Wer mit Aliens in Kontakt treten will, sollte besser ein Info-Päckchen statt Licht- und Radiosignale senden, meinen zwei US-Wissenschaftler. Auch wenn der Gedanke nicht ganz so neu ist, haben die Forscher erstmals die Effizienz beider Kommunikationsformen genau berechnet. Das Ergebnis ihrer Arbeit, das sie in dem Fachmagazin "Nature" jüngst vorstellten, spricht eindeutig für die Flaschenpost-Variante. Sie sei am wirkungsvollsten, weil bei ihr der Faktor Zeit nicht die tragende Rolle spiele und in ihr mehr Information sicher deponiert und über weitere Strecken verschickt werden kann als bei Radiosignalen. Deshalb solle neben den SETI-Aktivitäten, so der Vorschlag der Forscher, auch die Suche nach außerirdischen Sonden oder Artefakten forciert werden.

Irgendwann und irgendwo in astronomisch ferner Zukunft: Inmitten des galaktischen Ozeans treibt ein bizarr aussehendes kleines künstliches Gebilde einem unbekannten Planetenufer entgegen. Es ist keine gewöhnliche planetare Küste, worauf es unaufhaltsam zudriftet. Bereits seit Tausenden "Erdjahren" lebt hier eine hoch technisierte Zivilisation, die längst der interplanetaren Raumfahrt mächtig ist, und der der fremde Eindringling nicht verborgen bleibt. Als ein Roboter die intelligente Sonde aus dem Weltraum zieht, beginnen nach einer intensiven Quarantäne Spezialisten damit, das Raumgefährt auf Herz und Nieren zu untersuchen. Mit Staunen analysieren sie das fremdartige Instrumentarium der Sonde. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich speziell auf eine goldene Platte und Schutzhülle, auf der mysteriöse Symbole eingraviert sind, die – wie ihnen später klar wird – auch eine Anleitung zum Abspielen einer Botschaft beinhalten. Nach einigen Versuchen setzen sie den kosmischen Plattenspieler in Bewegung ...

Weltraum-Disk als interstellarer Botschafter

Nun, es sei einmal dahingestellt, ob eines fernen Tages wirklich eine außerirdische Intelligenz eine derartige unheimliche Begegnung der "dritten Art" erlebt, wie in diesem zugegebenermaßen etwas naiven fiktiven Szenario angedacht. Immerhin aber halten irdische Wissenschaftler dies nicht für ganz ausgeschlossen. Ansonsten hätte die NASA wohl kaum die Raumsonden Voyager 1 und 2 und Pioneer-Pioniere 10 und 11, die seit 1972 und 1973 im Sternenmeer des Weltalls treiben, mit einer Botschaft für eine fremde, kulturell hoch stehende Intelligenz versehen.

Die legendäre goldene Disk "The Sound of Earth" ist nett anzuschauen. Ob Außerirdische sie irgendwann einmal zu sehen bekommen, steht leider nicht in den Sternen, die sie mit den Voyager-Sonden vielleicht irgendwann einmal passieren wird. (Bild: Voyager Project, JPL, NASA)

Denn träfe die seit 27 Jahren im Weltraum driftende Voyager 1 dereinst wirklich auf eine außerirdische Kultur, was in Jahrmillionen denkbar wäre, fänden diese an der Sonde eine 31 Zentimeter große, vergoldete "Schallplatte", auf der die NASA-Konstrukteure in vorsorglicher Weitsichtigkeit Bild- und Toninformationen der menschlichen Zivilisation und ihrer Mitbewohner gespeichert haben. Dabei ist die in den Metallrillen der Platte eingegrabene Information derart sicher deponiert, dass ihr selbst Staubkörner und Weltraumstrahlung nichts anhaben können. In punkto Langzeitspeicherung ist die Weltraum-Disk mit dem schönen Titel „The Sound of Earth“ zudem ein einsamer Rekordhalter: Mit einer Überlebensdauer von bis zu einer Milliarde Jahren - in diesem Zeitraum fliegt der blecherne Bote bereits viermal um das Zentrum unserer Galaxis – lässt sie jeden Computer, jede Bibliothek oder jedes Archiv alt aussehen. Grußbotschaften in 60 Sprachen, 90 Minuten Musik und Alltagsgeräusche von Lebewesen einer längst vergangenen Kultur – darunter das Freudengeschrei von Kindern oder der Gesang von Buckelwalen – würden zu neuem Leben erwachen, sofern die Außerirdischen das beigefügte Abspielgerät reaktivieren können und über einen ähnlichen, auf "unseren" Frequenzbereich abgestimmten Hörapparat verfügen.

Raumkapseln und Artefakte besser als Radiosignale

Auch wenn Voyagers Aussichten eher gering sind, mit seiner interstellaren Kosmo-Disk jemals Außerirdische in seinen Bann ziehen zu können, so war doch der eingeschlagene Weg der NASA-Wissenschaftler wenigstens vom Ansatz her der richtige. Zumindest glauben dies Christopher Rose vom WINLAB der Rutgers University in Piscataway im US-Bundesstaat New Jersey und der IT-Spezialist und Physiker Gregory Wright von der Firma Antiope Associates (ebenfalls New Jersey).

Beide Forscher haben zum ersten Mal eine Formel entwickelt, mit der sich berechnen lässt, welche Art der interstellaren Kommunikation die effektivste ist. Zu diesem Zweck verglichen sie die für das Funken benötigte Energie mit jener Energie, die vonnöten wäre, um einen interstellaren "Postboten" zu beschleunigen.

Die Spiralgalaxie NGC 1232 befindet sich 100 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Mit einem Durchmesser von zirka 200.000 Lichtjahren ist sie doppelt so groß wie die Milchstraße. Wie viele "Internet-User" mögen dort gerade das Bild unserer Galaxis auf dem Bildschirm flackern sehen? (Bild: ESO)

In dem englischen Fachmagazin "Nature" (Bd. 431, S. 47-49) stellten beide Forscher nunmehr ihre Ergebnisse vor. Ausgehend von der Überlegung, welche Methode der interplanetaren Nachrichtenübermittlung eine außerirdische intelligente Kultur wohl wählen würde, um auf sich aufmerksam zu machen, kamen beide Autoren zu einem keineswegs überraschenden Resümee: Nicht Licht- oder Radiowellen, die unnötig viel Energie verbrauchen und mit zunehmender Entfernung immer schwächer werden, sondern kompakte, in Raumkapseln verfrachte Botschaften à la Voyager oder gut verstecke Artefakte seien die kosmische Flaschenpost schlechthin.

Radiowellen warten nicht

Die Nachteile bei einer Kommunikation mit elektromagnetischer Strahlung, auf die beide Autoren verweisen, sind so neu nicht. Dass eine Zivilisation, die weit ins All hinein senden will, starke Sender einsetzen und zugleich die gebündelte Botschaft mehrfach wiederholen und möglichst breit streuen muss, ist in der SETI-Forschung ein alter Hut. Wer nicht am richtigen Küstenabschnitt zum rechten Zeitpunkt wartet, um das unbekannte Strandgut aufzufischen, geht leer aus. Funksignale warten nicht, sondern ziehen stetig weiter und verteilen sich mit zunehmender Distanz über einen immer größeren Raum im All. Was einst die Antenne als gebündelter, intensiver Strahl verließ, kommt beim unbekannten Adressaten als äußerst schwacher Impuls an. "Denken Sie an einen Strahl einer Tampenlampe. Je weiter dieser von seiner Quelle ist, umso stärker nimmt er ab", erklärt Christopher Rose.

Auch das SETI-Optical-Programm, das nach stark gebündelten Laserblitzen künstlichen Ursprungs Ausschau hält, sieht sich derselben Problematik gegenüber. "Die unumstößliche Tatsache ist, dass Wellen, sowohl Licht- als auch Radiowellen, über Entfernungen und über sehr große Entfernungen sehr stark zerstreut werden", konstatiert Rose nüchtern.

Intelligente Kulturen als "Eintagsfliegen"

Eine Kontaktaufnahme via Radiowellen birgt noch weitere Probleme. So fokussierte sich SETI bislang zwar auf die 21-Zentimeter-Wasserstofflinie, die auch heute noch als kosmische Standardfrequenz angesehen wird, auf der außerirdische Intelligenzen senden könnten. Für eine Suche nach künstlichen Radiosignalen eignet sich der langwellige Bereich der Wasserstofflinie (1,42 Gigahertz), weil auf dieser Frequenz das im Universum am häufigsten vorkommende Element, der neutrale interstellare Wasserstoff, strahlt. Aber es ist völlig offen, ob Außerirdische überhaupt von dieser Prämisse ausgehen und diesen Frequenzbereich "frequentieren". Was wäre eigentlich, wenn diese mit Frequenzen jenseits unserer Vorstellungkraft operierten? Ja, was wäre, wenn intelligente Lebensformen auf anderen Planeten überhaupt keine Radioastronomie betreiben oder schlichtweg kein Interesse an den Sternen haben, da sie tief im Erdboden leben oder reine Meeresbewohner sind.

Bei alledem könnte unseren Planeten ein außerirdisches Kosmogramm schon vor Millionen Jahren erreicht haben – oder erst in ferner Zukunft erreichen. Genauso gut könnte die im Wellenmeer dahin treibende extrasolare Flaschenpost schon angeschwemmt worden sein, ohne dass wir dies je bemerkt hätten respektive jemals bemerken werden. Und was ist, wenn alle nur senden, aber keiner zuhört? Das Hauptproblem dürfte aber die kurze Lebensspanne intelligenter Zivilisationen sein: "Gemessen am Alter unseres Universums sind intelligente Kulturen nur Eintagsfliegen", sagte einmal die SETI-Forscherin Jill Tarter über diese Problematik.

Um sich überhaupt den Hauch einer Chance zu bewahren, erhört zu werden, müssten Außerirdische entweder den Bau einer Radioschüssel in der Größe der Erde forcieren und ein Radiosignal permanent senden oder eben eine kosmische Flaschenpost ins All schicken. Letzteres sei entschieden preisgünstiger – und effizienter. "Wenn der Faktor Zeit nicht im Vordergrund steht, dann ist eine auf irgendeinen Material eingeschriebene Botschaft in jeder Hinsicht effektiver als die Kommunikation mit elektromagnetischen Wellen", so Rose.

Lösungsmöglichkeiten

Ähnlich wie eine irdisch-maritime Flaschenpost würde sich das kosmische Pendant einen Teufel um den Faktor Zeit scheren können. Denn theoretisch kann ein solches Gebilde Jahrmillionen in einem fernen Sonnensystem auf einer stabilen Umlaufbahn kreisen, sofern das schwierige Manöver gelingt, die Flaschenpost in eine Umlaufbahn um einen fremden Stern oder Planeten einzuschwenken. Gelänge dies und bildete sich später in dem ausgewählten System einmal eine Intelligenz mit der Fähigkeit heran, die Sonde aufzufischen und die kryptische Botschaft zu entziffern, hätte die Mission ihren Zweck erfüllt.

Rose und Wright schlagen deshalb vor, eine Raumsonde gezielt in ein vielversprechendes Planetensystem zu senden, eigens zum Zweck der Überbringung einer Botschaft in Gestalt einer größeren Datenmenge. Ein physisches Objekt, das kodierte Information enthält, sei weitaus geeigneter, weil es sich fort Tausende oder gar Millionen Jahre einnisten kann, bis es aufgelesen wird.

Gleichwohl müsste sich der Absender damit begnügen, dass die gewählte Form der Kommunikation eine höchst einseitige ist. Denn einmal am Zielgebiet angekommen, bliebe das entsandte Objekt an Ort und Stelle. Infolge der großen Distanz und zeitlichen Differenz wäre mit einer Antwort oder einem Dialog wohl kaum zu rechnen. Immerhin bestände für irdische Anwender dieser Methode die einmalige Möglichkeit, das gesammelte Wissen der Menschheit auf einen Schlag zu übermitteln. Schließlich lassen sich mit einer Sonde weitaus mehr Information ohne Datenverlust über weitaus größere Reisedistanzen transportieren. Voraussetzung hierfür wäre allerdings, dass das Raumschiff wirkungsvoll gegen schädliche kosmische Strahlung geschützt ist und darüber einen gut funktionierenden Antrieb hat, der das Schiff auf 0,1 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann.

Sie könnten schon da sein!

In dem Nature-Paper machten sich Rose und Wright auch Gedanken darüber, wo etwaige Pakete von Außerirdischen zu finden seien. Tatsächlich üben sich die beiden Forscher hierbei in Optimismus. Es sei durchaus denkbar, dass außerirdische Botschaften bereits auf der Erde oder auf dem Mond als Artefakte lagern – oder den Jupiter bzw. die Sonne als getarnte Sonde umkreisen.

Insbesondere in Jupiternähe, im Umfeld des größten Planeten des Sonnensystems, könnte eine außerirdische Botschaft schon seit Jahrtausenden treiben. Sie könnte weniger erodiert sein als ein gewöhnlicher Asteroid, so deren Spekulation. Daher sollten Astronomen via Radar vor allem nach jenen Objekten suchen, die über eine ungewöhnlich "glatte" Radarsignatur verfügen.

Interplanetarer Gruß mit Kultstatus: Sowohl Pioneer 10 als auch Pioneer 11 besitzen jeweils eine Plakette (Bild: NASA/ARC)

Was die Abspeicherung der Information anbelangt sei vieles denkbar. Theoretisch könnte die Botschaft in ein Objekt "eingraviert" worden sein oder als eine Art DVD vorliegen. Es könnte sich auch um organisches Material handeln, das in einem Asteroiden oder in dem Krater enthalten ist, den er beim Einschlag auf der Erde, dem Mond oder anderen Planeten und Monden des Sonnensystems hinterlassen hat.

"Unsere Ergebnisse untermauern, dass die sorgfältige Suche in unserem eigenen planetaren Hinterhof genauso wahrscheinlich Zeugnisse von extraterrestrischen Zivilisationen ablegen könnte wie das Studium entfernter Sterne durch Teleskope", so das Fazit der Autoren zum Ende des Beitrages.

Die Suche vor der eigenen Haustür

Indes haben sich schon die ersten Kritiker zu Wort gemeldet, wie etwa der US-Astronom Fred Walker von der Stony Brook University in New York gegenüber dem Online-Ableger des britischen Forschungsmagazins "New Scientist":

Die Folgerung von Rose und Wright ist, dass wir in unserem Sonnensystem nach einer galaktischen Enzyklopädie suchen sollen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mich hieran beteiligen würde.

Hierüber dürfte aber der ehrenwerte und hochbetagte Arthur C. Clarke, der in seinem 1951 veröffentlichten Roman "The Sentinel" bereits von einem außerirdischen Artefakt erzählt, das auf dem Mond von Menschen zufällig entdeckt und ausgegraben wird, ganz bestimmt anders denken. Nicht zuletzt deshalb, da seine Fantasie unerschöpflich ist:

Ich bin ganz und gar davon überzeugt, dass wir auf dem Mars längst Leben gefunden haben. Von [...] der Nasa gibt es einige unglaubliche Fotos, die für mich einen ziemlich handfesten Beweis dafür liefern, dass auf dem Mars komplexes Leben existiert!