Westen muss zwischen Krieg und Frieden mit Russland wählen – und ehrlich sein
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Britischer Ex-Diplomat schildert Weg in Ukraine-Katastrophe. Er blickt hinter die Kulissen des Kriegs. Nun seid ehrlich mit den Bürgern, fordert er. Gastkommentar.
Man sollte sich an Diplomaten erinnern, die Kriege verhindert oder beendet haben. Victoria Nuland wird für ihre Rolle bei der Auslösung des Ukraine-Kriegs in Erinnerung bleiben.
Nulands vorzeitiges Ausscheiden aus dem Auswärtigen Dienst der USA gibt uns die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie sehr die westliche Diplomatie mit Russland in den letzten zehn Jahren vom Weg abgekommen ist.
Nuland hat sich mindestens schuldig gemacht, die Bemühungen der EU um eine friedliche Lösung der Maidan-Proteste, die Ende 2013 begannen, zu durchkreuzen, die Absetzung des an Russland orientierten Präsidenten Janukowitsch zu planen und zu entscheiden, wer die Ukraine nach dessen Abgang regieren sollte.
Die Wahl
Russland ist der Ansicht, dass sie und die hinter ihr stehende US-Staatsmaschinerie den Sturz Janukowitschs am 22. Februar direkt orchestriert haben, den sie bis heute als illegalen Staatsstreich bezeichnen.
Wie auch immer man ihre Beteiligung interpretieren mag, Nuland verkörperte den Widerspruch in der westlichen Diplomatie gegenüber Russland, der zu dem achtjährigen Abgleiten in einen Krieg im Jahr 2022 führte: Sie wollte weder, dass die westlichen Mächte in einen Krieg mit Russland ziehen, noch wollte sie in Frieden mit Russland leben.
Zwischen diesen beiden Punkten des Doppelspiels breitet sich ein Sumpf aus zerstörten Panzern und Heerscharen von graugesichtigen Toten aus, auf dem die Ukraine, in sich zerbrochen und verraten, nun fußt.
Die Ukraine hat keine Chance, dieser Verwüstung zu entkommen, solange die westlichen Mächte nicht zwischen Krieg und Frieden wählen. Die derzeitige Führung der Ukraine ist auf Krieg eingestellt, und die westlichen Führer haben sie in diesem Bestreben bestärkt.
Niemand im Westen will Krieg mit Russland
Aber der Westen selbst hat nie einen Krieg mit Russland wegen der Ukraine gewollt. Das war 2014 so und ist es auch heute. Gleich zu Beginn der Ukraine-Krise flüsterten westliche Politiker hinter verschlossenen Türen, auch in London, dass die Annexion der Krim durch Russland unumkehrbar sei und wir keine Nato-Truppen entsenden würden, um sie zurückzuerobern.
Ich sage nicht, dass das richtig ist, aber das war damals die vorherrschende Realpolitik (und dieser Standpunkt hat sich nicht geändert). Der Aufstand im Donbass wurde in eine diplomatische Schublade gesteckt, wobei Deutschland und Frankreich zwischen Russland und der Ukraine vermittelten, um eine Lösung auf der Grundlage des Minsk-II-Abkommens zu finden.
Diese Bemühungen scheiterten jedoch letztlich, unter anderem weil die westlichen Mächte nicht bereit waren, die Ukraine zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Bezug auf eine gewisse Form der Dezentralisierung zu drängen.
Nachdem Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert war, hielten die Staats- und Regierungschefs der Nato die Hände hoch und bedauerten, dass sie den Luftraum über der Ukraine nicht schließen konnten, als die russischen Truppen auf Kiew zustürmten.
Kampf fürs Gute aus 2.000 Kilometer Entfernung
Eine der ersten Ankündigungen der britischen Regierung – die die Ukraine am nachdrücklichsten dazu aufforderte, Russland die Stirn zu bieten – war das Verbot für britische Militärangehörige, sich an den Kämpfen zu beteiligen.
Emmanuel Macrons jüngster Versuch, einen Konsens für die "offen erklärte" Entsendung von Nato-Streitkräften in die Ukraine zu erreichen, stieß auf kollektives Zähneknirschen in den himmlischen Korridoren des Élysée-Palasts.
Es ist leicht, aus einer Entfernung von 2.000 Kilometern über einen Kampf fürs Gute zu reden, während sich russische und ukrainische Truppen einen erbitterten Kampf von Angesicht zu Angesicht liefern. Noch einfacher ist es, Waffen zu schicken und die Hände in kämpferische Unschuld zu waschen.
Warum also das Zögern, zu kämpfen? In einem konventionellen Krieg würde die Nato auf dem Schlachtfeld einen überwältigenden militärischen Vorteil in Bezug auf Personal, Ausrüstung und Reserven gegenüber Russland haben. Auch wenn ich glaube, dass die Nato in einem solchen Krieg über Russland siegen würde, überlebt kein Plan den Kontakt mit dem Feind.
Viele Opfer, wenig Erfolge
Da Russland zweifellos zu einer vollständigen Mobilisierung überginge, kann man nicht davon ausgehen, dass ein Krieg zu einem schnellen Sieg führen würde. Ein Krieg würde für die Nato, einschließlich Großbritanniens, schwere Verluste bedeuten.
Als ich 2010 in der Provinz Helmand in Afghanistan an der Seite der britischen Armee und des US Marine Corps eingesetzt war, verlor Großbritannien jede Woche vier bis fünf Soldaten. Wer sich an die zeremonielle Rückkehr der britischen Gefallenen durch [den Militärflughafen] Royal Wootton Bassett erinnert, kann davon ausgehen, dass die Zahl der Särge in einem Krieg mit Russland weitaus höher sein wird.
Der Zeitpunkt, an dem die Nato hätte eingreifen und die territorialen Grenzen der Ukraine wiederherstellen können, war wohl im Jahr 2014. Die russische Annexion der vier Oblaste in der Südukraine im September 2022 diente dem Kreml unter anderem dazu, einen rechtlich inszenierten Vorwand zu haben, um taktischer Atomwaffen einzusetzen, falls die Nato in das Gebiet vordringen sollte, das man (zu Unrecht) nun als souveränes russisches Hoheitsgebiet betrachtet.
Ein hart umkämpftes Gefecht der Nato mit Russland, das viele Opfer fordert, könnte also bestenfalls dazu dienen, eine heute bestehende Kontaktlinie in der Ukraine zu festigen.