Wettlauf zwischen Verjährung und Preisverfall?

Auch wenn die Staatsanwaltschaft Heidelberg mögliche Urheberrechtsverletzungen von Silvana Koch-Mehrin als zu weit zurückliegend betrachtet, sind damit noch nicht alle strafrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit ihrer Dissertation geklärt

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Am 15. Juni bestätigte die Universität Heidelberg zahlreiche Vorwürfe der Crowd-Korrektoren im Wiki VroniPlag und kündigte an, der FDP-Europaabgeordneten Silvana Koch-Mehrin deshalb den Doktortitel zu entziehen. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hatte bereits vorher verlautbart, dass sie - unabhängig vom Ergebnis der Plagiatsprüfung durch die Universität - kein Verfahren gegen Koch-Mehrin einleiten wolle, weil diese ihre Dissertation bereits am 22. Januar 2002 veröffentlichte und eventuelle Urheberrechtsverletzungen fünf Jahre nach der Tat verjährten.

Das ist für die Staatsanwaltschaft sicherlich die bequemste Lösung – aber möglicherweise nicht unbedingt die, bei der alle strafrechtlichen Möglichkeiten im Zusammenhang mir der Herstellung und dem Verkauf der Schrift Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik zu Ende geprüft und ausgeschöpft wurden.

Silvana Koch-Mehrin. Foto: Muffinmampfer. Lizenz: CC-BY 3.0.

So wäre beispielsweise denkbar, dass ein Betrugstatbestand nach § 263 StGB noch nicht verjährt ist, wenn jemand die Arbeit innerhalb der letzten fünf Jahre als ungebrauchtes Exemplar kaufte, weil der für den Tatbestand maßgebliche Geldtransfer aus der Kasse des Buchkäufers (und damit dessen "Vermögensbeschädigung") dann noch vor Ablauf der Frist geschah – denn die Verjährung beginnt mit der Vollendung. Lässt man diese Möglichkeit zu, dann könnte man sich auch darüber streiten, ob ausschließlich die Staatsanwaltschaft Heidelberg für die Eröffnung eines Verfahrens zuständig sein muss.

Ungebraucht müsste das Exemplar in diesem Fall deshalb sein, weil dann der Nomos-Verlag (direkt oder indirekt über eine Nachbestellung) Geld aus der Transaktion bekam. Und er könnte jener im § 263 StGB Absatz 1 genannte Dritte sein, dem Koch-Mehrin einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffte. Ob Koch-Mehrin dabei vom Verlag Geld erhalten hat (was entgegen der Propaganda der Rechteverwerterindustrie für eine weitere Verschärfung des Urheberrechts bei Dissertationen absolut unüblich ist) spielt deshalb keine Rolle.

Eine weitere Voraussetzung wäre, dass der Käufer die Dissertation im Glauben erwarb, sich eine seriöse Doktorarbeit anzueignen. Dies könnte zum Beispiel für eine Bibliothek zutreffen, die das Werk mit Studiengebühren erwarb und es nun nicht zitierfähig stempeln musste. Allerdings wird man solch einen Kaufzweck glaubhaft nur bis zum Beginn des Skandals im April 2011 annehmen können. Wer sich erst nachher ein Exemplar kaufte, bei dem dürfte ein Gericht die Plagiatsstellensuche, die Neugier oder den Willen zum Erwerb eines Sammelstücks als deutlich wahrscheinlichere Motive werten.

Findet sich solch ein Käufer bei einer Hausdurchsuchung in den Abrechnungen des Verlages, dann könnte man annehmen, dass durch die Erweckung des Eindrucks, es handelt sich hier um eine Arbeit, die akademischen Standards so weit entspricht, dass sie zu einer Promotion berechtigt, eine Täuschung über Fakten geschah, die wiederum beim Käufer zu einem Irrtum über den Nutzen des Werks und zu einer daraus folgenden Vermögensverfügung führte.

Fraglich ist, inwieweit die Bereicherung ihres Verlages von Koch-Mehrin mit dem notwendigen dolus directus ersten Grades verfolgt wurde. Allerdings lassen es die Rechtsprechung und der größte Teil der juristischen Fachliteratur ausreichen, dass sich die Absicht auf ein Zwischenziel des endgültigen Ziels bezieht. Folgt man dieser Auffassung, würde der Betrug am Kunden als ein beabsichtigter Kollateralschaden auf dem Wege zum Doktorhut ausreichen.

Doch entstand aus der Vermögensverfügung des Käufers auch wirklich ein Vermögensschaden? Reicht es aus, dass seinem Kaufpreis ein akademisch nutzloses Buch gegenübersteht? Mittlerweile werden Gebrauchtexemplare von Koch-Mehrins Dissertation bei Booklooker und Amazon zwischen 130 und 379 Euro angeboten. Die Frage beiseitegelassen, ob sich dieser Preis auch wirklich erzielen lässt, übersteigt er den Neupreis in Höhe von 39 Euro doch erheblich. Allerdings könnte er nach dem Abflauen der Affäre auch wieder schnell und deutlich sinken. Je nachdem, wie man die aufgeworfenen Fragen zum § 263 StGB beantwortet, käme es dann zu einem Rennen zwischen dem Ablauf der Verjährungsfrist und dem Aufmerksamkeits- beziehungsweise Preisverfall für Koch-Mehrins Werk.

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