Wettrüsten zwischen den Atommächten Indien und Pakistan

Angeblich plane Indien einen "chirurgischen Schlag" gegen Pakistans Atomanlagen

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Während sich der Konflikt im Nahen Osten aufheizt, schwelen auch die Spannungen zwischen den Atommächten Pakistan und Indien wieder auf, nachdem die Entspannungsbemühungen eingeschlafen sind. Während Indien den Kauf eines russisch-israelischen Frühwarnsystems bekannt gab - Iljuschin-76 Maschinen mit dem Phalcon-Radarsystem - und weitere Kooperation in Rüstungsfragen wie der Erwerb von israelischen Mittelstreckenraketen in Aussicht stehen, testete Pakistan zum dritten Mal in kurzer Zeit eine eigene Mittelstreckenrakete mit einer Reichweite von 700 Kilometern, die mit einem Nuklearsprengkopf ausgestattet werden.

Pakistan testet im Rüstungswettlauf die Shaheen-1

Indiens Rüstungskäufe, so der pakistanische Außenminister Kasuri, würden sich immer auch gegen Pakistan richten. Daher müsse man weiter aufrüsten, um zumindest eine "minimale glaubhafte Abschreckung" zu besitzen. Entsprechend äußerte sich auch Pakistans Präsident Musharaff, der gerade in Malaysia am Treffen der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) teilnimmt. Er werde nie zulassen, dass sein Land militärisch zur leichten Beute werden könne: "Wir werden eine No-win-Situation aufrecht erhalten, komme, was wolle. Das sollten die Welt und Indien wissen."

Musharraf sagte, er verfolge insgesamt eine friedliche Politik. Er wolle die USA darum bitten, auf Indien stärker Druck auszuüben, um erneut Verhandlungen aufzunehmen. Die USA müssen ihre Beziehungen zu Pakistan und Indien auf schwierige Weise ausbalancieren. Pakistan ist nicht nur wichtig als Verbündeter, um weiter gegen al-Qaida vorgehen zu können und die afghanische Regierung zu sichern, sollte Musharraf gestürzt werden, bestünde die Gefahr, dass das ganze Land in Richtung eines muslimischen Extremismus gedrückt wird. Aber solange das Kaschmir-Problem zwischen Pakistan und Indien nicht gelöst ist, wird der Konflikt weiter bestehen, der schon zu drei Kriegen geführt hat und den Terrorismus am Leben hält.

Pakistan drängt die OIC einen Beschluss anzunehmen, der das Selbstbestimmungsrecht für die Menschen im Kaschmir einfordert. Musharraf sagt, Pakistan - soweit zur Frage der Selbstbestimmung - wolle nicht ganz Pakistan, aber so lange Indien Kaschmir als Teil begreife, könne es zu keiner Lösung kommen. Kaschmir könne man mit Palästina vergleichen. Auch hier sei eine Resolution des UN-Sicherheitsrates nötig.

Die enge militärische Kooperation zwischen Indien und Israel, gleichfalls eine Atommacht, beunruhigt die pakistanische Regierung. Beide Staaten haben sich zudem die US-amerikanische Strategie des Präventivangriffs zu eigen gemacht. Nachdem vor kurzem Gerüchte kursierten, Israel würde heimlich einen Militärschlag gegen den Iran planen, um dessen Atomprogramm zu zerstören, kamen ähnliche Befürchtungen auch in Pakistan auf. Zumindest lancierte man aus Kreisen den Geheimdienstes, dass Indien und Israel gemeinsam einen Angriff auf die pakistanischen Nuklearanlagen vorbereiten würden.

"Israel hatte einen chirurgischen Schlag gegen die pakistanischen Nuklearanlagen seit der Zeit vorgeschlagen, in der Miirarji Desai der Ministerpräsident von Indien war, aber der wirkliche Durchbruch kam während des letzten Besuchs von Ariel Scharon in Indien", so zitierte der Pakistan Observer einen Informanten. Das könnte auch deckt werden von der US-Regierung, denn diese fürchte - nicht zu Unrecht -, dass die Atomwaffen "leicht in die Hände von religiösen Extremisten oder verbrecherischen Elementen fallen könnten, wenn Musharraf etwas passieren würde". Genährt wird der Verdacht aber vor allem, dass Israel und Indien mit einem von den USA gedeckten Schlag die geopolitische Macht permanent zugunsten von Indien verschieben wollen.

Dafür gäbe es mehrere Szenarien. So könnten die USA Pakistan drängen, mehr Truppen an der afghanischen Grenze zu postieren, um gegen al-Qaida vorzugehen. Indien würde sich beklagen, dass Terroristen über die Grenze in den Kaschmir kommen, so dass Pakistan auch die Grenze zu Indien besser bewachen müsste. Diese Beanspruchung des Militärs an den beiden Grenzen könnte dann Indien zu einem Schlag aus der Luft ausnutzen.

Die israelische Regierung nährt möglicherweise solche Gerüchte. Ein Sprecher von Scharon behauptete so gestern, Libyen könne das erste arabische Land sein, dass Atomwaffen besitze. Hilfe würde es von Ländern wie Nordkorea und eben auch Pakistan erhalten. Libyen bestreitet, ebenso wie Iran, Atomwaffen herstellen zu wollen. Gerüchte zu streuen, die die politischen Partner oder die Öffentlichkeit beeinflussen sollen, gehört bekanntlich zum Geschäft aller Regierungen, das nach dem 11.9. eine erneute Blüte erfahren hat.

Den Bericht der Los Angeles Times, dass Israel U-Boote, die in Deutschland hergestellt wurden, mit Atomwaffen ausgestattet habe (Israel hat aus Deutschland stammende U-Boote mit Atombomben ausgestattet), wurde inzwischen von Experten bezweifelt. Tatsächlich hatte die LA Times auch berichtet, dass die amerikanischen Quellen über die Bekanntgabe der Information die arabischen Staaten nach der Verschärfung der Krise durch den israelischen Militärschlag gegen ein Lager in Syrien einschüchtern wollten. Der ehemalige Verteidigungsminister Efraim Sneh meinte, die Umrüstung von Harpoon-Raketen in Raketen, die Nuklearsprengköpfe transportieren könnten, sei selbst "für die außergewöhnlich talentierten Ingenieure und moderne Rüstungsindustrie" unmöglich. Ted Hooton, Herausgeber von Jane's Naval Weapon Systems, erklärte, dass eine mit einem Nuklearsprengkopf bestückte Harpoon zumindest an Genauigkeit und Reichweite verlieren würde. Die israelische Regierung selbst hat sich dazu nicht geäußert - ebensowenig, wie jemals zugegeben wurde, dass Israel über Atomwaffen verfügt.