Wie Pflanzenkohle das Klima schützen kann
Pflanzenkohle kann Böden und Baumaterialien zugesetzt werden, um CO2 zu speichern. Die Herstellung benötigt Biomasse, deren Potenzial begrenzt ist. Reicht das aus?
Der Ausgangsstoff der fossilen Energieträger Braun- und Steinkohle sind die Urwälder einer hunderte Millionen Jahre zurückliegenden Vergangenheit. Hoher Druck, hohe Temperaturen und Luftabschluss ließen aus dem organischen Material Kohle werden, die von der erdgeschichtlich viel jüngeren Menschheit als Brennstoff entdeckt und intensiv genutzt wurde und wird.
Der Effekt ist bekannt: Der Kohlenstoff aus diesem gigantischen Reservoir reagiert bei der Verbrennung mit Sauerstoff zu Kohlendioxid, das sich in der Atmosphäre als Treibhausgas anreichert und die Klimaerwärmung vorantreibt.
Pflanzenkohle als CO2-Senke
Damit die Temperaturen auf der Erde sinken, muss der CO2-Gehalt der Atmosphäre wieder gesenkt werden. Dazu kann man Jahrhunderte warten, bis sich das Gas langsam abbaut (vorausgesetzt man führt nicht gleichzeitig neues hinzu) oder man kann versuchen, es der Atmosphäre zu entziehen.
Der natürliche Weg, wie das auf der Erde jeden Tag geschieht, heißt Fotosynthese. Pflanzen entnehmen der Luft CO2, bauen den Kohlenstoff in ihre Struktur ein und atmen den Sauerstoff wieder aus. Daher ist Aufforstung beziehungsweise Wiederaufforstung bislang die wohl effektivste Methode der CO2-Entnahme aus der Luft.
Aber auch Bäume bleiben nicht ewig stehen, und mit dem Klimawandel steigt das Risiko großflächiger Waldverluste. Bei Trockenheit und Hitze können sie plötzlich in Flammen aufgehen und auf einen Schlag riesige Mengen CO2 freisetzen, wie im vergangenen Jahr in Kanada geschehen.
Würde man die Bäume wie im Karbonzeitalter in Kohle umwandeln und diese dann tief im Boden vergraben, sodass sie nicht so leicht Feuer fangen kann, wäre der Kohlenstoff langfristig gespeichert - ohne dass dies eine Alternative zum Erhalt der Wälder wäre, die neben der Kohlenstoffsenke noch viele andere wichtige Funktionen haben.
Mithilfe der Technik kann aus Holz und anderen organischen Stoffen auch sogenannte Pflanzenkohle hergestellt werden. Dabei wird die Biomasse bei sehr hohen Temperaturen unter Ausschluss von Sauerstoff verkohlt, was als Pyrolyse bezeichnet wird. Daneben gibt es das Verfahren der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC), bei dem Biomasse unter Zugabe von Wasser bei 180 bis 250 Grad Celsius und hohem Druck verkohlt wird. Bei beiden Verfahren entsteht hauptsächlich Kohlenstoff.
Terra Preta: Pflanzenkohle für fruchtbare Böden
Die Herstellung von Pflanzen- oder Holzkohle ist eine Jahrtausende alte Kulturtechnik, die heute industriell durchgeführt werden kann. Pflanzenkohle wurde bereits im präkolumbianischen Amerika von den Menschen im Amazonasgebiet genutzt, um die sauren und nährstoffarmen Böden der Region für den Anbau von Nahrungsmitteln zu verbessern.
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Dieser mit Kohle angereicherte Boden ist als Terra Preta bekannt und erfreut sich auch hierzulande wachsender Beliebtheit. Denn die poröse Pflanzenkohle hat eine sehr große Oberfläche und kann so Wasser und Nährstoffe gut speichern. So lassen sich sowohl nährstoffarme Böden wie im Amazonasgebiet als auch sandige Böden wie in Brandenburg aufwerten.
Beton, Asphalt und Dämmstoffe mit Pflanzenkohle
Pflanzenkohle kann aber nicht nur dem Boden, sondern allen möglichen Materialien zugesetzt werden. Versuche und erste Anwendungen gibt es beispielsweise bei der Herstellung von Beton, Asphalt und Dämmstoffen.
Eine Schweizer Firma bietet unter dem Namen "Klark" bereits einen Beton mit Pflanzenkohlebestandteilen an, der nach eigenen Angaben 200 Kilogramm CO2 pro Kubikmeter Beton speichern kann. Damit würden Gebäude zu CO2-Senken, heißt es.
Ebenfalls in der Schweiz entwickeln Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (EMPA) Pflanzenkohle-Pellets, die bei der Betonherstellung beigemischt werden können. An der EMPA wird auch an Dämmstoffen aus Pflanzenkohle geforscht. Ein weiteres Schweizer Projekt ist ein CO2-negativer Asphalt, der bisher mit einem Anteil von zwei Prozent Pflanzenkohle in der Stadt Basel getestet wurde.
Um wirklich CO2-negativ zu sein, müssen die neuen Materialien zunächst die Emissionen ausgleichen, die bei ihrer Herstellung entstehen. Bei der Herstellung von Zement und Beton entstehen weltweit etwa acht Prozent der CO2-Emissionen, und zwar durch den chemischen Prozess und nicht durch den Energieeinsatz. Mit den Pflanzenkohlepellets der EMPA wurden beispielsweise bei einem Anteil von 20 Volumenprozent Netto-Null-Emissionen erreicht. Bei Leichtbeton könnte ein noch höherer Anteil und damit negative Emissionen erreicht werden.
Grün- und Baumschnitt für CO2-negativen Asphalt
Die Frage bei solchen Anwendungen bleibt, inwieweit sie skalierbar sind. Irgendwo muss die zu verkohlende Biomasse ja wachsen. Es macht wenig Sinn, Wälder zu roden, um daraus Pflanzenkohle herzustellen, die dann irgendwo zur CO2-Speicherung vergraben wird. In Basel wurden deshalb Grün- und Baumschnitt sowie alte Weihnachtsbäume für den Asphalt mit Pflanzenkohle verwendet.
Mit zunehmendem Einsatz werden aber auch die pflanzlichen Reststoffe knapp. Die EMPA-Forscher schreiben in einer Studie zu ihren Pellets: "Schließlich könnten in Beton Pflanzenkohlearten sicher gelagert werden, die nicht in den Boden gemischt werden können: Je nach den örtlichen Vorschriften erfordert die Verwendung im Boden in der Regel eine strenge Kontrolle der Zusammensetzung, der Prozessparameter und des Ausgangsmaterials der Biokohle."
Nutzungskonkurrenzen bei begrenzter Anbaufläche
Wie bei jeder Biomassenutzung ist auch hier mit Nutzungskonkurrenzen zu rechnen, da die Anbaufläche begrenzt ist. Dies betrifft in erster Linie die Nahrungsmittelproduktion, hinzu kommt Biomasse für die Herstellung verschiedener Biokraftstoffe. Nicht zuletzt benötigen auch andere Formen der CO2-Sequestrierung Biomasse bzw. Flächen für deren Anbau.
Dies hat der Weltklimarat IPCC in einem Sonderbericht aus dem Jahr 2018 genauer untersucht. Die Mehrzahl der Szenarien, in denen die Erderwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts unter 2 Grad bleibt, beinhaltete eine CO2-Entnahme von rund 10 Gigatonnen CO2 pro Jahr. Dies wurde in den Szenarien größtenteils durch Aufforstung oder Wiederaufforstung sowie durch Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) erreicht.
Andere CDR-Optionen wie die Ausbringung von Biokohle auf den Boden, die Kohlenstoffbindung im Boden und die verstärkte Verwitterung (Abschnitt 4.3.7) werden noch nicht in großem Umfang in die IAMs [Integrated Assessment Models, Ergänzung der Redaktion] einbezogen, aber auch ihr Einsatz würde die Nutzung von Land und/oder Änderungen der Landbewirtschaftung erfordern.
IPCC
Die positiven Nebeneffekte von Pflanzenkohle werden ebenfalls erwähnt, aber es wird darauf hingewiesen, dass zusätzliche Flächen für den Anbau des Pflanzenmaterials für die Herstellung von Pflanzenkohle benötigt werden, selbst wenn ein Teil davon aus pflanzlichen Reststoffen stammt.
Qualitätsstandards für Pflanzenkohle unumgänglich
Quantitative Abschätzungen zum globalen Gesamtpotenzial der jährlichen CO2-Entnahme durch Pflanzenkohle und zum entsprechenden Flächenbedarf liegen bisher nicht vor.
Da Pflanzenkohle sowohl in Privatgärten als auch in der Landwirtschaft und Industrie ein immer begehrteres Produkt wird, ist ein genauer Blick auf die Ausgangsmaterialien und den Herstellungsprozess unumgänglich. Das Ithaka-Institut hat daher Richtlinien für ein europäisches Pflanzenkohle-Zertifikat entwickelt, das eine energieeffiziente und umweltschonende Herstellung garantieren soll.
Das "European Biochar Certificate" (EBC) ist bisher ein freiwilliger Industriestandard. Für den Einsatz in der Landwirtschaft gilt in der EU bisher nur ein Grenzwert für den Gehalt an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) von 4 mg/kg, für dessen Bestimmung jedoch kein Verfahrensstandard festgelegt ist. Für andere möglicherweise enthaltene Schadstoffe wie Schwermetalle gibt es keine Regelung, wie der Fachverband "German Biochar" bemängelt.
Neben nicht deklarierten Schadstoffen in der Pflanzenkohle birgt das Ziel, auf diese Weise Kohlendioxid aus der Luft in den Boden zu bringen, wirtschaftliche Risiken für Kleinbäuerinnen und -bauern. Wie Magdalena Heuwieser 2018 darlegte, steigt die Gefahr von Landgrabbing, wenn Böden als Kohlenstoffspeicher aufgewertet werden. Erst recht, wenn damit Geschäfte mit Emissionsgutschriften gemacht werden können.