Wie der Verfassungsschutz in die Meinungsfreiheit eingreift

Seite 3: Medialer Mainstream spielt das Spiel mit

Und wie reagieren die deutschen Massenmedien, der Mainstream, mehrheitlich auf diese Ungeheuerlichkeit aus demokratischer und rechtsstaatlicher Sicht? Mit Schlagzeilen wie: Verfassungsschutz: AfD verbreitet mit russische Narrative" oder "AfD verbreitet 'Putins Lied' in Deutschland".

Keine noch so leise Kritik wird hier geäußert. Es wird nur eins zu eins wiedergegeben, was Haldenwang von sich gegeben hat. Um überhaupt einmal in den Genuss zu kommen, Kritisches über Haldenwang und den Verfassungsschutz im Mainstream zu lesen, muss man schon über die Grenze in die Schweiz gehen.

So ist ein Gastkommentar in der NZZ vom 19.08.2021 überschrieben mit: „Der Bundesverfassungsschutz lässt sich politisch instrumentalisieren“.

Und am 22.06.2023 ist sogar zu lesen: „Der Verfassungsschutz hilft der AfD, indem er vorgibt, das Gegenteil zu tun. Der deutsche Inlandsgeheimdienst wird immer mehr zum politischen Akteur.“

Es gibt in der Tat viele Zeitgenossen, die behaupten, "1984" gelesen zu haben, aber keine Parallelen zur heutigen Situation erkennen können. Vielleicht liegt es an Lord Ponsonby, bzw. an den von ihm 1928 aufgestellten zehn Prinzipien der Kriegspropaganda, von denen die Zehnte lautet: "Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter".

Die Historikerin Anne Morelli zeichnet in ihrem mediensoziologischen Werk "Die Prinzipien der Kriegspropaganda" Ponsonbys "Gebote" nach und schlägt hier unter anderem einen Bogen vom Jugoslawienkrieg über den Krieg in Afghanistan bis zum Irak-Krieg. Sie schreibt:

"Schon Lord Ponsonby hatte in seinem Buch erwähnt, dass jeder Versuch, die Berichte der Propagandadienste anzuzweifeln, sofort als mangelnder Patriotismus, ja sogar als Verrat betrachtet wird. […] Viele von denen, die gegenüber der offiziellen Propaganda im Jugoslawienkrieg Vorbehalte äußerten, wurden in den Schmutz gezogen. Jedes Hinterfragen der Fakten galt als Beweis für Komplizenschaft mit dem Feind."

Viele Mainstream-Medien arbeiten nicht mehr journalistisch als sogenannte vierte Gewalt, sondern agieren politisch-propagandistisch und machen sich damit zu Komplizen der Meinungsunterdrückung. „Wenn sich der Journalismus in den Dienst der Politik für die 'richtigen' Ziele stellt, haben wir das Gegenteil von Demokratie“, so noch einmal die NZZ am 02.07.2023 in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.

Und was bedeutet das alles für die aktuelle Situation jetzt und hier in Deutschland, wenn durch das BfV eine politisch unliebsame faktenbasierte Mindermeinung rechtswidrig unterdrückt und unberechtigterweise völlig zusammenhanglos in eine rechte, AfD- und Rechtsextremismus-Ecke gedrängt wird? Wird hier nicht das BfV selbst zum Verdachtsfall?

Nach alledem erscheint die vom BfV im Rahmen der Zeitenwende vorgenommene Einordnung als ein bloßes staatliches, medial gestütztes Konstrukt.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier - worauf Morelli zu Recht hinweist - der Versuch unternommen werden soll, die von Politik und Mainstream-Medien vertretene herrschende politische Meinung jedem Bürger der Bundesrepublik Deutschland als die einzig richtige ‚überzustülpen‘, jede Kritik an dieser Meinung fernzuhalten, keine andere Meinung zuzulassen, Gegner dieser Meinung zu diskriminieren, auszugrenzen und nach Lord Ponsonby als "Verräter" zu brandmarken.

Dem hält das Bundesverfassungsgericht entgegen:

In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, […], wird die Meinungsfreiheit seit langem zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens gezählt. Sie gilt als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist; denn sie erst ermöglicht die ständige geistige Auseinandersetzung und den Kampf der Meinungen als Lebenselement dieser Staatsform. [...]

An diese Erwägungen knüpft das spätere Urteil […] an und betont, in einer Demokratie müsse die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt verlaufen; das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußere sich nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung, die sich in einem demokratischen Staatswesen frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich "staatsfrei" vollziehen müsse.

Ob die politisch Verantwortlichen diesen Beschluss kennen?

Peter Schindler, Rechtsanwalt und Unternehmensberater (Change- und Projekt-Management), ehemals Dezernent für Personalentwicklung und -Controlling an der Universität zu Köln sowie in leitenden Managementpositionen im Personal- und Organisationsbereich verschiedener nationaler und internationaler Konzernunternehmen. Rechtswissenschaftliches Studium in Saarbrücken und Bonn, Referendariat am Landgericht Köln. Bisherige Veröffentlichungen zu den Themen Komplexitätsmanagement und Personalentwicklung im öffentlichen Dienst.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.