Wie eine Straßenbahn die Stadt verändert

Straßenbahn an der Place Kléber in Straßburg. Bild: Chabe01, CC BY-SA 4.0

Verkehrswende in Straßburg: Vor vier Jahren wurde die Straßenbahn der elsässischen Großstadt über den Rhein ins badische Kehl verlängert. Die Strecke bildet das Rückgrat für ein städtebauliches Großprojekt

Es war ein historischer Moment im April 2017, als mit der Verlängerung der Straßburger Straßenbahnlinie D über den Rhein eine grenzüberschreitende Straßenbahnverbindung eröffnet und als neues Symbol der deutsch-französischen Freundschaft gefeiert wurde. "Kehl Bahnhof" hieß die neue rechtsrheinische Endstation.

Heute gehört die mittlerweile um zwei weitere Stationen bis zum Kehler Rathaus verlängerte Linie längst zum Alltag und ist eine der meistfrequentierten Strecken im Straßburger Netz. Von Straßburger Seite gern für günstige Einkäufe jenseits der Grenze genutzt, ist die Tram für deutsche Besucher:innen eine praktische und bequeme Option, ohne Stau und Parkplatzsuche in die Straßburger Innenstadt zu gelangen.

Fährt man von Kehl aus über den Rhein, ist man zwar schon auf Straßburger Terrain, aber von der eigentlichen Stadt ist hier noch nichts zu sehen. Rund fünf Kilometer sind es von hier bis zu der vom Fluss Ill und seinen Seitenkanälen umgebenen Straßburger Altstadt, der "Grande-Île".

Dazwischen erstreckt sich das ausgedehnte Areal des Straßburger Rheinhafens mit seinen Hafenbecken und Verladeanlagen. Wer sich Straßburg von deutscher Seite aus nähert, fährt erst eine ganze Weile durch Niemandsland über Kanäle und durch Industriebrachen, vorbei an halbverfallenen Gewerbehallen, bis in der Ferne endlich die Spitze des Straßburger Münsters auftaucht.

Man könnte auch sagen, Straßburg dreht dem Rhein (und Deutschland) den Rücken zu. Direkt am Rheinufer, gegenüber von Kehl, liegt lediglich die kleine Siedlung Port du Rhin, die in den letzten Jahrzehnten nicht nur geografisch, sondern auch in sozialer Hinsicht vom Straßburger Stadtzentrum abgehängt war.

Vorbote der Stadtentwicklung

Das soll sich in den kommenden zwei Jahrzehnten ändern. Nachdem bereits 2004 im Rahmen einer internationalen Gartenschau ein grenzüberschreitender Park auf beiden Seiten des Rheins inklusive einer neuen Fußgängerbrücke angelegt wurde, soll nun sukzessive die Lücke zwischen dem Rheinhafenviertel und der Innenstadt geschlossen werden.

Mehrere neue Stadtquartiere mit einer Gesamtfläche von 250 Hektar, rund 9.000 Wohnungen für 20.000 neue Einwohner:innen und 8.500 Arbeitsplätzen sind geplant.

Erste Neu- und Umbauten rund um das Bassin d’Austerlitz südöstlich der Innenstadt sowie im Stadtteil Port du Rhin sind bereits fertig, darunter eine Bibliothek, eine Klinik, eine deutsch-französische Kita und diverse neue Wohnsiedlungen.

Weitere Viertel sind im Bau bzw. in der Planung, darunter die "Hafenviertel" Citadelle und Starlette auf beiden Seiten des Bassin Vauban. Modellprojekt und künftiges kulturelles Zentrum der neuen Stadtteile ist das Quartier COOP auf dem ehemaligen Gelände der elsässischen Handelskooperative, auf dem eine bunte Mischung aus Kultur, Gewerbe, Handel, Gastronomie und Wohnen entstehen soll.

Vorhandene Gewerbebauten werden umgewidmet und mit neuen Gebäuden ergänzt. Anders als in Neubaugebieten sonst üblich kommt die Straßenbahn hier nicht erst, wenn alles fertig ist, sondern ist Vorbote und Motor der Entwicklung. Die beiden Straßenbahnhaltestellen Citadelle und Starcoop, zurzeit noch in vorstädtischer Ödnis gelegen, sollen künftig dicht bevölkerte Stadtviertel erschließen.

Wie die Straßenbahn ist das gesamte Stadtentwicklungsprojekt ausdrücklich grenzüberschreitend angelegt und soll künftig auch für die deutsche Seite einen neuen Anlaufpunkt bilden.

Dieser Anspruch kommt bereits im zweisprachigen Projektnamen "Deux Rives-Zwei Ufer" zum Ausdruck. Grenzüberschreitende Einflüsse findet man auch in den Konzepten für die neuen Stadtviertel, in denen viel von Ökologie, Holzbau, Baugruppen, Genossenschaften und gemischten Quartieren die Rede ist – Konzepte, wie sie bei Stadtplanern in Deutschland und in der Schweiz schon länger en vogue sind.

Beispiele hierfür sind das Ökoviertel Danube, das Mixed-Use-Gebäude Dock 1 in Citadelle sowie der weitgehend aus Holz errichtete Wohnblock Îlot Bois in Port du Rhin.