Wie erpressbar sind Regierungen?
Die steigende Verschuldung beeinflusst die Politik - auch im Hinblick auf einen Krieg
Der angekündigte Krieg gegen den Irak führt zu der seltsamen Situation, dass Regierungen sich strikt gegen den Großteil ihres Volkes stellen. Welchen Grund hat es, dass selbst in Demokratien die Stimme des Volkes ungehört bleibt? Hängt alles nur - wie so oft - am Geld?
Beispiel Türkei: "Wenn du bis zum Hals verschuldet bist und die Europäische Union dir nicht die Stange hält, kann es doch keine Alternative für die Türkei geben, als den Amerikanern die von ihnen geforderte Unterstützung zu geben."
So spricht der sozialdemokratische Abgeordnete Inal Batu, früher Botschafter im Dienst des Außenministeriums. Zwischenzeitlich gab die Türkei mehr als 36% der gesamten Staatsausgaben nur für Zinszahlungen aus.
In seinem inzwischen zum Bestseller avancierten Buch "Global Brutal" beschreibt der US-Ökonom Michel Chossudovsky das immer gleiche Vorgehen des Internationalen Währungsfonds IWF, um die Volkswirtschaft eines Landes unter Kontrolle zu bekommen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Kreditvergabe. Unter der Maßgabe, die Wirtschaft ankurbeln zu wollen, wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, der neue Kredite meist für die Zurückzahlung alter Zinsschulden vorsieht. Dies läuft so weit, dass die Neuverschuldung nicht mehr in die Wirtschaft investiert wird, sondern nur zur Bedienung alter Verpflichtungen herhalten muss.
Macht die entstehende Abhängigkeit Staaten erpressbar? Was die "Dritte Welt" angeht, steht das laut Chossudovsky außer Frage. Doch auch Länder, die man als Industrienationen bezeichnen könnte, bewegen sich auf gefährlichem Terrain.
Beispiel Russland:
Allein dieses Jahr stehen Rückzahlungen in Höhe von 20% des gesamten Staatshaushalts an. Der Spiegel fragt hier: "Hat sich Russlands Regierung vom IWF und Amerikas Investmentbankern ausnehmen lassen?" Und auch hier die Schlussfolgerung: "Im Jahr vor der Krise hatte die Jelzin-Regierung doch gar keine Wahl mehr. Wäre sie den Vorschlägen des IWF nicht gefolgt, den Rubelkurs mit Dollars aus neuen Krediten zu stützen, hätte sie jede Unterstützung aus Europa und den USA verloren."
Beispiel USA:
Das Land steckt in einem Schuldendilemma, dessen Kollaps nur eine Frage der Zeit zu sein scheint. Trotzdem gibt die US-Regierung Geld aus, als gäbe es dieses Problem nicht (Wohin steuern die USA?). Noch immer ist der Dollar die Welt-Leitwährung. Vertraut die US-Regierung weiterhin stur auf die jahrzehntealte, traditionelle Stabilität Ihrer Währung? Oder spekuliert sie darauf, dass die Abhängigkeiten anderer Nationen von der Stabilität dieser Währung so groß ist, dass sie einem Absturz des Dollars nicht tatenlos zusehen werden?
Und: Bei wem haben die USA und ihre Bürger Schulden? An wen fließen die Tilgungen und die Zinsen? Wer hat das Land und seine Leute auf diesem Wege in der Hand? Ist die US-Regierung bereits gekauft? Im Jahr 2000 hatten die USA einen nationalen Schuldenstand von 3,4 Billionen US-Dollar, die Regierung musste dafür 223 Milliarden Dollar an Zinsen zahlen. Mit den Steuererleichterungen und steigenden Haushaltsausgaben (Rüstung, nationale Sicherheit) dürften die Schulden, so das Congressional Budget Office, bis zum Jahr 2008 auf über 5 Billionen Dollar ansteigen. Dann müssten jährlich 250 Milliarden Dollar oder 9 Prozent der staatlichen Ausgaben für Zinsen ausgegeben werden.
Beispiel Deutschland:
2001 betrug die Verschuldung des öffentliche Gesamthaushalts 1. 203.887.000.000 Euro. Euro. Für seine Schulden zahlt der Bund ca. 38 Milliarden Euro Zinsen, das sind fast 20% sämtlicher Steuereinnahmen, Tendenz, dank Neuverschuldung, steigend. Damit der Bund seine gesamten Schulden abbauen kann, müssten ca. 4 Jahre lang sämtliche Steuereinnahmen für die Tilgung verwendet werden. Auch in Deutschland werden inzwischen alle neuen Schulden für die Begleichung eines Teils der Zinsen für alte Schulden benutzt. Auch in Deutschland ist also der Zwang zur Neuverschuldung allein aufgrund alter Schulden bereits aktiv.
Gläubiger des Staates sind laut Bund der Steuerzahler inländische Kreditinstitute, "das Ausland" sowie Versicherungen, Bausparkassen und Privatleute. Bezeichnend dafür, wie heikel das Thema ist, ist die Äußerung vom Chef-Volkswirt der Deutschen Bank Norbert Walter im Interview mit Sandra Maischberger auf n-tv. Auf die Frage, ob und wenn ja wie die Deutsche Bank von einer höheren Verschuldung der Bundesrepublik profitiert, antwortete er leicht stockend, das könne er nicht sagen, die Bank sei so groß, da hätte er so spontan keine Übersicht. Dies ist wenig glaubhaft, wenn man bedenkt, dass die Deutsche Bank das größte Kreditinstitut Deutschlands ist und damit auch einen nicht unerheblichen Anteil an Krediten des Staats halten dürfte. Als PANORAMA im April 2002 unter dem Thema Wem gehört die Republik? nachfragte, gab es auch nur: "Kein Kommentar".
Währenddessen gründen Unternehmen in Berlin eigene Niederlassungen, um möglichst nah an der Politik zu sein. Der Einfluss der Unternehmen auf Politiker und die von ihnen unterstützten Entscheidungen werden immer größer.
Die meisten europäischen Nationen haben inzwischen einen Schuldenstand angehäuft, der nicht mehr problemlos abtragbar sein dürfte. Das Beispiel Türkei zeigt, dass die finanziellen Abhängigkeiten von Staaten Einfluss auf die Politik ausüben können, die vom Volk nicht gewünscht sind. Gerade in der aktuellen Situation, in der die Menschheit in einen neuen, gefährlichen Krieg geführt werden soll, der mit fragwürdigen Methoden begründet wird, sollten die Menschen ihre Regierungen fragen: Wie sehr werden eure Entscheidungen von fremder Leute Geld beeinflusst?