Wie lässt sich der Krieg in der Ukraine beenden?

Seite 2: Invasion von Russland in der Ukraine: Wie reagieren die Vereinten Nationen?

Die UN hält sich bisher auffällig zurück. Zwar gab es u.a. Sondersitzungen des UN-Sicherheitsrats und eine Verurteilung der russischen Aggression durch den UN-Generalsekretär António Guterres, dennoch zeigt sich auch in dieser gefährlichen weltpolitischen Situation die strukturellen Probleme der Vereinten Nationen.

Ein Staat überfällt – mit offensichtlich vorgeschobenen Gründen – einen Nachbarstaat und verletzt hiermit völkerrechtswidrig u.a. alle wesentlichen Normen der UN-Charta. Dies wäre ein klassischer Fall für "Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen", die im Kapitel VII der UN-Charta festgelegt worden sind. Im Falle eines die Souveränität eines Staates verletzenden Angriffskrieges kann der UN-Sicherheitsrat nach der Erfolglosigkeit aller diplomatischen Maßnahmen und von Sanktionen, weltpolizeiliche und auch militärische Einsätze beschließen.1

Doch man glaubt doch nicht im Ernst, dass die Russische Föderation bzw. nicht von seinem Veto-Recht Gebrauch machen würde, wenn ein entsprechender Antrag im Sicherheitsrat beraten würde.

Natürlich kann auch die UN-Generalversammlung einen Beschluss auf den Weg bringen, der ein Eingreifen im Auftrag der UN im Sinne der UN-Charta verlangen würde. Aber auch die Beschlüsse der UN-Generalversammlung haben für einen solchen Fall nur Empfehlungscharakter. Dies gilt auch für eine Notstandsresolution im Sinne des "Uniting for Peace".

Hier zeigt sich erneut auf gravierende und zahllose Menschenleben fordernde Weise die dringende Notwendigkeit, die Vereinten Nationen strukturell zu reformieren. Die bereits mehrfach international geforderte Abschaffung des Veto-Rechts der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sowie dessen veränderte Zusammensetzung und die Aufwertung parlamentarischer Versammlungen im Rahmen der Vereinten Nationen darf nicht mehr mit fadenscheinigen Begründungen aufgehalten werden.2

Die Wiederherstellung und die Einhaltung des Weltfriedens bedarf anderer internationaler Politikstrukturen und darf nicht einzelnen Nationalstaaten oder Militärblöcken überlassen bleiben. Der aktuelle Überfall Russlands auf die Ukraine zeigt dies eindringlich.

Maßnahmen in Form von robusten UN-Blauhelmeinsätzen

Was müsste ab diesen Zeitpunkt – und natürlich zu spät, aber dennoch dringend erforderlich – international eingeleitet werden? Unausweichlich müssen auch die Nato-Staaten sich militärisch vergewissern und entsprechende Sicherungsmaßnahmen treffen, ob sie einer weiteren Eskalation des Krieges über die Grenzen der Ukraine hinaus erfolgreich begegnen können.

Wenn der Artikel 5 des Nato-Vertrags aktiviert wird, müssen die entsprechenden Verteidigungsmaßnahmen im Angriffsfall auf einen NATO-Staat auch militärisch und später im Auftrag der UN weltpolizeilich erfolgreich durchführbar sein.3

Des Weiteren müssen Wirtschaftssanktionen, welche die Wirtschaft der Russischen Föderation tiefgreifend treffen, nun mit langem Atem und im Bewusstsein, dass es hier nicht nur Einschränkungen und ökonomische Verluste auf der russischen Seite geben wird, eingeleitet werden.

Die bereits geplanten und eingeleiteten Wirtschaftssanktionen und insbesondere auch Maßnahmen zur Einfrierung von Konten der in Russland herrschenden Finanzoligarchen sind hier wichtig. Hierdurch kann es bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Russland und dem dadurch anwachsenden Druck auf die russische Regierung – auch z.T. aus Unterstützerkreisen von Putin – dazu kommen, dass die russische Regierung einlenken und an den Verhandlungstisch zurückkehren muss.

Dies muss das erklärte Ziel aller Maßnahmen sein. Die OSZE, die UN, das Normandie-Format oder der NATO-Russland-Rat sind institutionelle Kontexte, die hierfür einen geeigneten Rahmen abgeben.

Das Verhandlungsziel müsste dann im Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine, verbunden mit Reparationszahlungen an die Ukraine bestehen. Auch muss der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen den Fall untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Die beiden russisch orientierten Teile der östlichen Provinzen im Donbass, Donezk und Luhansk, müssten einen relativen Autonomie-Status innerhalb der Ukraine, wie dies z.B. für Südtirol in Italien der Fall ist, zugesprochen bekommen. Dieser Prozess müsste durch von durch die UN gesteuerten weltpolizeilichen Maßnahmen abgesichert werden.

Hierbei soll sich niemand, der Illusion hingeben, dass dies mit der Zustimmung eines "System-Putin" zu leisten ist. Hier muss auf den Regime-Wechsel in der Russischen Föderation gesetzt werden. Erst eine neue russische Regierung, die sich völkerrechtlich anders verhält, zu demokratischen Prinzipien und der Beachtung der UN-Charta zurückkehrt, wird einem robusten weltpolizeilichen Einsatz an der ukrainisch-russischen Grenze zustimmen.

Eine solche Zustimmung der unmittelbar beteiligten Staaten ist die Voraussetzung für eine Verbindung aus zivilgesellschaftlichen Vermittlungsversuchen und weltpolizeilichen Einsätzen unter dem Schirm der Vereinten Nationen, um die Souveränität der Ukraine über die dann anstehenden Verhandlungen wiederzuerlangen und zu sichern.