Wie lässt sich der Krieg in der Ukraine beenden?

Viel ist über eine Zuspitzung die Rede, dabei müssten nun Wege aus der Krise beschritten werden. Dazu gehört auch eine lange ausstehende Reform der UNO

Der Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine ist eine Katastrophe und durch nichts zu rechtfertigen. Der Angriff und die damit verbundene Invasion russischer Truppen stellt eine eklatante Verletzung des Völkerrechts dar und bedeutet eine aggressive Zerstörung der europäischen Sicherheitsordnung und einen Bruch mit der UN-Charta.

Es werden im Rahmen dieses Beitrags die Perspektiven entwickelt, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, ohne sich Illusionen hinzugeben.

Waren Verhandlungsangebote ein Fehler?

Häufig hört man nun den Vorwurf, dass die Verhandlungsangebote an Russland naiv gewesen wären. Man hätte rechtzeitig die umfangreichere militärische Aufrüstung des Westens – und auch der Ukraine – betreiben müssen.

Letztlich seien auch die westliche Friedensbewegung und ein verbreiteter friedenspolitischer Habitus daran schuld, dass der politisch-militärisch-industrielle Komplex mit Putin an der Spitze diesen Angriff gewagt habe. Hätten an der Stelle von Diplomatie konsequentere Maßnahmen militärischer Abschreckung einen größeren Erfolg haben können?

Hiergegen ist zu fragen: Was wäre denn die Alternative gewesen wäre? Hätte man sich von der Vorahnung einer russischen Aggression in eine noch extremere Rüstungsspirale zwingen lassen sollen, welche die notwendigen Zukunftsinvestitionen zur Bekämpfung der Klimakrise, des Welthungers und zur Prävention vor Pandemien verhindern würden?

So begründet die EU Sanktionen gegen russische Politiker und Journalisten (23 Bilder)

Sergej Schoigu ist Verteidigungsminister der Russischen Föderation. Er hat sich öffentlich behauptet, die Krim sei russisch und bleibe dies. Unter seinem Kommando und Befehl haben russische Truppen Militärübungen auf der rechtswidrig annektierten Krim durchgeführt und wurden an der Grenze stationiert. Er ist für jede militärische Aktion gegen die Ukraine verantwortlich. Er ist daher auch verantwortlich für die aktive Unterstützung und Umsetzung von Maßnahmen und Richtlinien, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine sowie die Stabilität oder Sicherheit in der Ukraine untergraben und bedrohen. Bild: Mil.ru / CC-BY-SA-4.0

Hätte man nicht dennoch auf Verhandlungen im Rahmen der vorhandenen Institutionen setzen sollen? Wenn man die zwischen den Völkern geschaffenen Institutionen und Gesprächsformate im Rahmen der internationalen Sicherheitsarchitektur selbst nicht ernst- und wahrnimmt, dann gibt es letztlich keine Hoffnung auf eine globale friedliche Entwicklung.

Dann regiert nur die Macht der Waffen. Natürlich musste man versuchen über die OSZE, das Normandie-Format, den Nato-Russland-Rat oder bilaterale Gespräche, die russische Regierung zum Einlenken und zu vertretbaren Kompromissen zu bewegen. Dies wurde nicht ohne Rückendeckung durch die Androhung von massiven Sanktionen vorgenommen.

Man musste es riskieren, auf die Rationalität Putins und der mit ihm verbundenen Politiker und Industriezweige zu setzen. Eine massivere Aufrüstung verbunden mit einer noch umfangreicheren Truppenverlegung der Nato an ihre Ostflanke sowie einer Aufnahme der Ukraine in die Nato hätte unmittelbar zu einer militärischen Auseinandersetzung geführt.

Invasion von Russland in der Ukraine: Wie reagieren die Vereinten Nationen?

Die UN hält sich bisher auffällig zurück. Zwar gab es u.a. Sondersitzungen des UN-Sicherheitsrats und eine Verurteilung der russischen Aggression durch den UN-Generalsekretär António Guterres, dennoch zeigt sich auch in dieser gefährlichen weltpolitischen Situation die strukturellen Probleme der Vereinten Nationen.

Ein Staat überfällt – mit offensichtlich vorgeschobenen Gründen – einen Nachbarstaat und verletzt hiermit völkerrechtswidrig u.a. alle wesentlichen Normen der UN-Charta. Dies wäre ein klassischer Fall für "Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen", die im Kapitel VII der UN-Charta festgelegt worden sind. Im Falle eines die Souveränität eines Staates verletzenden Angriffskrieges kann der UN-Sicherheitsrat nach der Erfolglosigkeit aller diplomatischen Maßnahmen und von Sanktionen, weltpolizeiliche und auch militärische Einsätze beschließen.1

Doch man glaubt doch nicht im Ernst, dass die Russische Föderation bzw. nicht von seinem Veto-Recht Gebrauch machen würde, wenn ein entsprechender Antrag im Sicherheitsrat beraten würde.

Natürlich kann auch die UN-Generalversammlung einen Beschluss auf den Weg bringen, der ein Eingreifen im Auftrag der UN im Sinne der UN-Charta verlangen würde. Aber auch die Beschlüsse der UN-Generalversammlung haben für einen solchen Fall nur Empfehlungscharakter. Dies gilt auch für eine Notstandsresolution im Sinne des "Uniting for Peace".

Hier zeigt sich erneut auf gravierende und zahllose Menschenleben fordernde Weise die dringende Notwendigkeit, die Vereinten Nationen strukturell zu reformieren. Die bereits mehrfach international geforderte Abschaffung des Veto-Rechts der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sowie dessen veränderte Zusammensetzung und die Aufwertung parlamentarischer Versammlungen im Rahmen der Vereinten Nationen darf nicht mehr mit fadenscheinigen Begründungen aufgehalten werden.2

Die Wiederherstellung und die Einhaltung des Weltfriedens bedarf anderer internationaler Politikstrukturen und darf nicht einzelnen Nationalstaaten oder Militärblöcken überlassen bleiben. Der aktuelle Überfall Russlands auf die Ukraine zeigt dies eindringlich.

Maßnahmen in Form von robusten UN-Blauhelmeinsätzen

Was müsste ab diesen Zeitpunkt – und natürlich zu spät, aber dennoch dringend erforderlich – international eingeleitet werden? Unausweichlich müssen auch die Nato-Staaten sich militärisch vergewissern und entsprechende Sicherungsmaßnahmen treffen, ob sie einer weiteren Eskalation des Krieges über die Grenzen der Ukraine hinaus erfolgreich begegnen können.

Wenn der Artikel 5 des Nato-Vertrags aktiviert wird, müssen die entsprechenden Verteidigungsmaßnahmen im Angriffsfall auf einen NATO-Staat auch militärisch und später im Auftrag der UN weltpolizeilich erfolgreich durchführbar sein.3

Des Weiteren müssen Wirtschaftssanktionen, welche die Wirtschaft der Russischen Föderation tiefgreifend treffen, nun mit langem Atem und im Bewusstsein, dass es hier nicht nur Einschränkungen und ökonomische Verluste auf der russischen Seite geben wird, eingeleitet werden.

Die bereits geplanten und eingeleiteten Wirtschaftssanktionen und insbesondere auch Maßnahmen zur Einfrierung von Konten der in Russland herrschenden Finanzoligarchen sind hier wichtig. Hierdurch kann es bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Russland und dem dadurch anwachsenden Druck auf die russische Regierung – auch z.T. aus Unterstützerkreisen von Putin – dazu kommen, dass die russische Regierung einlenken und an den Verhandlungstisch zurückkehren muss.

Dies muss das erklärte Ziel aller Maßnahmen sein. Die OSZE, die UN, das Normandie-Format oder der NATO-Russland-Rat sind institutionelle Kontexte, die hierfür einen geeigneten Rahmen abgeben.

Das Verhandlungsziel müsste dann im Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine, verbunden mit Reparationszahlungen an die Ukraine bestehen. Auch muss der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen den Fall untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Die beiden russisch orientierten Teile der östlichen Provinzen im Donbass, Donezk und Luhansk, müssten einen relativen Autonomie-Status innerhalb der Ukraine, wie dies z.B. für Südtirol in Italien der Fall ist, zugesprochen bekommen. Dieser Prozess müsste durch von durch die UN gesteuerten weltpolizeilichen Maßnahmen abgesichert werden.

Hierbei soll sich niemand, der Illusion hingeben, dass dies mit der Zustimmung eines "System-Putin" zu leisten ist. Hier muss auf den Regime-Wechsel in der Russischen Föderation gesetzt werden. Erst eine neue russische Regierung, die sich völkerrechtlich anders verhält, zu demokratischen Prinzipien und der Beachtung der UN-Charta zurückkehrt, wird einem robusten weltpolizeilichen Einsatz an der ukrainisch-russischen Grenze zustimmen.

Eine solche Zustimmung der unmittelbar beteiligten Staaten ist die Voraussetzung für eine Verbindung aus zivilgesellschaftlichen Vermittlungsversuchen und weltpolizeilichen Einsätzen unter dem Schirm der Vereinten Nationen, um die Souveränität der Ukraine über die dann anstehenden Verhandlungen wiederzuerlangen und zu sichern.

Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (immer noch) möglich

Die Welt und die internationale Gemeinschaft sind aktuell durch den Angriff Russlands auf die Ukraine sowie der damit verbundenen Drohung bei einem militärischen Eingreifen des Westens, auch Atomwaffen einzusetzen, in ihrer Entwicklung weit zurückgeworfen worden.

Dies ist ein deutlicher Rückschritt hin zu einer friedlicheren und nachhaltigeren globalen Entwicklung – zumal auch die VR China sich zurückhält, das Vorgehen Russlands zu verurteilen. Es ist nicht nur der Weltfrieden, sondern auch der Kampf gegen die Klimakrise gefährdet, der nur vereint und unter Einsatz der notwendigen Ressourcen in Friedenszeiten zu leisten ist.

Dennoch muss die Entwicklungsperspektive an einem längerfristigen Zeitrahmen orientiert bleiben und die internationale Politik, Institutionen und NGOs, sowie die internationale Zivilgesellschaft dürfen nicht vorschnell resignieren, sondern müssen – gerade angesichts des Leids der ukrainischen Bevölkerung – neben den angesprochenen Maßnahmen auch die notwendigen Schritte im Ausbau der internationalen Sicherheitsarchitektur noch dringender vollziehen.

Es zeigt sich, dass die Hauptproblematik darin besteht, dass mächtige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sich nicht an die Regeln des Völkerrechts halten, ohne dass die Vereinten Nationen in der Lage sind, hiergegen aufgrund der Militärmacht dieser Mitglieder und der unzulänglichen Struktur der UN vorzugehen.

Dies hat sich bei Völkerrechtsverletzungen der USA (z.B. Irak-Krieg), von China (Tibet) oder nun der Russischen Föderation in der Ukraine gezeigt. Es gilt, die Vereinten Nationen zu demokratisieren und gleichzeitig zu stärken, so dass sie in Zukunft im Falle militärischer Aggression eines Staates friedenspolitisch handlungsfähiger als bisher werden können.