Wie legitim ist Freiheitsentzug für Klimaaktivisten?
Seite 3: Umwelt-Aktivisten als "Terroristen" – ein neuer Kulturkampf über das bayerische Polizeiaufgabengesetz?
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Ausgerechnet der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, rückt die "gewaltfreien Aktionen zivilen Ungehorsams" der Aktivisten der Letzten Generation "in die Nähe der Roten Armee-Fraktion (RAF), die von den 1970er bis in die frühen 1990er Jahre mit Anschlägen und in Rahmen von Entführungen mehrere Menschen getötet hatte", wie Wolfgang Pomrehn in seinem aktuellen Beitrag hervorhebt.
Doch gibt es neben der zeittypischen Etikettierungsdebatte, die alles andere als harmlos ist, da Umwelt-Aktivisten mit Terroristen ohne Esprit (den man für eine Demokratie mehr braucht als Sprüche von der Kanzel) und ohne die Anstrengung einer notwendigen Differenzierung gleichgestellt werden, auch eine rechtliche Debatte.
"Offensichtlich geht es darum, die Überbringer der schlechten Botschaft zu bestrafen. In Bayern macht man das offenbar auch gerne mit Freiheitsentzug ohne ordentlichen Prozess, wie der Süddeutschen Zeitung zu entnehmen ist. Für 30 Tage müssen dort Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation in Polizei-Gewahrsam bleiben."
Wolfgang Pomrehn zieht Vergleiche mit einer "Haftart, wie man sie eher aus Diktaturen oder den europäischen Kolonialregimes in Asien und Afrika kennt".
Das sieht die bayerische Justiz natürlich nicht so. Dort werden die Polizeigewahrsam-Maßnahmen als "Präventivmaßnahmen" bezeichnet, "notwendig, um Straftaten, die angekündigt werden, die offenkundig kurz bevorstehen, zu verhindern".
Gleiches gelte, wenn eine offenkundige Wiederholungsgefahr gegeben sei. Und von diesen Möglichkeiten, die das bayerische Polizeiaufgabengesetz biete, mache der Rechtsstaat eben Gebrauch, erklärte Herrmann und betonte: "Eine wehrhafte Demokratie lässt sich halt auch nicht auf der Nase herumtanzen."
Bayerischer Rundfunk
Es sind aber nicht nur Unterstützer der Aktivisten, die darauf verweisen, dass das bayerische Polizeiaufgabengesetz, auf dessen Grundlage die Aktivisten in Gewahrsam genommen wurden, einen "Webfehler" hat, wie schon Anfang letzten Jahres angemahnt wurde.
"Bei der Vorbeugehaft im gültigen Gesetz fehlen Rechte, die konkret Tatverdächtige oder Angeklagte automatisch haben" und "die niedrige Eingriffsschwelle, die drohende Gefahr", wie die Süddeutsche Zeitung seinerzeit Kritiker zur Novelle wiedergab.
Vor der Novellierung war das Gesetz derart umstritten, dass die SZ 2018 schon von einem Kulturkampf in Bayern warnte. Ob die aktuelle Anwendung des entschärften Gesetzes einen neuen Kulturkampf auslöst, ist allein aufgrund von Twitter-Erregungen und politischer Brachial-Rhetorik schlecht vorauszusagen.
Da sich die Letzte Generation mit ihren Aktionen auf das Widerstandsrecht in der Verfassung beruft, könnten reflektierte Auseinandersetzungen auf juristischer Basis interessant werden. Telepolis wird dem in nächster Zeit Beachtung schenken.