Wie viel CDU steckt in Hans-Georg Maaßen?

Der Geist der Ära Adenauer war weniger tolerant, als manche CDU-Politiker heute ihre Partei sehen und beschreiben. Foto: Lothar Spurzem / Adenauer-Büste in Bassenheim / CC BY-SA 2.0 DE

Der ultrarechte Ex-Geheimdienstchef steht in einer langen Tradition der Union gegen den "Rotfunk" und für Radikalenerlasse

Viel Empörung hat der rechtskonservative Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen mit seinen jüngsten Äußerungen zu den angeblich linkslastigen öffentlich-rechtlichen Medien ausgelöst. Tatsächlich sollten für Linke und Linksliberale die Alarmglocken läuten, wenn Maaßen faktisch eine Neuauflage des Radikalenerlasses für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk fordert. Nur ist es schon erstaunlich, dass führende Unionspolitiker wie Ruprecht Polenz den Ausschluss Maaßens aus der Union fordern, weil der angeblich nicht mehr die Werte der Partei vertritt.

Rückt die Union vom Radikalenerlass gegen Linke ab?

Gäbe es den von Maaßen diagnostizierten Linksruck bei den Öffentlich-Rechtlichen Medien wirklich, wäre Polenz vielleicht im Deutschlandfunk-Interview gefragt worden, ob die Union sich nun vom sogenannten Radikalenerlass distanziert, der 1972 sowohl von der Union, aber auch von der großen Mehrheit der SPD und der FDP beschlossen wurde. Er hatte zur Folge, dass die Gesinnung von Tausenden junger Menschen überprüft wurde. Viele konnten dann keine Lehrer, Postbeamte oder Bahnbedienstete werden. Ihre politischen Biographien wurden ausgeforscht und dazu wurden auch geheimdienstliche Erkenntnisse verwendet.

Für ein Berufsverbot, wie die Praxis des Radikalenerlasses bald im In- und Ausland genannt wurde, reichte die Mitgliedschaft in einer legalen linken Partei in einer pazifistischen Organisation, aber auch schon die Freundschaft oder die Wohngemeinschaft mit vermeintlich radikalen Linken. Das Klima der Gesinnungsschnüffelei wurde in vielen zeitgenössischen Romanen unter anderem von Heinrich Böll gut beschrieben. Maaßen knüpft mit seinen Äußerungen zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk an diesen Radikalenerlass an und kann sich dabei durchaus auf die Unionspolitik berufen.

Während die Mehrheit der SPD und der FDP heute diesen Radikalenerlass als politischen Fehler sieht, hat die Union bisher immer daran festgehalten. Sie hat in Länderparlamenten wie in Niedersachsen und Hessen die Praxis der Berufsverbote bis heute verteidigt. Bedeutet also die Distanzierung von Maaßen, dass man das Unrecht der Berufsverbote jetzt anerkennt?

Dann hätte die Union ja auch Gelegenheit, zum 50. Jahrestag des Radikalenerlasses im nächsten Jahr die Opfer dieser Praxis zu rehabilitieren und zu entschädigen. Schließlich waren die Berufsverbote oft mit prekären Beschäftigungsverhältnissen verbunden. Viele der Betroffenen leben heute in Altersarmut. Einige von ihnen haben eine Initiative für ihre Rehabilitierung und Entschädigung zum 50 Jahrestag gestartet. Da hätte die Union Gelegenheit zu beweisen, dass die Forderungen von Maaßen nach einen Radikalenerlass für Journalisten nicht mehr zu ihren Werten gehört.

Vom Adenauer-TV zur "Rotfunk-Kampagne"

Auch mit seiner Kampagne gegen die angeblich linkslastigen Öffentlich-rechtlichen Medien befindet sich Maaßen ganz in einer langen Tradition der Union, die bis zu Konrad Adenauer zurückreicht. So ist heute wenig bekannt, dass der erste deutsche Bundeskanzler vor 60 Jahren ein staatsgelenktes Fernsehen als Alternative zur angeblich linkslastigen ARD aufbauen wollte. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Projekt Adenauer-TV für verfassungswidrig erklärt hatte, wurde das ZDF als konservatives Gegengewicht gegen die angeblich linkslastige ARD etabliert. Für die Adenauer-CDU war die ARD zum Feindbild geworden, weil dort auch Sozialdemokraten an führender Stelle arbeiteten.

Wenn Maaßen sich bereits 2018 in einer Rede über angeblich linksradikale Bestrebungen in der Sozialdemokratie ausgelassen hat, stand er also ganz in der Tradition der Adenauer-CDU. Die Aversion gegen den angeblich linkslastigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk setzte die Union Anfang der 1970er-Jahre mit der sogenannten "Rotfunk-Kampagne" fort. Besonders im Visier standen die Sender WDR und NDR. Damals polemisierte die Union gegen jüngere Journalisten, die von dem gesellschaftlichen Aufbruch nach 1968 geprägt waren, was auch in ihren Sendungen zum Ausdruck kam. Im Spiegel-Archiv kann man nachlesen, wie sich führende Unionspolitiker, die heute niemand mehr kennt, damals über angeblich linkslastige Journalisten äußerten

"Wir sind es satt". wetterte CDU-Spitzenkandidat Heinrich Köppler. "uns mit der Dauerberieselung von Linkspropaganda von morgens bis abends zufriedenzugeben." Köpplers Parteifreund Heinrich Windelen drohte: "Der WDR darf nicht zur Ausweichadresse werden für diejenigen, die wegen ihrer politischen Einstellung im öffentlichen Dienst nicht unterkommen können." Davon hat sich kein Unionspolitiker distanziert, auch nicht diejenigen, die jetzt Maaßen vorwerfen, mit seiner Medienschelte die Werte der Union nicht mehr zu vertreten. Der hat sein Lamento über den angeblich linkslastigen Rundfunk im Privatfernsehen gezündet, die folgenreichste Rache von Helmut Kohl gegen die angeblich linkslastigen öffentlich-rechtlichen Medien.

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