Wie war der Verlauf des Infektionsgeschehens in Deutschland?

Seite 2: Welchen Einfluss hatten die Kontaktbeschränkungen?

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Da das neuartige Coronavirus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen vor allem per Tröpfcheninfektion übertragen wird, ist es naheliegend, dass eine Reduktion sozialer Kontakte die Weiterverbreitung des Virus abbremst oder gar eindämmt. Die Erfahrungen aus dem italienischen Ort Vó scheinen dies zu beweisen. Hier hat die zweiwöchige Isolierung der Infizierten kombiniert mit der Abriegelung der gesamten Gemeinschaft das Reff von 2,49 auf 0,41 senken können, während sich das Virus im Umland weiter ausgebreitet hat.27 Ob ähnliche Maßnahmen auch bezogen auf ein ganzes Land funktionieren, ist hingegen unklar. In Deutschland hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen erlassen, deren Wirkung seitens des RKI als erfolgreich beurteilt wurde.28 Ob der Rückgang des Infektionsgeschehens tatsächlich mit diesen Maßnahmen korreliert, wird im Folgenden geprüft. Da einzelne Verordnungen nur bedingt das tatsächliche Verhalten der Bevölkerung abbilden, wird darüber hinaus nach Korrelationen zwischen der Mobilität und dem Infektionsgeschehen in Deutschland und weiteren europäischen Ländern gesucht.

Welchen Einfluss hatten die staatlichen Verordnungen in Deutschland?

Um einen möglichen Einfluss der wesentlichen Regierungsverordnungen abzuschätzen, werden nachfolgend wie bereits durch das RKI29 die drei wichtigen Verordnungen vom 09.03., 16.03. und 23.03. dem Infektionsgeschehen gegenübergestellt (Abbildung 9; Daten nach RKI30).

Abbildung 9. Grafik: Wolf Hinrich Wallis
1 = Absage großer Veranstaltungen in verschiedenen Bundesländern (bei über 1.000 Teilnehmer)
2 = Bund-Länder-Vereinbarung zu Leitlinien gegen die Ausbreitung des Coronavirus
3 = Bundesweit umfangreiches Kontaktverbot;

Beide R-Kurven zeigen bereits vor dem 09.03. einen deutlichen Rückgang auf <1,5. Danach kommt es zu einem weiteren Rückgang bis <1 innerhalb weniger Tage. Der Trend der Kurven ändert sich ab dem 09.03. nicht, so dass ein Einfluss der Verordnung (Verbot von Großveranstaltungen) nicht unmittelbar erkennbar ist. Es ist aber möglich, dass die Absage von Großveranstaltungen den bestehenden Trend aufrechterhalten hat und das R andernfalls nicht unter 1 gesunken wäre. Dies wird dadurch plausibel, dass viele lokale Ausbruchsherde auf Großveranstaltungen zurückgingen. Beispiele aus Deutschland hierfür sind Karnevalsveranstaltungen (Heinsberg), Bierfeste (Tirschenreuth) oder kirchliche Veranstaltungen (Kupferzell).

Während der Verordnungen vom 16.03. und 23.03. liegt das R bereits stabil bei bzw. knapp <1 ohne sich wesentlich zu verändern. Auch hier ändern die Verordnungen den Trend der Kurven also nicht, so dass ein Einfluss nicht unmittelbar erkennbar ist. Nichtsdestotrotz könnten die Verordnungen den bestehenden Trend aufrechterhalten haben.

Die Verordnungen vom 16.03. beinhalteten unter anderem Schulschließungen. Hierbei ist es nicht unbedingt plausibel, dass ein Effekt zu erwarten ist. Bei weiterhin widersprüchlichen Studienergebnissen31, zeigt sich insgesamt, dass Kinder anders als bei der Influenza in weitaus geringerem Maße am Infektionsgeschehen beteiligt sind und Schulschließungen daher nur begrenzt wirksam sein können.32 Zudem ist bekannt, dass das Daheimbleiben der Kinder vielfach zu Betreuungsproblemen geführt hat, so dass verstärkt Familienangehörige wie die Großeltern die Betreuung übernehmen mussten und hierdurch neue potentielle Infektionsketten geschaffen wurden. Möglicherweise wurde ein geringer günstiger Effekt dadurch wieder aufgehoben.

Hinsichtlich der Kontaktbeschränkungen ab dem 23.03. ist es möglich, dass diese zur Aufrechterhaltung zuvor bereits freiwillig befolgter Verhaltensregeln beigetragen haben.

Zusammenfassend ist das Infektionsgeschehen bereits vor den wesentlichen Verordnungen stark zurückgegangen. Ein deutlich erkennbarer Effekt der drei Verordnungen zeigt sich nicht. Der Plausibilität nach dürfte das Verbot von Großveranstaltungen das weitere Absinken des Infektionsgeschehens aber begünstigt haben. Ein gering ausgeprägter positiver Effekt der Schulschließungen wurde möglicherweise durch die Schaffung neuer Infektionsketten aufgehoben. Die Kontaktbeschränkungen ab dem 23.03. könnten über eine psychologische Wirkung das bereits vorher angenommene Verhalten der Bevölkerung aufrechterhalten haben.

Welchen Einfluss hatte die Mobilität in Deutschland?

Wie oben dargelegt, ist ein eindeutiger Effekt der drei wesentlichen Regierungsmaßnahmen nicht erkennbar. Möglicherweise hat sich das Verhalten der Bevölkerung jedoch bereits vorher und unabhängig von den Verordnungen verändert. Zudem gab es parallel unter anderem in den Unternehmen weitreichende Veränderungen, so dass der Effekt einer einzelnen Maßnahme eventuell nicht darstellbar ist.

Ein möglicherweise besseres Maß für die Reduktion sozialer Kontakte ist das Mobilitätsverhalten, wie es von mehreren IT-Unternehmen dokumentiert wurde. Apple hat das Volumen der Suchanfragen der Nutzer nach driving (Fahren), walking (Gehen) und transit (öffentliche Verkehrsmittel) mit dem Referenztag 13. Januar (100%) in Beziehung gesetzt (Abbildung 10; Daten nach Apple33).

Abbildung 10. Grafik: Wolf Hinrich Wallis

Es ist ein deutlicher Wochenrhythmus mit einem Maximum der Suchanfragen an Samstagen zu erkennen. Gegen Mitte Februar zeigt sich ein deutlicher Anstieg. Dieser steht möglicherweise mit dem Karneval in Verbindung. Tatsächlich konnte in Köln ein besonders starker Anstieg dokumentiert werden.34 Von Mitte/ Ende Februar bis Anfang März ist ein langsamer Rückgang zu beobachten. Es kann spekuliert werden, dass dies mit dem Ende des Karnevals erklärt werden kann. Dass die mediale Berichterstattung hinsichtlich der Coronapandemie einen zunehmenden Einfluss auf das Verhalten hatte, ist möglich. Während der deutsche Gesundheitsminister am 23. Januar noch verkündete, dass der Verlauf von COVID-19 deutlich milder als bei einer Grippe sei35, teilte er am 26. Februar mit, dass Deutschland am Beginn einer Coronavirus-Epidemie stehe und die Infektionsketten teilweise nicht mehr nachvollziehbar seien.36 Einen Tag später wurde ein Krisenstab eingerichtet. Am gleichen Tag wurden in Heinsberg hunderte Menschen unter Quarantäne gestellt.37 Ebenfalls ab Ende Februar (KW 9) gibt es erste Berichte über Ausverkäufe in Supermärkten38, was sich anhand der Umsatzzahlen für Klopapier, Desinfektionsmittel, Seife und Mehl zeigen lässt, deren Maximum zwischen KW 10 und 12 erreicht wurde.39 Die Fluggastzahlen und die Umsätze im Gastgewerbe gingen erst ab KW 10 zurück.40 Sollte dies schon zu einer Verhaltensänderung beigetragen haben, war diese jedoch zumindest gemessen an den Mobilitätsdaten nur sehr gering, da das Niveau bis Anfang März immer noch bei über 100% lag. Ab Anfang/ Mitte März kam es dann zu einem starken Abfall, der bis zum 21. März anhielt. Die Verordnungen vom 09. und 16.03. könnten den rückläufigen Trend verursacht bzw. verstärkt haben, während die Verordnung vom 23.03. bereits auf ein Minimum bei der Mobilität traf.

Abbildung 11 (Daten nach RKI41 und Apple42) setzt die Mobilitätsdaten für transit in Beziehung zum Infektionsgeschehen.

Abbildung 11. Grafik: Wolf Hinrich Wallis
Abbildung 12. Grafik: Wolf Hinrich Wallis

Der erste Eindruck der Kurvenverläufe in Abbildung 11 legt nahe, dass der Rückgang der Mobilität Mitte März mit einem Abflachen und schließlich Rückgang der Kurven des Infektionsgeschehens korreliert. Werden jedoch die R-Kurven verwendet, die ein Maß für die Steigung der obigen Kurven sind, ändert sich der Eindruck (Abbildung 12; Daten nach RKI43 und Apple44). Hier zeigt sich bereits Ende Februar/ Anfang März ein starker Rückgang bis auf etwa 1,5, der nicht ohne weiteres durch die Mobilität erklärt werden kann, die gegenüber der Hochzeit des Karnevals nur sehr leicht zurückgegangen war. Der weitere Abfall des R auf <1 korreliert schließlich mit dem starken Rückgang der Mobilität. Insgesamt sprechen diese Beobachtungen dagegen, dass die Mobilität - gemessen an den Suchanfragen der Apple-Nutzer - der alleinige oder bestimmende Faktor beim beobachteten Rückgang des Infektionsgeschehens ist.

Mögliche Hypothesen zu diesen Beobachtungen sind folgende:

  1. Die Apple-Daten sind kein geeignetes Maß für das Verhalten der Bevölkerung im Hinblick auf soziale Kontakte. Besonders das Verhalten älterer Menschen wurde dadurch kaum erfasst. Wesentliche Verhaltensänderungen haben bereits Mitte/ Ende Februar eingesetzt und waren starke Treiber für den Rückgang des Infektionsgeschehens.

    Beurteilung: Zur Zeit des Karnevals und unmittelbar danach waren kaum Verhaltensänderungen zu beobachten. Die Krise wurde zu dieser Zeit noch als weit entferntes Geschehen betrachtet und das öffentliche Leben schien unbeeinträchtigt. Selbst der Krisenherd in Heinsberg wurde zunächst kaum als Bedrohung empfunden. Es bleibt unklar, ob der gesteigerte Einkauf von zum Beispiel Desinfektionsmittel in der letzten Februarwoche auch mit einem relevant geänderten Kontaktverhalten einherging. Sollte ein besseres Maß für das Verhalten insbesondere der älteren Bevölkerung existieren, sollte dieses genutzt werden, um mögliche Zusammenhänge besser veranschaulichen zu können.

  2. Die R-Kurven unterliegen zahlreichen Ungenauigkeiten, der reelle Verlauf lag weiter rechts. Somit korreliert die Infektionsdynamik doch stark mit der Mobilität.

    Beurteilung: Da die reelle Kurve wie weiter oben ausgeführt sicher nicht rechts der R-Kurve nach den Neuerkrankungen liegt, ist diese Hypothese nicht plausibel. Die R-Kurve nach Todeszahlen könnte wenige Tage zu weit links liegen sofern die Latenz von Infektion bis Tod <24 Tage beträgt. Dies würde grundsätzlich aber nichts daran ändern, dass die Infektionsdynamik bereits zurückgegangen ist, bevor die Mobilität stark abfiel.

  3. Schon der leichte Rückgang der Mobilität durch das Ende der Karnevalsveranstaltungen, eventuell kombiniert mit der rückläufigen Einreise Infizierter (z.B. aus den Skigebieten der Alpen) hat ausgereicht, um das Infektionsgeschehen deutlich abzubremsen und den R-Wert auf 1,5 fallen zu lassen. Die Reproduktionszahl für die Zeit außerhalb des Karnevals liegt in Deutschland somit eher bei 1,5 als bei 2,5 und damit ähnlich wie bei der Influenza.

    Beurteilung: Diese Faktoren haben mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Rückgang beigetragen, das genaue Ausmaß ist aber schwer abschätzbar. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass katholische Gebiete - vermutlich durch den Karneval - ein deutlich stärkeres Infektionsgeschehen erlebten und dass möglicherweise nahezu die Hälfte aller nach Deutschland eingebrachten Infektionen auf Ischgl zurückgingen.45 Das Ende von Karneval und Skisaison dürften daher tatsächlich von großer Bedeutung gewesen sein.

  4. Die Mobilität ist nicht der vorherrschende Einflussfaktor auf das Infektionsgeschehen. Saisonale Faktoren spielen eine größere Rolle.

    Beurteilung: Mehrere Studien zeigten eine starke Korrelation mit Umweltfaktoren. Insbesondere kühle Temperaturen, eine niedrige Luftfeuchtigkeit und hohe Luftverschmutzung in Kombination mit geringem Wind begünstigten die Ausbreitung.46 Eine Studie zeigte, dass Durchschnittstemperaturen zwischen 5 und 11°C sowie eine absolute Luftfeuchtigkeit zwischen 4 und 7g/kg Ausbrüche begünstigte.47 Ein Vergleich der Klimaverhältnisse im Februar und März zwischen stark (z.B. London) und weniger stark (z.B. Berlin) betroffenen Städten in Europa könnte weiteren Aufschluss bringen.

  5. In der Bevölkerung hat sich durch zunehmende Durchseuchung eine Immunität aufgebaut, wodurch sich die Infektionsdynamik abgeschwächt hat.

    Beurteilung: Diese Hypothese scheint ausgeschlossen, da nach bisherigem Stand nur bei einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung Antikörper nachweisbar sind. Selbst wenn ein größerer Anteil der Infizierten keine humoralen Antikörper entwickelt und somit den Seroprävalenzstudien entgeht, wäre eine Herdenimmunität noch lange nicht erreicht.

  6. Es gibt in Mittel- und Osteuropa eine vorbestehende und weit verbreitete Immunität, die frühzeitig die Infektionsdynamik in Deutschland limitiert hat.

    Beurteilung: Mehrere Studien zeigen, dass um oder mehr als die Hälfte der Personen, die noch keinen Kontakt zum Virus hatten, eine unspezifische T-Zell-Immunität gegen das neue Coronavirus besitzen.48 Möglicherweise ist diese Hintergrundimmunität in Deutschland stärker ausgeprägt. Die mit dem Virus in Kontakt Gekommenen haben das Virus dadurch möglicherweise schnell eliminiert, sind kaum erkrankt und haben die Infektion kaum weiterverbreitet. Die Plausibilität dieser Hypothese müsste durch longitudinale Studien in unterschiedlich stark betroffenen Regionen ermittelt werden. Insgesamt gibt es aber bislang keinen Grund dafür anzunehmen, dass Mittel- und Osteuropäer mehr Immunität besitzen als Westeuropäer.

  7. Die Quarantäne von nachgewiesenen Infizierten und deren engen Kontaktpersonen war bereits so erfolgreich, dass dadurch das R <1,5 gefallen ist.

    Beurteilung: Die Quarantäne betraf vor allem symptomatische Infizierte und deren enge Kontaktpersonen. Eine Vielzahl vor allem prä- und asymptomatisch Infizierter wurde dadurch jedoch nicht erkannt. Daher ist diese Hypothese nur dann plausibel, wenn die prä- und asymptomatischen Infizierten nicht wesentlich an der Weiterverbreitung beteiligt sind. Bei weiterhin unklarer Datenlage scheinen die Präsymptomatischen eine hohe, die Asymptomatischen jedoch eine geringere Bedeutung bei der Weiterverbreitung zu haben116. Eine abschließende Beurteilung über die derzeit praktizierte Quarantäne ist daher kaum möglich.

Zusammenfassend bleibt es unklar, welchen Einfluss das Mobilitätsverhalten auf das Infektionsgeschehen in Deutschland hatte. Es ist gut möglich, dass der Rückgang auf eine Kombination von Verhaltensänderungen, saisonalen und weiteren Faktoren zurückgeht. Regierungsverordnungen und Mobilität allein scheinen aber eher eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben.

Welchen Einfluss hatte die Mobilität in den Niederlanden, Schweden und UK?

Eine eindeutige und starke Korrelation zwischen Infektionsdynamik und Mobilität konnte für Deutschland nicht gezeigt werden. Möglicherweise kann dies aber für andere, stärker betroffene Länder in Europa gezeigt werden. Erschwerend ist hierbei, dass sich sowohl das Infektionsgeschehen, als auch die Mobilität in vielen Ländern nahezu gleichzeitig veränderten, wie den Grafiken der University of Washington zu entnehmen ist.49 Ein erkennbar früherer Anstieg der gemeldeten Todeszahlen zeigt sich innerhalb Europas lediglich in Italien, Spanien und Frankreich. Da für diese Länder aber keine Todeszahlen nach Sterbedatum veröffentlicht wurden, sind zuverlässige Korrelationen mit den Mobilitätsdaten schwierig. Für die Niederlande, Schweden und UK liegen hingegen entsprechende Daten vor, so dass diese Länder im Folgenden näher untersucht und Deutschland gegenübergestellt werden.

Abbildung 13 (Daten nach RKI50, SCB51, RIVM52 und ONS153; Bevölkerungsdaten nach Wikipedia54) zeigt die Todesfälle pro 100.000 Einwohner, rückdatiert auf das mutmaßliche Ansteckungsdatum. Während die Kurven in allen Ländern jeweils zu einem ähnlichen Zeitpunkt ansteigen, fällt der Anstieg in Deutschland deutlich weniger steil aus.

Abbildung 13. Grafik: Wolf Hinrich Wallis

Die Latenz zwischen Infektion und Tod liegt in den stark betroffenen Ländern insbesondere zur Zeit der Überlastung eventuell unter 24 Tagen, weswegen der reelle Kurvenverlauf hier um wenige Tage nach rechts verschoben sein könnte. Dies gilt wegen seiner starken Betroffenheit insbesondere für UK, könnte aber auch auf die Niederlande und Schweden zutreffen, wo vor allem ältere Patienten allgemein einen schlechteren Zugang zur Intensivpflege haben als in Deutschland, was sich durch andere medizinethische Vorstellungen und eine um den Faktor 5 niedrigere Zahl an Intensivbetten erklären ließe.55

Die Niederlande

Deutschland und die Niederlande sind in den Abbildungen 14 und 15 (Daten nach RKI56, RIVM57 und Apple58; Bevölkerungsdaten nach Wikipedia59) dargestellt.

Abbildung 14. Grafik: Wolf Hinrich Wallis
Abbildung 15. Grafik: Wolf Hinrich Wallis

Der Verlauf der Mobilität war in beiden Ländern relativ ähnlich, wobei in Deutschland während der Karnevalszeit relativ zum Ausgangsniveau ein höheres Maß erreicht wurde und in den Niederlanden der Rückgang kurz vorher einsetzte und etwas ausgeprägter war. Todesfälle wurden in den Niederlanden 2 Tage früher registriert und stiegen deutlich schneller an. Korrelierend hierzu fand sich initial ein sehr hohes R. Wie auch in Deutschland fällt das R bereits auf einem noch hohen Mobilitätsniveau wieder stark ab und nähert sich schließlich allmählich Werten <1.

Der initial hohe R-Wert in den Niederlanden könnte auf das massive Einbringen von Infektionen aus dem Ausland und/ oder lokale Ausbruchsherde im Inland zurückgehen. Der äquivalente starke Abfall des R auf Werte <1,5 noch während des hohen Mobilitätsniveaus spricht wie bereits für Deutschland gezeigt dafür, dass die Mobilität nicht der alleinige bzw. bestimmende Faktor beim Rückgang der Infektionsdynamik war.

Schweden

Deutschland und Schweden sind in den Abbildungen 16 und 17 (Daten nach RKI60, SCB61 und Apple62; Bevölkerungsdaten nach Wikipedia63) dargestellt. In Schweden wurde kein besonderer Anstieg der Mobilität in der Karnevalszeit beobachtet. Der Rückgang hat ziemlich zeitgleich eingesetzt, war jedoch langsamer und hat kein so niedriges Niveau wie in Deutschland erreicht. Todesfälle wurden erst 9 Tage später als in Deutschland beobachtet, der Anstieg war aber ähnlich wie in den Niederlanden deutlich schneller. Die R-Kurve startet anders als in Deutschland mit einem relativ niedrigen Wert und nähert sich dann parallel zu Deutschland Werten <1. Tendenziell liegt die R-Kurve aber leicht über jener in Deutschland und verharrt längere Zeit bei knapp 1, was möglicherweise auf den geringeren Rückgang bei der Mobilität zurückzuführen ist. Dies erklärt auch den zögerlicheren Rückgang der täglichen Todesfälle. Eine starke Korrelation zwischen Mobilität und Infektionsdynamik lässt sich aber auch hier nicht belegen.

Abbildung 16. Grafik: Wolf Hinrich Wallis
Abbildung 17. Grafik: Wolf Hinrich Wallis

UK

Deutschland und UK sind in den Abbildungen 18 und 19 (Daten nach RKI64, ONS65 und Apple66; Bevölkerungsdaten nach Wikipedia67) dargestellt.

Abbildung 18. Grafik: Wolf Hinrich Wallis
Abbildung 19. Grafik: Wolf Hinrich Wallis

Ähnlich wie in den Niederlanden und in Schweden zeigt sich für UK kein besonderer Anstieg der Mobilität in der Karnevalszeit. Der Rückgang setzte gleichzeitig ein und erreichte ein niedrigeres Niveau als in Deutschland, was als Folge der strengen Ausgangssperre gesehen werden kann. Der erste Todesfall wurde 6 Tage vor Deutschland registriert, der Anstieg der Todesfälle war deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland. Initial zeigten sich in UK relativ hohe R-Werte, die jedoch bereits früh wieder stark abfielen und sich schließlich parallel zu Deutschland Werten <1 annähern. Trotz stärker reduzierter Mobilität, konnte das R also nicht stärker als in Deutschland abgesenkt werden. Ein starker Einfluss der Mobilität ist nicht zu erkennen.

Zusammenfassend zeigt sich, dass sich das Infektionsgeschehen in den Niederlanden, Schweden und UK unabhängig von der Mobilität deutlich dynamischer als in Deutschland entwickelt hat. Noch auf einem Niveau hoher Mobilität ist das Infektionsgeschehen in allen Ländern genau wie in Deutschland wieder deutlich rückläufig, was gegen einen starken Einfluss der Mobilität spricht. Das Beispiel Schwedens legt allerdings nahe, dass die nur moderat eingeschränkte Mobilität das R erst mit leichter Verzögerung unter 1 gesenkt hat, wodurch das einmal erreichte Infektionsniveau zunächst hoch blieb und sich so auch die Zahl der Todesfälle etwas länger auf einem hohen Niveau hielt. Die in UK gegenüber Deutschland deutlich stärker reduzierte Mobilität zeigte hingegen keine zusätzliche Wirkung. Dies steht in Übereinstimmung mit einer Beobachtungsstudie, die keine Vorteile einer strengen Ausgangssperre gegenüber moderateren Maßnahmen der Kontaktbeschränkung sieht.68

Fazit

Für Deutschland konnte kein starker Einfluss der drei wesentlichen Regierungsverordnungen oder der Mobilität - gemessen an den Suchanfragen auf Apple - auf die Infektionsdynamik gezeigt werden. Auch in den Niederlanden, Schweden und UK zeigen sich keine starken Korrelationen. Das in Schweden gegenüber den anderen Ländern leicht erhöhte Reff mit konsekutiv langsamerem Rückgang der Todesfälle könnte auf die geringere Reduktion der Mobilität zurückgehen.