Wiedergänger am Kiosk

Gegen den Trend erscheinen zwei neue New Economy-Magazine: netbusiness und netmanager

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In der New Economy hält kein Trend lange an. Im vergangenen Jahr noch waren New Economy-Magazine eine vermeintlich sichere Geldanlage, in diesem Jahr strichen die Blätter schon reihenweise die Segel (Selektion und Mutation bei den Internet- und New Economy-Magazinen). Doch auch das scheint wieder vorbei zu sein: gleich zwei neue Magazine widmen sich der Internetwirtschaft.

Ein neues Magazin ist ein alter Bekannter: Net-Business war einst das seriöse Vorzeigeblatt der Hamburger Verlagsgruppe Milchstrasse (TV Movie, Max, Tomorrow) und strebte danach, eine Art Wirtschaftswoche der New Economy zu werden. Doch Verlag und Redaktion konnten den Börseneinbruch nicht überleben, das Magazin verlor Auflage und - noch schlimmer - Anzeigenkunden. Peter Turi sollte als Chefredakteur die Zeitung aus dem Auflagenloch ziehen, doch stattdessen kaufte er kurzerhand die Titelrechte an Net-Business und holte das Magazin von Hamburg nach Heidelberg.

Was jetzt an die Kioske kommt, hat mit der alten Zeitung wenig gemein: aus dem Zeitungsformat ist ein Hochglanzmagazin geworden, die Mannschaft ist von einst über 80 auf 10 Mitarbeiter geschrumpft, der wuchtige Schriftzug NET-BUSINESS wurde durch ein schlankes serifenloses netbusiness ersetzt. Nicht einmal der Bindestrich hat überlebt. Auf dem Schreibtisch entpuppt sich das Hochglanzmagazin als das, was es auf keinen Fall sein will: ein dünnes Heftchen - kein Vergleich zu dem Papierberg, der Net-Business bis zur Einstellung war. Von insgesamt 84 Seiten sind 35 mit Werbung belegt. Das ist eine Quote, die die alte Net-Business schon lange nicht mehr vorweisen konnte.

Auf Seite 23 freut sich Oliver Sinner, Mitgründer der Agentur SinnerSchrader, dass die Boulevardblätter keine Personality-Stories mehr über ihn schreiben. Zu früh, denn Personality-Stories sind ein Hauptpfeiler von netbusiness. Optimismus ist Trumpf. "Wir haben keine Freude am Misserfolg von Geschäftsmodellen, wir freuen uns allein am Erfolg von Unternehmen und Unternehmern.", beschreibt Eigentümer, Verleger, Herausgeber und Chefredakteur Turi das Konzept. Für Branchenschelte ist in der neuen netbusiness kein Platz. Neid und Häme seien "die General-Untugenden des deutschen Journalismus".

So wird in der ersten Ausgabe SAP-Chef Hasso Plattner auch über acht Hochglanzseiten als Goldfinger gefeiert. Eine Krise gibt es nicht - und wenn, kann sie überwunden werden. Ein Portrait über Musikmanager Achim Fehlau beginnt so: "Als Deutschland Chef des CD-Shops Boxmann erlebte er die erste Pleite, sein Gastspiel bei Primus Media endete im Mai. Jetzt produziert er Entertaintment-Inhalte für Internetportale - und ist endlich frei." Ein paar Seiten weiter können wir lesen, dass der Ausflug in die Selbstständigkeit keinem der Gründer und Vorstände geschadet hat. Wen kümmern schon Millionen- und Milliardenverluste, wenn der Manager persönliche Erfahrungen gesammelt hat?

Auch das andere Magazin kann aus der New Economy-Krise positives abgewinnen. "Danke, Amerika!" titelt netmanager, der neue Ableger des Manager-Magazins. Kunstvoll verwandelt das Blatt die größten Pleiten der Internetwirtschaft in Managementlektionen. Dass frische Lebensmittel nicht die ideale Ware für den Onlinevertrieb sind, mag trivial klingen, für die US-Firma Webvan war es eine teure Lektion. Netmanager widmet sich weniger den Persönlichkeiten, bietet dafür aber um so mehr Analyse. So setzt die Titelstory den Internetboom und -absturz in Bezug zur großen Eisenbahnkrise in Großbritannien 1825 bis 1848. Die Sichtweise rückt die Proportionen wieder zurecht.

Auch sonst setzt netmanager lieber auf Nutzwert: content management, Kundenanalyse und das gute alte papierlose Büro sind die Themen. Insgesamt wirkt das Heft aufgeräumter als netbusiness. Kein Wunder: das Heft hatte nicht nur mehr Zeit zum Reifen, sondern auch eine größere Mannschaft. Das schlägt sich auch im Umfang wieder: 124 Seiten bringt die erste Ausgabe auf die Waage, davon 31 Seiten Werbung. Ob sich der Spiegel Verlag im Rücken als Vorteil erweist, muss sich noch erweisen. Der hatte nämlich mit Econy und Spiegel Reporter zwei ambitionierte Zeitschriftenprojekte fallen gelassen, als sie nicht die richtigen Einnahmen brachten.

Richtig mutig starten beide Magazine nicht. Netbusiness geht an die 10.000 Altabonnenten und an die "wichtigsten Kioske der Republik". Alle zwei Wochen soll ein neues Heft erscheinen. Das Konkurrenzblatt hingegen erscheint nur vier Mal im Jahr. Die 60.000 Abonnenten des Manager-Magazins erhalten den netmanager kostenlos, 10.000 Exemplare sollen am Kiosk verkauft werden. Beide Magazine kosten 6 Mark. Einen eigenständigen Internetauftritt hat noch keines der Magazine ausgebaut. Während netbusiness den alten Netzauftritt von Tomorrow Internet weiter betreuen lässt, schlüpft netmanager bei der großen Schwester Manager Magazin unter.

Es bleibt abzuwarten, ob die Verlage etwas aus den ersten Ausflügen in die New Economy gelernt haben. Denn wer sich der Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Selbst wenn die Vergangenheit nicht 150 Jahre, sondern nur 150 Tage alt ist.