Wieviel Strom frisst die Digitalisierung?
Digitalisierung bringt Komfort, verbraucht aber viel Strom. Dieser Energiebedarf führt zu hohen CO2-Emissionen. Aber wie viel Strom verbraucht das Internet wirklich?
Die Digitalisierung zählt zu den Errungenschaften, welche das Leben angenehmer und effizienter machen sollen. Schnelle Informationsbeschaffung und Onlinehandel wären ohne Digitalisierung nicht denkbar. Die Bedeutung des Strombedarfs der Digitalisierung ist umstritten und die Aussagen dazu schwanken je nach gewählter Vergleichsebene gewaltig, ohne dass sie im Einzelnen falsch wären.
Man kann den Stromverbrauch in Relation zum gesamten Primärenergieeinsatz setzen, dann ist sein Anteil verschwindend gering. Will man den Anteil optisch größer erscheinen lassen, wählt man eine kleinere Basis, wie den Vergleich zum Strombedarf der häuslichen Beleuchtung, die schon zu Zeiten der ″energiefressenden″ Glühbirnen nur einen Anteil von 10 Prozent am privaten Energiebedarf hatte.
Digitalisierung wird jedoch zunehmend zu einem Problem, weil immer höhere Datenraten, bessere Auflösungen von Bilddaten und Videos zwar viel Komfort mit sich bringen, beim derzeitigen Energiemix jedoch am Ende auch mehr Emissionen.
Wie viel Strom verbraucht das Internet?
Ende des vergangenen Jahrzehnts sorgte eine Studie laut des Thinktanks The Shift Project für Furore: Nach dieser Studie käme das Internet verglichen mit dem Energiebedarf von ganzen Staaten auf Platz sechs in Sachen Energieverbrauch.
Die gesamte Informations- und Kommunikationstechnik, also auch persönliche Geräte wie Smartphones, PCs und Smart-Fernseher, Rechenzentren und Verteilertechnik wie Mobilfunknetze, sollen jetzt schon weltweit für zwei Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich sein. Das entspricht dem Anteil von Deutschland am weltweiten CO2-Ausstoß. Die zunehmende Leistungssteigerung sorgt dabei auch für einen steigenden Strombedarf.
Stromverbrauch der Server
Verantwortlich für den CO2-Ausstoß ist dabei nicht nur der Strom, den der Endkunde an seinem PC, Smartphone, Tablet oder Smart-TV zu Hause benötigt, sondern der Strom, der für die gesamte Infrastruktur der großen Anbieter im Netz wie Google oder Facebook oder die Anbieter von Streaming-Diensten wie Netflix, Amazon oder YouTube benötigen.
Eine Google-Suchanfrage soll 0,3 Wattstunden benötigen. Das klingt wenig, aber, wenn man 20-mal googelt, hat man in etwa so viel Energie bezogen, wie eine aktuelle Haushaltslampe in einer Stunde. Und googeln ist im Vergleich zum Video-Streamen bezogen auf den Nutzer geradezu ein Zwerg.
Gerade einmal 30 Minuten Video-Streamen setzt in etwa so viel Kohlendioxid frei, wie eine sechs Kilometer lange Autofahrt. Das Video-Streamen soll im Jahr 2018 weltweit so viel Strom benötigt haben wie Polen, Italien und Deutschland zusammen.
Und dabei ist es weitgehend irrelevant, ob man auf seinem Notebook streamt oder auf seinem Smartphone, denn Bewegtbilder über das Internet zu transportieren ist sehr energieintensiv, denn es handelt sich dabei um riesige Datenmengen. Je hochauflösender das Bild, desto mehr Daten werden transportiert und umso höhere Rechenleistungen müssten die Server aufbringen. Damit steige auch der Stromverbrauch.
Da die Stromkosten für die Betreiber der Serverfarmen immer wichtiger werden und die Server Strom nicht nur für den Betrieb der Datenverarbeitung benötigen, sondern auch für die Kühlung, wandern sie zunehmend in kältere Gefilde ab und bieten ihre verbleibende Abwärme als Nahwärme für entsprechende kommunale Netze an. Die Rechenzentren von Google zählen zu den energieeffizientesten weltweit.
Energiebedarfssteigerung durch KI
ChatGPT, Google Bard und andere haben die digitale Welt im Handumdrehen verändert. Sinnvoll eingesetzt, kann Künstliche Intelligenz das Leben allgemein und die Arbeit im Besonderen erleichtern. Doch bis es so weit ist, müssen die Sprachmodelle angelernt und mit riesigen Datenmengen gefüttert werden. Dies macht sie zu riesigen Stromfressern.
Dieser Energiebedarf fällt jedoch zumeist nicht in den Industriestaaten an, wo die Nutzer sitzen, sondern in Entwicklungsländern wie Kenia oder Kolumbien, wo die Klickarbeiter als Trainer der Künstlichen Intelligenz sitzen und ihre prekäre Arbeit verrichten. Dabei zeigt sich im Übrigen, dass Künstliche Intelligenz weder künstlich noch intelligent ist, denn KI beruht wesentlich auf repetitiver Handarbeit von Menschen.
Mit dem Training der KI-Module ist der hohe Energiebedarf keineswegs beendet, denn nach dem Training werden die Modelle in die Praxis überführt, um auf neue Daten zu reagieren und entsprechende Ergebnisse zu generieren. Auch die sogenannte Inferenzphase ist mit einem hohen Energieverbrauch verbunden. Generative KI-Systeme benötigen enorme Rechenleistung und leistungsstarke Prozessoren.
Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) soll eine Abfrage bei ChatGPT gut zehnmal mehr Energie benötigen als eine Google-Suche. Laut einer Untersuchung von SemiAnalysis sind für den Betrieb von ChatGPT in der Inferenzphase 3.617 Server nötig, die 28.936 Grafikprozessoren umfassen, was wiederum einem täglichen Energiebedarf von 564 Megawattstunden entspricht. Für das Training von GPT-3 waren insgesamt 1.287 Megawattstunden nötig.
Rechenzentren verursachen heute vier bis fünf Prozent des weltweiten Energiebedarfs. Schätzungen zufolge könnte dieser in den nächsten Jahren sogar auf 30 Prozent ansteigen. Der steigende Strombedarf der Rechenzentren ist jedoch nur eine Seite der Münze, denn die Server für die Sprachmodelle verbrauchen nicht nur an Strom, sondern auch an Kühlwasser und das wird in der benötigten Trinkwasser-Qualität weltweit knapp.