Wikipedia auf dem Weg zum Orwellschen Wahrheitsministerium

Seite 4: Stimmenmehrheit ist nicht des Rechtes Probe (Friedrich Schiller, Maria Stuart)

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Die bei Wikipedia praktizierte Mehrheitsprinzip widerspricht dem, was man in Demokratien als unabdingbaren Schutz von Minderheiten erachtet. Auch legitime Gegenansichten (wie sie früher oft noch in Artikeln enthalten waren) können heute von einem zusammengewürfelten digitalen Mob als "irrelevant" erklärt werden, der ein paar Regelakronyme in die Diskussion wirft.

Abgesehen vom notwendigen Schutz der Minderheiten ist Wikipedia wahrscheinlich gar nicht mehr ein Abbild der Gesellschaft. Der Anteil der Menschen, die die offizielle Medienlandschaft kritisch sehen, mag vielleicht noch in der Minderheit sein, nimmt jedoch stetig zu. Wenn diese systematisch durch Unterdrückung ihrer Ansichten aus Wikipedia herausgedrängt werden, bleibt irgendwann nur mehr eine Minderheit von Gläubigen der Medienorthodoxie übrig. Spätestens dann ist das Wikipedia-Projekt ganz tot.

Kann man Wikipedia reformieren? Letztlich ist es unwahrscheinlich, dass dies den bestehenden Strukturen gelingt. Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer: die bestehende Information ist frei zugänglich, und könnte im Prinzip von einem neu gestarteten Projekt mit vernünftigen Regeln übernommen werden. Zwar gibt es schon eine Reihe von relativ Alternativen, die sich nicht durchsetzten, aber vielleicht gelingt es irgendwann ein paar engagierten Individuen, den ursprünglichen Traum von Wikipedia zu verwirklichen.

Dr. Alexander Unzicker ist Physiker, Jurist und Sachbuchautor.