Wildpark am Ende

1182_1.gif:: Das Online Magazin der Multimedia-Agentur Pixelpark wurde am 1. Mai eingestellt. Florian Rötzer sprach mit Sabine Fischer, der Chefredakteurin von Wildpark, über die Gründe.

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Das Online Magazin der Multimedia-Agentur Pixelpark wurde am 1. Mai eingestellt. Florian Rötzer sprach mit Sabine Fischer, der Chefredakteurin von Wildpark, über die Gründe.

Das Online-Magazin Wildpark der Multimedia-Agentur Pixelpark, dessen Chefredakteurin du warst, ist am 1. Mai 97 eingestellt worden. In der Pressemitteilung heißt es lapidar: "Die Zeit des Experimentierens ist vorbei." Jetzt geht es ums Geld, das man offenbar mit den im Wildpark angebotenen Informationen nicht verdient. Oder wurde Wildpark zuwenig gelesen?

SABINE FISCHER: Nein, das ist es nicht. Der Wildpark hatte ursprünglich eine ganz andere Ausrichtung. Der Ursprungsgedanke Anfang Ž95 war, eine Plattform für viele unterschiedliche Anbieter zu entwickeln, die die gleiche Zielgruppe ansprechen möchten. Bald gab es 30 Partner, aber sehr wenig eigenen Content, was ja auch am Anfang gar nicht geplant war. Sehr schnell wurde klar, daß es mit den Updates so nicht funktioniert. Zu diesem Zeitpunkt kam mein redaktioneller Einsatz. Ich bin ja von Haus aus Redakteurin oder Journalistin und habe für Print und Fernsehen gearbeitet. Mir waren die eigenen Inhalte wichtig, also habe ich auch vorzugsweise daran gearbeitet. Gleichzeitig machten wir unseren Partnern klar, daß sie das, was das Netz verlangt, nämlich regelmäßig etwas Neues zu machen, leisten müssen, um erfolgreich zu sein. Die Kostenfrage wurde dann schnell zur entscheidenden Frage. So haben wir mehr und mehr unsere eigenen Inhalte nach vorne gestellt und dann zum Februar Ž96, zu unserem Relaunch, den Wildpark "heruntergekocht". Wir hatten vorher 11 verschiedene Bereiche und haben neben den Kommunikationssites auf vier redaktionelle Bereiche reduziert.
Wildpark hat sich so bewährt. Wir sind im Schnitt, obwohl der Vergleich der Zugriffszahlen verschiedener Sites sehr problematisch ist, sehr gut. Auch bei der Presse kam Wildpark gut an, und hat sich als reines Netzmagazin etabliert.
Um zur Einstellung des Wildparks zurückzukommen: Pixelpark ist eine Multimedia-Agentur und kein Verlag. Es wurde immer schwieriger, gute Verlagsarbeit zu leisten, einfach weil der Hintergrund dazu nicht da ist, weil es keine anderen Magazine gibt, aus denen ich Durchläufer nehmen kann etc. Wir sind eine komplette Redaktion innerhalb einer Agentur, die "irgend etwas" bastelt. Wir waren Innovationsplattform, haben das WWW auch für Pixelpark mitgestaltet. Natürlich hängt das Einstellen vom Wildpark ganz allgemein auch mit den großen Schwierigkeiten zusammen, überhaupt im Internet Magazine zu vermarkten.

Woran meinst Du, liegt das eigentlich? Online Magazine könnten bislang eigentlich nur über Werbung funktionieren. Warum funktioniert das nicht? Oder noch nicht?

SABINE FISCHER: Man kann den Blick in die große Runde weltweit werfen und feststellen, daß alle darben und darunter leiden. Ich finde es sehr schwierig, diese Frage zu beantworten. Ich bin der Meinung, daß die normalen Vermarktungskonzepte, die bei den Printmagazinen funktionieren, also der Verkauf von Werbeflächen, im Internet nicht funktionieren.
Deswegen haben wir sehr frühzeitig entscheiden, daß wir etwas anderes machen, daß wir ganz andere Werbekonzepte anbieten. Also nicht einfach nur Banner oder Werbeflächen, sondern andere Formate, die dem Medium auch gerechter werden, auch wenn das nur kleine Gif-Animationen oder witzige Sachen sind, die man integriert, ohne alles zum PR-Medium verkommen zu lassen (was mir übrigens immer sehr wichtig war). Aber ich glaube einfach, daß die Schere zwischen denen, die online arbeiten, das Medium verstehen und nach vorne gehen, und denen, die grade mal davon gehört haben, immer weiter aufgeht. Es ist ganz schwierig zu vermitteln, daß man nicht nur mitmachen soll, sondern sich auch stets mit dem Medium entwickeln muß, neue technische Features integrieren muß, um etwas damit verdienen zu können. Das Bewußtsein für dieses Medium ist noch nicht besonders groß. Eine Pionierzeit zeichnet sich wohl immer dadurch aus, daß alles ganz toll ist, man sehr weit nach vorne gehen und irgend etwas machen kann. Aber dann kommt die große Frage, wer das bezahlen soll. Wenn man an die Anfänge des Films denkt, war es nicht anders.

Wie sollte nach deinen Vorstellungen eigentlich ein Online-Magazin aussehen? Wie sollte es sich beispielsweise von den herkömmlichen Printmedien unterscheiden?

SABINE FISCHER: Ich habe für Printmedien gearbeitet und kenne das Geschäft. Aber als ich hier plötzlich mit einem Online-Medium zu tun hatte, mußte ich komplett umdenken. Ich mußte verstehen lernen, daß selbst Text und Text noch nicht das gleiche sind. Und dann bin ich mit der Zeit dahinter gekommen, wie man dieses Medium bedient. Vielleicht war es auch gut, daß wir das nie in Print gemacht haben, weil man dann wieder sehr printlastig denkt. Es ist ganz wichtig, medienadäquat zu arbeiten. Und mir war es wichtig, weil Wildpark ein reines Online-Magazin war, daß wir uns auch nur mit dieser digitalen Welt beschäftigen und versuchen, der Form auch inhaltlich gerecht zu werden.

Was ist denn dem Internet angemessen?

SABINE FISCHER:: Internet ist in erster Linie Kommunikation. Deswegen muß man hier ganz anders als an andere Medien herangehen. Fernsehen oder Zeitungen sind Sender, die den Zuschauer oder Leser zum Empfänger machen. Das Internet hingegen bietet durch den aktiven Zugriff mehr Möglichkeiten der Auswahl und der eigenen Äußerung. Natürlich kann man uns den Vorwurf machen, zu textlastig gewesen zu sein, aber wir konnten die Artikel noch nicht über Real-Audio vorlesen lassen (lacht). Ich hatte die Hoffnung, mit einem Autorenmagazin, mit subjektiver und gut recherchierter Meinung, die User eher anzusprechen als durch sachliche Berichterstattung. Und wenn ich sie anspreche, sollen sie sich auch tatsächlich dazu äußern können. Deswegen ist die Feedback-Möglichkeit unter den Artikeln so wichtig. Ich wollte einen kleinen Diskurs anregen, schließlich fängt ja auch der gemeine User allmählich an, aktiv zu werden.
Lange Zeit war es sicherlich so, daß die meisten keine Lust hatten, sich intellektuell zu betätigen. Die User zum Schreiben, zur Diskussion anzuregen, ist natürlich ein großes Vorhaben, aber wir haben gesehen, daß sich da langsam etwas entwickelt. Und das hat für mich mit dem medienadäquaten Umgang zu tun.
Wir waren aus diesem Grund auch immer sehr grafiklastig. Zum Einen ergab sich das am Anfang aus der Not, weil wir uns keine Fotografen leisten konnten, zum Anderen machte es den Web-Designern, die wir im Wildpark hatten, einfach Spaß, Texte mit den digitalen Mitteln und Möglichkeiten zu interpretieren. Auch deswegen waren wir wahrscheinlich immer eine Innovations-Plattform im HausHausHaus. Wir haben viel ausprobiert. Sobald ein neuer Browser mit neuen Möglichkeiten oder neue Plug-Ins etc. ins Spiel kamen, sobald man kleine Animationen machen konnte, die keine riesigen Datenpakete verursachen, haben wir das eingebunden.
Und schließlich war uns neben den Inhalten und der Kommunikation die Benutzerführung sehr wichtig. Bei einem haptischen Medium wie einer Zeitung, bei dem ich mich von vorne nach hinten durcharbeiten oder an einem Inhaltsverzeichnis orientieren kann, kann ich auf die Erfahrung, wie man die Psychologie des Benutzers einsetzt oder befriedigt, zurückgreifen. Eine gute Benutzerführung macht auf einen Blick klar, was es auf einer Site alles gibt. Egal wo ich bin, immer ist klar, daß ich hier hin und dahin kann. Man muß also die Tiefe verlassen, in der man sich ja anfangs im Netz noch bewegte, in der man von einer Ebene auf die nächste wechselte und irgendwann partout nicht mehr wußte, wo man war.

Der apodiktische Satz in der Presseerklärung, daß die Zeit des Experimentierens vorbei sei, hat auch etwas Resignatives. Nach dem Spaß kommt gewissermaßen der Ernst des Lebens. Würdest Du das für Dich auch so sehen?

SABINE FISCHER: Pixelpark ist in den letzten zwei Jahren mit dem Wildpark nach vorne gegangen, hat gearbeitet, versucht Kunden und der Welt klarzumachen, was ein Online-Medium ist und dann will man natürlich irgendwann einmal für seine Arbeit belohnt werden und das Know-how auch gewinnbringend nutzen. Das ist eine ganz einfache Regung. Die Zeit des Experimentierens ist natürlich noch nicht vorbei. Sie wird nie vorbei sein. Spezialisiert auf das Internet als dynamisches Medium ist sie für mich mehr eine digitale Daseinsberechtigung. Mit dem Wildpark ist es vorbei, aber anderswo geht es weiter. Ich habe ja immer verkündet, daß das Internet ein dynamisches Medium ist, daß man keine Standards festlegen oder es dogmatisch behandeln kann, daß man permanent mit den Entwicklungen mitlaufen muß. Deswegen wird diese Medium hoffentlich immer zum Experimentieren auffordern. Das finde ich auch das Interessante daran, denn das gibt es in diesem Ausmaß beim Print oder beim Fernsehen nicht.

Was machst Du weiterhin?

SABINE FISCHER: Ich werde bei Pixelpark als Projektmanagerin weiterarbeiten. Aus der Beschäftigung mit dem Wildpark heraus ist dafür ein großes Know-how gewachsen. Ich habe gemerkt, wie stark die Leute das Online-Medium mit Print vergleichen und wie gering das Wissen um dieses Medium wirklich ist. Wir bauen jetzt bei Pixelpark den Bereich Informationstransfer aus, ich nenne es Electronic Information, und das ist etwas, was jeden Kunden interessiert, weil unter anderem darauf alles irgendwann einmal hinauslaufen wird.

Das sind dann vor allem Firmendarstellungen, Firmen-Homepages und ähnliches.

SABINE FISCHER: Beim Projektmanaging macht man auch das. Aber die Firmen erkennen, daß sie Informationen haben, die allen oder nur geschlossene Benutzergruppen zugänglich gemacht werden sollten. Intranet, Extranet oder Internet sind allesamt Ebenen, mit denen man spielen kann, auf denen regelmäßig gute Information allen oder bestimmten Benutzergruppen zugänglich gemacht werden. Dahin führt der Weg, damit haben wir große Erfahrung.

Siehst Du, um wieder zum Wildpark und zu Online-Magazinen zurückzukommen, überhaupt eine Perspektive in der Zukunft, so etwas auf gesunde finanzielle Beine zu stellen? Möglicherweise liegt das "Problem" gerade in der Benutzerhaltung, daß man einfach nichts geben will, sondern eigentlich eher an Austausch denkt.

SABINE FISCHER: Eigentlich bin ich noch etwas altbacken, was das Netz angeht. Ich weiß nicht, ob ich mich nicht strikt weigern würde, für Information aus dem Netz zu zahlen. Das wird in Zukunft bestimmt ganz anders werden, weil wir dann auch ganz anders damit umgehen. Wenn ich mir beispielsweise für die fünf Minuten, in denen ich einen Brief schreibe, ein Textverarbeitungsprogramm vom Netz ziehen kann und es mir nicht für teures Geld kaufen muß, sondern anteilig bezahle, dann wird das schon anders.
Ich weiß nicht, ob man für einzelne Objekte oder Magazine etwas bezahlen will. Sicherlich erst dann, wenn alles billiger geworden ist. Wenn die Leute ihren Provider, die Telefonrechnung und dann auch noch das Magazin bezahlen müssen, dann wird es teuer.
Finanzieren wird man Magazine immer nur mit Werbung, Sponsoring etc., aber das ist zur Zeit schwierig. Auch Sponsoring-Konzepte sind so gelagert, daß der Sponsor gerne bei den Inhalten mitreden will. Ich würde das nicht wollen. Redaktionell unabhängig zu arbeiten, wie wir es mit dem Wildpark konnten - dafür sehe ich im Moment keine Chance. Das war auch ein Grund für den Entschluß, Wildpark einzustellen.