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Seite 2: Mach 0,6 und ein "Nurflügler"

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Eines der EADS-Projekte ist der "Technologie-Demonstrator Barracuda", dessen "nunmehr 10-jährige Testflugerfahrung" der Konzern kürzlich bekannt gab. Es handelt sich dabei um eine unternehmenseigene Testplattform von über acht Metern Länge, einer Spannweite von mehr als sieben Metern und einem maximalen Abfluggewicht von gut drei Tonnen. Flüge wurden im spanischen Murcia und später in Kanada absolviert. Die Drohne erreicht dabei eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 0,6, das entspricht rechnerisch 741 Kilometer/ Stunde. Derart schnelle Drohnen (auch zur Aufklärung) werden vom Militär bevorzugt, da diese im Falle eines Angriffs schnell aus dem Kampfgebiet verschwinden können.

Laut Bundesregierung nehmen die Tschechische Republik und Finnland ebenfalls am "Barracuda" teil, zu den Auftragnehmern gehört demnach auch der deutsche Rüstungszulieferer ESG. Simulationen hätten gezeigt, dass die Missionsplanung und -durchführung "auch in anspruchsvollen militärischen Einsatzszenarien erfolgreich möglich ist" und "taktische Aufklärung mit UAV durchgeführt werden" könne.

Erprobt werden ein Kollisionsschutzsystem, die "vernetzte Operationsführung" mit anderem Kriegsgerät, die Integration von Drohnen in den von der Flugsicherung kontrollierten Luftraum sowie weitere Aspekte der Automatisierung. Zur möglichen Nutzlast für die Tests bewirbt EADS die Möglichkeit, "sowohl elektro-optische und Infrarot-Sensoren, Laser-Zielmarkierer, Detektoren für radiomagnetische Strahler als auch fortschrittliche Synthetic Aperture Radare - SAR" einzurüsten.

Alle entstehenden Aufklärungsdaten werden in nahezu Echtzeit an die Bodenkontrolle übertragen. Die Testergebnisse fließen "unmittelbar in die Entwicklung zukünftiger UAS bei Cassidian mit ein". Weitere Kampagnen seien laut EADS "in der Planung". Der "Barracuda" wird unter anderem über das Forschungs- und Entwicklungsprogramm "Agile UAV in Network Centric Environment" des Bundesamtes für Ausrüstung und Informationstechnik der Bundeswehr (BAAInBw) finanziert, auch für die Bundeswehr finden Testflüge statt.

Nach Angaben von EADS hat der "Barracuda" 540 Bodentests und 13 Flugtests absolviert, in mindestens einem Fall stürzte eine Drohne aber ins Meer. Obwohl der "Barracuda" als Hoheitszeichen das Eiserne Kreuz der Bundeswehr trägt, wurde der Crash seitens des Verteidigungsministeriums in Stellungnahmen zu abgestürzten Militär-Drohnen verschwiegen.

Ein weiteres Forschungsprojekt von EADS Cassidian nennt sich "SAGITTA - Open Innovation". Es ist ebenfalls nicht als Serienproduktion ausgelegt, vielmehr will die Firma ein sogenanntes "Nurflügelkonzept" erforschen. Es handelt sich dabei um eine Kampfdrohne ("Unmanned Combat Aerial Vehicle", UCAV). SAGITTA sowie eine entsprechende Bodenkontrollstation sollen bis 2014 entwickelt und dann flugerprobt werden.

Das Bundesministerium der Verteidigung ist an SAGITTA beteiligt, die Universität der Bundeswehr München übernimmt hierzu Forschungen zur Untersuchung von "neuartigen Flugführungs- und Missionsmanagementkonzepten" sowie einer "Schnittstelle Mensch/Maschine in der Bodenkontrollstation zur intelligenten Führung". Die Mitarbeit der Bundeswehr dient einer Förderung des "wissenschaftliche[n] Nachwuchs" für Drohnen-Technologie. Weitere Partner sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Oberpfaffenhofen und Braunschweig, die Technische Hochschule Ingolstadt sowie die Technische Universität Chemnitz.

"Talarion" für den Grenzschutz und gegen Drogenhandel

Bis 2012 entwickelte EADS zudem die Drohne "Talarion", wofür der Konzern nach eigenen Angaben bereits 600 Millionen Euro ausgegeben habe. Ziel war die Fertigung einer Serie, weshalb EADS vielerorts Verhandlungen zu potentiellen Abnehmern führte. Cassidian bewarb "Talarion" als erstes unbemanntes Luftfahrtsystem, "das im zivilen Luftraum eingesetzt werden kann". Dadurch sei die Drohne "zur Bekämpfung der Piraterie und Kontrolle des Drogenhandels, für den Grenzschutz sowie die Bewältigung von Umwelt- und Naturkatastrophen" geeignet.

Mockup des Talarion auf der Paris Air Show. Bild: Tangopaso. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Zu den anvisierten Partnern gehörten Frankreich, Spanien, Italien und die Türkei. In einer Absichtserklärung verabreden die Firmen Turkish Aerospace Industries und EADS eine enge Zusammenarbeit. Zur Vertragsunterzeichnung anwesend waren der deutsche Staatssekretär Thomas Kossendey und sein türkischer Amtskollege. Die Türkei versprach laut EADS die Bereitstellung "beträchtliche[r] Investitionsmittel und die "Beteiligung großer türkischer Industrieunternehmen". Für die konkrete Arbeit richtete Cassidian eine "Kooperationsplattform" für Ingenieure aus Frankreich, Spanien, der Türkei und Deutschland sowie Zulieferer ein. 2011 seien dort rund 160 Ingenieure tätig gewesen.

Nachdem im Bundeshaushalt 2012 kein Geld für "Talarion" eingestellt worden war und sich Frankreich einem anderen Projekt mit Großbritannien zuwandte, brach EADS das Vorhaben ab. Allerdings wolle der Konzern weiter an entsprechenden Technologieprogrammen arbeiten.

Tatsächlich handelte es sich lediglich um eine Neuorientierung: Wie in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses zur Drohne "Euro Hawk" zur Sprache kam, hat EADS zur gleichen Zeit auf mehreren Ebenen im Verteidigungsministerium und bei der Bundeswehr für die Fortführung von "Talarion" insistiert. Nach Aussagen von Staatssekretär Stéphane Beemelmans habe die "Führung der Firma" am 20. Januar 2012, also nur zwei Monate nach dem angeblichen Aus, bei ihm dazu vorgesprochen.