"Wo sich Geld jetzt wohlfühlt"

Augmented Reality-Anwendungen, PR und Hoeneß

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Neulich noch gab die Wartezeit am Geldautomaten einer HypoVereinsbank-Filiale Gelegenheit zur Meditation über Seriösität und Showgeschäft im Anlagesektor. In der Zeit zwischen Eingabe der PIN und dem Rattergeräusch der Scheinausgabe traf der Blick auf eine Werbung, die solide Aufklärung zu Anlagen versprach.

Als erstes fiel Uli Hoeneß auf dem Plakat auf, weil er das prominenteste Gesicht der drei Experten ist. Als nächstes sprang die Überschrift ins Auge, die Frage "Wie sicher ist sicher? Und der darauf folgende merkwürdige Claim "Wo sich Geld jetzt wohlfühlt".

Wie fühlt sich Geld wohl? Was soll die sonderbare Formulierung? Einlullen? Gehören Geldanlagen jetzt auch zum Wellnessbereich? Und wieso gehört der Chef des Tabellenführers der Fußballbundesliga jetzt zum Anlageberaterteam einer Bank? Damit, während mein Geld eine Wellnesskur macht, ich sicher sein kann, dass alles "fit" und "im grünen, oberen Bereich" bleibt? Das Plakat ließ an eine Art von persuasiver Kommunikation denken, wie sie von Versicherungsvertretern, bei Kaffeefahrten und Tupperwareparties ausgeübt wird.

Inklusive Augmented Reality-Anwendung

Wie im Fachmagazin W&V nachzulesen ist, war Hoeneß als "unabhängiger kritischer Überzeugungsarbeiter" Teil einer großen PR-Kampagne, die das Vertrauen in die Branche wiederherstellen sollte.

In Zeitungsanzeigen ist er zu sehen und auf Plakaten an den rund 600 Filialen der HypoVereinsbank (HVB), inklusive Augmented Reality-Anwendung, die den Zugriff auf ein Video der Bank ermöglicht, und in einer Online-Kampagne. Dabei hat Hoeneß noch zwei Mitstreiter: Kornelius Purps, Finanz- und Anlagestratege der UniCredit, und Frank Lehmann, ehemaliger Börsenexperte der ARD und Wirtschaftsjournalist.

Mittlerweile hat die Hypobank die Plakate entfernt. Die Steuerbetrugsvorwürfe gegen Hoeneß geben dem Claim "Wo sich Geld jetzt wohlfühlt" nun eine Pointe, die der Bank nicht willkommen sein kann. Doch scheint Hoeneß nach Informationen der SZ tatsächlich etwas von Anlagen zu verstehen.

Immerhin konnte er, wie dem Bericht "Drama Baby", der am Dienstag auf Seite 3 der Zeitung erschien, zu entnehmen ist, seinen Kredit in Höhe von umgerechnet 10 Millionen Euro, den er von seinem Freund Robert Louis-Dreyfuß 2000 bekam, binnen eines oder zwei Jahren ("ganz genau lässt sich das bisher nicht rekonstruieren", so die SZ) zurückzahlen.

Dem Bericht ist auch zu entnehmen, dass Hoeneß "in den vergangenen zwei Jahrzehnten weit mehr als 50 Millionen Euro Steuern inklusive Solidaritästzuschlag an den Fiskus überwiesen habe". Daraus kann man in etwa auf ein Einkommen von 100 Millionen schließen.

Dazu die Kapitalerträge aus dem Schweizer Vontobel-Konto, die im Mittelpunkt der Steuerbetrugsvorwürfe stehen. 3 Millionen soll Hoeneß an Steuern nachgezahlt haben, heißt es, offiziell allerdings unbestätigt. Die SZ hat dazu am Montag eine Berechnung angestellt: 3 Millionen läßt auf einen Gewinn von sechs Millionen schließen, das zugrundeliegende Vermögen würde bei einer Rendite von drei Prozent etwa bei 18 bis 20 Millionen Euro liegen.

Das sind beträchtliche Summen, welche Schlüsse, außer dass sich Hoeneß tatsächlich auf Geldanlagen zu verstehen scheint, sind daraus zu ziehen?

Keine Milde ab einer Million

Zunächst, ganz nüchtern: Wenn die nachgewiesene Summe eines Steuerbetrugs die Höhe von einer Million Euro übersteigt, gibt es keine Bewährungsstrafe mehr (vgl. Bei einer Million endet die Milde). Hoeneß muss also darauf hoffen, dass seine Selbstanzeige akzeptiert wird, sonst droht ihm eine Freiheitsstrafe.

Die Tatsache, dass bereits ein Haftbefehl erlassen wurde, zeigt, dass die Sache schwierig werden dürfte. Und die Öffentlichkeit wird gerade in seinem Fall darauf achten, wie sauber die Staatsanwaltschaft arbeitet. Soweit es ihr möglich ist.

Die Arbeitsbedingungen von Schiedsrichtern

Der andere Schluss ist weitaus schwieriger zu fassen, er hängt aber mit dem letzten Zusatz zusammen. Die Steuersache Hoeneß ist von einer irren Nachrichten-und Berichtshysterie umgeben, wo sich alles mögliche vermischt; die Meldungen von sensationellen Fußballsiegen mit Bildern von Hoeneß auf der Tribüne, der Coup über den Abkauf eines Supertalents vom Konkurrenten Dortmund durch den Club, der in England Buy&Earn genannt wird, Spekulationen über den Kauf eines weiteren BVB-Stars durch Bayern, eine Menge Berichte über den Privatmensch Hoeneß, der gar nicht auf Geld aus ist und sämtliche Extraeinnahmen, wie wahrscheinlich auch das Honorar für die PR-Tätigkeit bei der Hypovereinsbank, gemeinnützig spendet, ein guter Mensch im barocken Bayern, wie dies die SZ in einem durchaus differenzierten - und nicht einlullenden - Porträt schildert.

Die Figur des privaten Hoeneß ist vom öffentlichen Hoeneß, Rekordmeisterpräsident und neuerdings Steuerbetrüger, in dieser Berichterstattungs-Augmented-Reality nicht mehr zu trennen. Und anscheinend auch nicht mehr rauszuhalten. Es menschelt. Dass zum Hinterziehen von einigen Millionen Euro ein Planung gehört, die mit Bedacht und Energieeinsatz eine Straftat beabsichtigt, tritt in den Hintergrund. Wie auch Aktivitäten, die durchaus von öffentlichen Interesse wären, wie etwa die Hintergründe zum Deal zwischen Adidas und Bayern. Das wird seltsam oberflächlich behandelt. Zwar wird eingestanden:

Ein Geschmäckle hat die Angelegenheit auf jeden Fall und wäre in der heutigen Wirtschaftswelt, die sich seit der Korruptionsaffäre von Siemens Mitte des vergangenen Jahrzehnts dramatisch verändert hat, auch undenkbar.

Und auch dass die Beteiligten sich "auffällig schmallippig" geben, wird aufgezeigt. Aber die Nachforschungen sind längst nicht so bissig wie die Münchener Vereinspieler im Halbfinale: "eine Unrechtsvereinbarung (ist) in diesem speziellen Fall nicht leicht erkennbar".

So drängt sich das Gefühl auf, dass der Geschäftsmann Hoeneß sich gar keinen besseren Zeitpunkt hätte wünschen können, um mit der unangenehmen Nachricht vom Steuerbetrug an die Öffentlichkeit zu gehen. Weil nichts so einschüchternd ist, wie der Applaus von einer großen Menschenmenge, wenn jemand erfolgreich spielt.

Die Schiedsrichter, die beim Championsleague-Spiel Dortmund gegen Malaga das zweifache Abseits beim entscheidenden dritten Tor nicht gepfiffen oder kein Zeichen gegeben haben, als 60.000 Fans aus dem Häuschen waren, hätten dazu vielleicht eine Erlebnis-Geschichte parat. Aber das ist schon wieder so eine Vermischung von ganz unterschiedlichen Spielfeldern. Staatsanwälte sind doch keine Schiedsrichter. Und Hoeneß ganz privat, ist ein "reicher erfolgreicher Mann, von dem selbst seine Feinde sagen, er sei der sozialste Typ, den sie kennen", wie die SZ ermittelt hat.