Wo sind die tolldreisten Helden in den schnellfliegenden Raumschiffen?

Vor dem Start von Star Trek XII - Into Darkness: Sind Weltraum-Epen noch zeitgemäß?

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Im Mai ist das Dutzend voll - mit "Into Darkness" kommt der zwölfte Star-Trek-Film in die Kinos. In den vergangenen Wochen habe ich jedoch festgestellt, dass aus meiner ursprünglichen Begeisterung und Vorfreude ein blasses "Ja, und?" geworden ist. Und ich fragte mich: Hat sich der Mythos selbst überlebt oder sind Weltraum-Epen wie Star Trek und Star Wars nicht mehr zeitgemäß?

Vor einiger Zeit recherchierte ich für einen Artikel und stieß dabei auf das Motto der NASA von 1958, dem Gründungsjahr der US-Weltraumbehörde:

Das Leben auf der Erde zu verbessern, das Leben nach draußen auszudehnen und Leben da draußen zu finden.

Daraus wurde der folgende Auftrag abgeleitet:

Unseren Heimatplaneten zu verstehen und zu schützen, das Universum zu erforschen und nach Leben zu suchen und die nächste Generation von Forschern zu begeistern.

Als ich diese Sätze las, hörte ich in meinem Kopf die Titelmelodie von "Raumschiff Enterprise" und dazu die Stimme von Captain James T. Kirk. Einmal ein Nerd, immer ein Nerd. Obwohl ich nie ein Trekkie war - in meinem Schrank hängt auch kein Uhura-Kleidchen -, hat "Raumschiff Enterprise" meine Wahrnehmung verändert. Ein Klapp-Handy finde ich immer noch viel cooler als das neueste Smartphone, und bei dem Wort "Untertassensektion" denke ich nicht an die Einteilung im Geschirrspüler.

Und natürlich geht es nicht nur mir so. Der Einfluss dieser Serie auf die Popkultur hält immer noch an - und die Begeisterung der Fans scheint ungebrochen, wie man Anfang dieses Jahres auf Twitter erleben konnte, als William Shatner dem kanadischen Astronauten Hadfield folgenden Tweet schickte:

1.William Shatner
2.@WilliamShatner
3.@Cmdr_Hadfield Are you tweeting from space? MBB

und dieser zurück zwitscherte:

@WilliamShatner Yes, Standard Orbit, Captain. And we're detecting signs of life on the surface.

Aber heißt dies im Umkehrschluss, dass die "Enterprise" und ihre Crew unsterblich sind und sich für jedes neue Spin-off des Franchise ein Publikum findet, das mit der gleichen Begeisterung dabei ist wie die Generation davor?

Das neue Jahrtausend sollte für Trekkies jedenfalls nicht gut anfangen: Im Herbst 2001 kam nach "Star Trek Voyager" und "Deep Space 9" mit "Enterprise" ein weiterer Spin-off ins Fernsehen. Diesmal war es jedoch ein Prequel. Die Vulkanier waren die Babysitter für die Bewohner der Erde und überwachten misstrauisch deren Vorstoß ins All. Der glatte, geschniegelte Look von Schiff und Mannschaft, der so typisch für das Star Trek-Universum war, war einem Schiff und einer Crew gewichen, die eher an einen Haufen abenteuerlustige Seefahrer erinnerte. Scott Bakula als Captain Archer brachte sogar seinen Hund an Bord. Und die berühmte oberste Direktive der Nichteinmischung - von Captain Kirk seinerzeit des Öfteren souverän ignoriert - existierte genauso wenig wie die Föderation der vereinigten Planeten.

Das neue Konzept stieß nicht auf die erwartete Begeisterung. Fans bemängelten Fehler in der Chronologie innerhalb des "Star Trek"-Universums und waren vom Design der neuen/alten Enterprise enttäuscht. Außerdem wurde die Serie zunehmend brutaler und widersprach so der eigentlichen "Star Trek"-Philosphie. Nach vier Staffeln wurde die Serie eingestellt.

William Shatner als Captain Kirk. Bild: NBC Television publicity release

Parallel dazu gab auch die Crew um Picard ihre Schlussvorstellung: 2002 kam mit "Star Trek: Nemesis" der zehnte Kinofilm in die Kinos, und die düstere Geschichte um einen bösen Zwilling Picards floppte gnadenlos und spielte gerade mal die Produktionskosten wieder ein. Das Ende einer Ära schien gekommen zu sein. Doch vierzig Jahre nach Beendigung der Original-Serie sollte der schneidige Captain Kirk wieder auferstehen.

Wie schon bei der Entwicklung von "Star Trek: Enterprise" geht es darum, neue Fans für das weltgrößte SF-Franchise zu generieren - ohne jedoch die alten Fans zu verprellen. Eine Gratwanderung, die bei dem TV-Prequel nicht funktionierte. Um Probleme mit der Zeitlinie zu vermeiden, wurde ein Paralleluniversum geschaffen, die Abenteuer von Kirk & Co setzte man quasi wieder auf Anfang.

Junger, frischer sollte es werden, und Christopher Pines Jim Kirk verfügt über die gleichen Qualitäten, die damals auch William Shatner hatte: eine gute Portion Wagemut, einen Schlag bei den Frauen und das gewisse Zwinkern im Auge. Mit einem Gastauftritt von Leonard Nimoy als greiser Spock gelang der Brückenschlag zu TOS (The Original Series). Mit J. J. Abrams ("Lost") wurde der Staub aus den alten Uniformen geschüttelt und das fast Unmögliche gelang: Die "Star Trek"-Saga erneuerte sich wie erhofft und spielte satte Gewinne ein.

Aber dann folgte - nichts. Vier lange Jahre herrschte Schweigen. Was war geschehen? Von anderweitigen Verpflichtungen der Beteiligten war zu lesen. Im Mai soll die "Enterprise" jetzt endgültig zum zwölften Mal über die Kinoleinwand fliegen. Gewinnspiele, Trailer, Premieren und noch mehr Gewinnspiele sollen die Fans heiß machen. Ob es auch diesmal klappt, den Erfolg des ersten Teil der neuen Reihe zu wiederholen, bleibt abzuwarten. Denn was sich nicht erneuerte, sind die recht einfach gestrickten Geschichten, die sich seit dem ersten Kinofilm immer wiederholen. Da gibt es meist den mental labilen Erzbösewicht, der mit dem jeweiligen Kapitän der "Enterprise" noch eine Rechnung offen hat - oder auch mit Spock, dazu die Superwaffe, die Bedrohung für die Föderation, die Erde, die Galaxie und so weiter und so fort. Ab und an wird die stolze "Enterprise" zu Schrott verabeitet.

Schwache Stories bei SF-Filmen sind immer mehr die Regel. Ganz grundsätzlich frage ich mich jedoch: Ist in diesem (Kino)-Universum überhaupt noch Platz für "Star Trek"? Wie passen Kirk & Co in eine Welt voll glitzernder Vampire? Gibt es überhaupt noch ein Zielpublikum für die großen Weltraum-Epen und wenn ja, wo sind die Geschichten, die begeistern, die im Gedächtnis bleiben und ein Eigenleben entwickeln?

John Carter - Zwischen zwei Welten. Bild: Walt Disney

John Carter hätte der erste Film einer neuen Weltraum-Saga werden können. Der auf der Pulp-Serie von R.R: Burroughs basierende Streifen hatte alle Zutaten: einen charismatischen, gebrochenen Helden, eine schöne, mutige Prinzessin, eine exotische Welt voll phantastischer Kreaturen. Doch "John Carter" wurde von einem Regisseur gemeuchelt, der noch nie mit echten Darstellern gearbeitet hatte und es nicht schaffte, Emotionen zu transportieren - ja, auch Weltraum-Epen brauchen Emotionen, und nicht das, was Disney darunter versteht. Auch wenn Hollywood die beiden großen Science-Fiction-Serien fortführen will (J. J. Abrams arbeitet ja bereits an einem neuen Star-Wars-Film), bleibt die Frage nach dem Publikum. In den vergangenen Jahren mutierte der Science-Fiction-Film immer mehr zur SciFi-Action, und die Star-Wars-Serie wurde zur bloßen Präsentationsplattform neuer Merchandising-Artikel. Die alten Fans ließ man zurück, weil sie nicht mehr zur Zielgruppe gehörten.

John Carter - Zwischen zwei Welten. Bild: Walt Disney

Früher waren die Fans die Eingeweihten, für sie wurden die Star-Trek-Kinofilme gemacht, quasi als Belohnung für treue Dienste. Und die Fans waren für die Produzenten eine sichere Bank, denn sie waren bereit, ein Ticket an der Kinokasse zu kaufen. Fans durfte man nicht enttäuschen, denn sie entschieden über Erfolg oder Misserfolg, wie man nur allzu deutlich bei "Star Trek: Nemesis" und dem TV-Prequel "Enterprise" sehen konnte. Aber gehen die Fans von gestern auch heute ins Kino, wollen sie denn Neuaufguss ihrer Ikonen von einst wirklich sehen? Und, noch viel wichtiger, wird es den Machern gelingen, die Begeisterung für diese fremden Welten auch auf die übernächste Generation zu übertragen?

Persönlich wünsche ich mir, dass die großen Weltraum-Epen zwischen Glitzervampiren, großfüßigen Zwergen und flachbrüstiger SciFi-Action eine Renaissance erleben - so viel ist mir jetzt klar geworden, nachdem ich eben eine kleine Zeitreise auf der Enterprise gemacht habe. Und eines weiß ich mit Sicherheit: Nicht einmal hundert Rennbesen Marke Nimbus 2000 wiegen einen schnittigen Millenium-Falken auf.

Myra Çakan ist Science-Fiction-Autorin. Ende 2011 erschien ihr Steampunk-Roman Dreimal Proxima Centauri und zurück. 2012 veröffentlichte sie die Kurzgeschichtensammlung Geschichten aus der Zukunft von Gestern, sowie einen Ratgeber für Self Publisher Mein Buch! Viele Tipps zum Schreiben und Veröffentlichen. Im Februar 2013 erschien ihre Sammlung Nachtbrenner als limitierte und signierte Sonderausgabe in der Edition Phantasia. Neben allen in c’t veröffentlichten Cyberpunk-Geschichten enthält sie noch weitere dystopische Short-Stories, teilweise als Erstveröffentlichung. Seit April ist sie Redakteurin und Mit-Herausgeberin eines Phantastik-eZines.

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