Woher sollen die strategischen Rohstoffe kommen, wenn nicht aus China?
Die Energiewende benötigt strategische Rohstoffe. China kontrolliert den Markt. Jetzt will die EU gegensteuern – doch woher sollen die Rohstoffe kommen?
Für die Energiewende hin zu mehr Erneuerbaren wurde die Stromerzeugung aus überschaubaren etwa 500 fossilen Kraftwerken auf mehrere Millionen dezentrale, kundennahe erneuerbare Stromquellen umgestellt. Für diese Umstellung wird eine große Menge an strategischen Rohstoffen benötigt, die bislang problemlos auf dem Weltmarkt zu beschaffen waren.
Inzwischen hat auch die US-amerikanische Rüstungsindustrie festgestellt, dass die Quelle der Mehrheit dieser Stoffe sich in China befindet, wo man nicht nur den Abbau dieser Stoffe, sondern auch ihre Verarbeitung seit Jahren forciert hat und inzwischen mehr als vier Fünftel des Marktes beherrscht. Chinesische Firmen, die Seltene Erden abbauen, schmelzen, trennen oder exportieren, sollen nach der aktuellen Gesetzgebung ein System zur Rückverfolgbarkeit aufbauen, damit der Staat die Lieferketten eindeutig verfolgen kann.
Was die EU als Lieferkettengesetz für die Beschaffung aufbaut, will China konsequenterweise als Nachweispflicht für die Verwendung seiner Rohstoffe etablieren. Neben Germanium und Gallium wird dies auch Neodym und Yttrium treffen. Mit seiner Marktmacht kann China die für die Energiewende benötigten strategischen Rohstoffe gezielt verknappen oder zwecks Preisreduktionen auf den Markt werfen.
Wer dies ändern will, muss sehr viel Geld in die Hand nehmen und damit rechnen, dass die chinesischen Anbieter sich das Geschäft nicht so einfach entreißen lassen. Daher ist im Zusammenhang mit der politisch angestrebten Entkoppelung vom chinesischen Markt mit ausgesprochen heftigen Turbulenzen zu rechnen, die nur mithilfe der öffentlichen Hand geglättet werden können. Alternative Quellen für Seltenen Erden sind Myanmar, Vietnam und Russland, die jedoch für die westlichen Staaten außerhalb der politisch gewünschten Herkunftsländer liegen.
Mehr heimische Rohstoffe für die Energiewende
Mit der am 23. Mai 2024 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2024/1252, kurz Critical Raw Materials Act, soll eine diversifizierte, sichere und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen für die Industrie der EU sichergestellt werden. Ein gesicherter Zugang zu kritischen Rohstoffen sei für strategische Sektoren wie saubere Technologien, die digitale Industrie, die Verteidigungs- sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie von entscheidender Bedeutung.
In der Verordnung werden Richtwerte für die Aufstockung der Kapazitäten in den Bereichen Abbau, Verarbeitung und Recycling kritischer Rohstoffe in der EU eingeführt, die auch als Leitlinie für Diversifizierungsbemühungen dienen.
Sie soll für die vereinfachte Genehmigungsbedingungen sorgen und will die nationalen Anforderungen für die Entwicklung von Explorationsprogrammen in Europa festlegen. Zudem soll der Kreislauf kritischer Rohstoffe und deren effiziente Nutzung durch die Schaffung von Wertschöpfungsketten für recycelte kritische Rohstoffe durch diese Verordnung verbessert werden.
Probleme bei der heimischen Beschaffung von kritischen Rohstoffen
Bislang ist weder der heimische Bergbau noch das Recycling dieser Rohstoffe in Europa wirtschaftlich darstellbar, weil die Beschaffung am globalen Markt deutlich preiswerter als die lokale Bereitstellung ist. Will man jetzt eine heimische Produktion forcieren, muss man entweder deutlich höhere Beschaffungskosten akzeptieren oder mit staatlichen Subventionen die anstehenden Preissprünge abfedern.
Seit der Westen einen sich zuspitzenden geopolitischen Systemwettbewerb mit China ausgerufen hat, das eines der wichtigsten Lieferländer für strategischen Rohstoffe ist, zeigt sich, dass das Reich der Mitte bereit ist, auf diese Herausforderungen zu reagieren und gerade im Bereich kritischer Rohstoffe Exportkontrollen durchzuführen, so zuletzt bei Gallium, Germanium und Graphit.
Was bislang fehlt, sind Finanzierungsinstrumente, welche alternative Beschaffungs- und Aufbereitungsmaßnahmen unterstützen. Die Bundesregierung wollte daher einen mit einer Milliarde Euro ausgestatteten staatlichen Rohstofffonds einrichten, der Investitionen unterstützen sollte.
Die Bundesregierung wollte sich über die Kreditanstalt für Wiederaufbau an langfristigen Projekten beteiligen, wenn die Abnehmer der Rohstoffe deutsche Unternehmen sind. Bisher hat man über das Instrument der sogenannten Ungebundenen Finanzkredite des Bundes nur mit Bürgschaften gearbeitet. Eine direkte Beteiligung des Staats sollte Vorhaben in größeren Dimensionen ermöglichen. Die Idee scheint jedoch aktuell am FDP-geführten Finanzministerium zu zerschellen.
Start-ups sollen kritische Rohstoffe sichern
Um unabhängiger von chinesischen Lieferungen zu werden, die für praktisch alle Anwendungen im Rahmen der politisch gewünschten Energiewende benötigt werden, kratzt man hierzulande alle denkbaren Alternativen zusammen und setzt in der Hauptsache auf die Ideen kleiner, agiler Start-ups, die jedoch oft mit den Einwänden von Anliegern zu kämpfen haben, die sich in ihrer Freiheit bedroht fühlen.
Zu den derzeit bevorzugten inländischen Quellen für strategische Rohstoffe zählen Flugaschen von Kohlekraftwerken, Abfälle der chemischen Industrie, alte Bergbaudeponien und Elektroschrott. Bei Lithium rückt die Nutzung thermaler Quellen im tektonisch aktiven Oberrheingraben zunehmend in den Fokus. Das australisch-deutsche Unternehmen Vulcan Energy ist schon einen Schritt weiter und hat im April die Produktion von Lithiumchlorid gestartet.
Das Recycling Seltener Erden scheitert in Europa meist nicht an der technischen Machbarkeit, sondern an der Verfügbarkeit der entsprechenden Rohstoffe, die vielfach exportiert werden, weil dort mehr Erlös zu erzielen ist als bei einer inländischen Aufarbeitung.