Wohin führt die "Freiwirtschaftslehre"?
Seite 3: Die FWL kritisiert nur den Zins, nicht aber andere Eigenschaften des Kapitalismus
- Wohin führt die "Freiwirtschaftslehre"?
- Die FWL stellt das Verhältnis zwischen Zins und Kapitalakkumulation auf den Kopf
- Die FWL kritisiert nur den Zins, nicht aber andere Eigenschaften des Kapitalismus
- Gesell ist ein fanatischer Befürworter von Konkurrenz und Wirtschaftswachstum
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Die Anwendung der FWL, die das Horten von Geld, das Nichtausgeben besteuern möchte, um es zu vermeiden, führt zu einer für die abhängig Beschäftigten problematischen Konsequenz:
Tag für Tag stünden die kleinen Leute vor Ultimo. Sie wären und blieben mittellos. Kaum könnten sie sich eine bessere Stellung suchen, weil sie über kein Erspartes verfügten, von dem während der Stellungssuche zu leben (sic.). Willenlos wären sie den Maßnahmen der Administration ausgeliefert.
Helms 1966, 448
Gesells patentrezeptliche Eingriffsnaivität, ein Moment aus einem komplexen Ganzen heraustrennen und letzteres damit ums Ganze reformieren zu wollen, scheitert an den Metamorphosen des bloß Verbotenen, aber nicht Überwundenen. Sie unterlaufen die freiwirtschaftliche "Lösung".
Wirtschaftssubjekte werden versuchen, der verlustbringenden Geldhaltung zu entgehen. Ob dies dann allerdings zu gesellschaftlicher Nachfrage, wie von Gesell erhofft, führt, ist eine gänzlich andere Sache. Vermögende, die gesellschaftlich abstrakten Reichtum in sicherer Form in die Zukunft transferieren wollen, werden sich durch Schwundgeld nicht zu Nachfrage oder gar Investition zwingen lassen. Es werden sich Geldsubstitute entwickeln, die von ausländischen Währungen über Edelmetalle bis zu "Betongold" und Grundstücken reichen. Das Schwundgeld mag dann zwar noch als Transaktionsmittel fungieren, alle wesentlichen Geldfunktionen - Geld als Wertaufbewahrungsmittel und als Inhalt von Schuldverträgen - werden jedoch auf andere Objekte übergehen. Als Anschauungsmaterial für solche Fälle können derzeit viele Entwicklungsländer mit hohen Inflationsraten dienen.
Herr 1986a, 122
Keynes wusste dies:
Wir können vom Gelde nicht einmal dadurch loskommen, dass wir das Gold und Silber und die gesetzlichen Zahlungsmittel abschaffen. Solange es irgendeinen dauerhaften Vermögensbestand gibt, wird er fähig sein, geldliche Eigenschaften zu besitzen und daher die kennzeichnende Probleme einer geldlichen Wirtschaft hervorrufen.
Keynes 1936, 248
Die FWL kritisiert den Zins, sie kritisiert aber nicht die anderen Momente des Kapitalismus:
- die Indifferenz bzw. den Gegensatz von Käufer und Produzent, Anbieter und Nachfrager bereits im Tausch,
- die Existenz des Warenpreises als eindimensionales und unterkomplexes Informationskonzentrat,
- die Konkurrenz als Sozialverhältnis,
- Mehrwert als Maßstab der Produktion.
Selbst ein mit der FWL sympathisierender Autor wie Senf kommt nicht umhin, zu bemerken:
Das bisherige einzelwirtschaftliche Rechnungswesen in marktwirtschaftlichen Systemen beinhaltet … unbewusst eine gigantische Bilanzfälschung, an der sich auch durch freiwirtschaftliche Reformen nicht automatisch etwas ändern würde.
Senf 2001, 195
Bei der Bestandserhaltung des Produktionsapparats, der Maschinen u. a. wird per Abschreibungen auf "Bestands- oder Substanzerhaltung" geachtet, nicht aber bei den nicht bepreisbaren natürlichen Lebensgrundlagen (Ebd., 196).