Zahltag für London? Karibik will Reparationen für Sklaverei

der britische Außenminister Lammy bei den Vereinten Nationen

Der britische Außenminister Lammy bei den Vereinten Nationen. Foto: lev radin, shutterstock

Debatte um koloniales Erbe: Commonwealth-Treffen in Samoa unter Spannung. Charles III. und Starmer droht Ungemach. Was steht auf dem Spiel?

Am 21. Oktober findet der Commonwealth-Gipfel in Samoa statt, einem unabhängigen Inselstaat im südwestlichen Pazifik nordöstlich von Fidschi. Hatten diese Treffen bisher vor allem protokollarischen Charakter, droht König Charles III. und Premierminister Sir Keir Starmer dieses Mal Ungemach: Eine Gruppe von 15 karibischen Regierungen hat beschlossen, das Thema Entschädigungen für Sklaverei auf die Tagesordnung des Treffens zu setzen, berichtet die britische Tageszeitung The Mail on Sunday.

Damit ist der Weg für massive Forderungen nach Reparationszahlungen für die Rolle Großbritanniens im Sklavenhandel frei. Entschädigungssummen in Höhe von 200 Milliarden Pfund (derzeit etwa 240 Milliarden Euro) stehen offenbar zur Debatte.

Reparation in Höhe von 240 Milliarden Euro?

Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, traf sich Anfang dieses Monats in London mit König Charles zu Gesprächen im Vorfeld des 56 Nationen umfassenden Commonwealth-Treffens. Mottley hatte zuvor bei den Vereinten Nationen gefordert, dass Reparationen für Sklaverei und Kolonialismus Teil eines neuen "globalen Neustarts" sein sollten.

Der Regierungschef hatte Charles dafür gelobt, dass er bereits früher schon erklärt hatte, die Zeit sei gekommen, über Sklaverei zu sprechen. Allerdings möchte sich der Buckingham-Palast nicht in die Karten schauen lassen und den Inhalt ihrer jüngsten, angeblich privaten Diskussionen nicht preisgeben.

Als Anlass für die Entwicklung gilt allgemein die Entscheidung der britischen Regierung, die Chagos-Inseln an Mauritius zu übergeben. Dies löste Befürchtungen über die Zukunft anderer britischen Territorien wie die Malwinen (Falklandinseln) und Gibraltar aus. Denn der britische Außenminister David Lammy, der selbst von versklavten Menschen abstammt, macht sich für weitere Schritte der Dekolonialisierung stark.

"Verdrehte Lügen des Imperialismus"

In diesem Zusammenhang hat Lammy etwa beschrieben, wie seine Vorfahren "die verdrehten Lügen des Imperialismus anhören mussten, während sie in Ketten aus ihren Häusern geraubt und zu Sklaven gemacht wurden".

Lammy hatte bereits früher betont, er würde "die Verantwortung, der erste Außenminister zu sein, der vom Sklavenhandel abstammt, unglaublich ernst nehmen". Und er hat vor vier Jahren auch die Demonstranten unterstützt, die die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol gestürzt und in den Hafen geworfen hatten.

Schätzungen der Reparationskosten für die britische Beteiligung an der Sklaverei reichen von 206 Milliarden bis zu der eindrucksvollen Summe von 19 Billionen Pfund. Die höhere Zahl wurde letztes Jahr von UN-Richter Patrick Robinson genannt, der sie auch noch als "Unterschätzung" des durch den Sklavenhandel verursachten Schadens bezeichnete.

Sklaverei rechtswidrig

Robinson sagte, er sei erstaunt, dass Länder, die an der Sklaverei beteiligt waren, glauben, sie könnten "den Kopf in den Sand stecken". "Wenn ein Staat eine rechtswidrige Handlung begangen hat, ist er verpflichtet, Reparationen zu zahlen", betont der Jurist.

Die Forderungen kommen inmitten anschwellender republikanischer Gefühle in der Karibik. Mottley hatte bereits 2021 Queen Elizabeth II. als Staatsoberhaupt von Barbados abgesetzt, und Jamaika hat angekündigt, die Monarchie bis nächstes Jahr abzuschaffen.

Und auch Keith Rowley, Premierminister von Trinidad und Tobago, macht sich für die Abschaffung der Sklaverei stark. Wenn man sich auf Samoa treffe, würden die karibischen Führer dem Commonwealth mit einer Stimme sehr nachdrücklich gegenübertreten, kündigte er an.

Republikanischer Geist des Wandels

Mottley hat Barbados, das von 1625 bis 1966 unter britischer Herrschaft stand, als "Heimat des modernen Rassismus" bezeichnet und erklärt, die Schuld des Vereinigten Königreichs gegenüber ihrem Land betrage 3,7 Billionen Pfund (4,44 Billionen Euro). Zum Vergleich: Für das Jahr 2023 wird das Bruttonationaleinkommen des Vereinigten Königreichs mit 2,575 Billionen Pfund veranschlagt.

Selbst ein winziger Bruchteil davon würde sich für Finanzministerin Rachel Reeves als verheerend erweisen, die Steuererhöhungen plant, um ein Loch von 22 Milliarden Pfund in den öffentlichen Finanzen zu stopfen. Downing Street betonte daher, dass die ganze Angelegenheit eine reine Spekulation sei.

Die Church of England hat die Zeichen der Zeit allerdings erkannt und schon letztes Jahr die Einrichtung eines Fonds von 100 Millionen Pfund für Reparationszahlungen angekündigt. Damit möchte man anerkennen, dass auch die Kirche einst vom Sklavenhandel profitierte. Man sucht noch Mitstreiter, um den Fond auf immerhin eine Milliarde Pfund (1,2 Milliarden Euro) aufstocken zu können.

Downing Street unnachgiebig

Im Commonwealth-Sekretariat versucht man die Wogen zu glätten und betont, dass die Staatsoberhäupter Herausforderungen und Bestrebungen bisher immer konstruktiv diskutiert hätten. Das britische Außenministerium verweigerte trotz des Engagements von Lammy eine Stellungnahme.

Die Forderungen nach Reparationen wurden von Downing Street mittlerweile abgewiesen, und selbst eine Entschuldigung kommt nicht infrage. Die Commonwealth-Staaten haben mit ihren Forderungen also noch einen sehr weiten Weg vor sich, wenn Entschädigungen denn überhaupt jemals Wirklichkeit werden. Ob der britische Außenminister daran etwas ändern kann?