"Zeig mir Deinen Ipod und ich sage Dir, was Du für einer bist!"
Musikalisches Datenleck im Weißen Haus: Amerika macht sich moralische Sorgen um die präsidiale Playlist des First Ipod
Musik ist Geschmackssache. Was für den einen das Höchste ist, ist für den anderen nur Gejaule, Gefiedel oder schlichtweg Krach. Singt man im Büro einen seiner Lieblingssongs, sorgt das deshalb nicht immer für gute Stimmung unter den Kollegen, zumal so auch noch der „nimm Dich vor mir in Acht, ich kann Karaoke!“-Effekt hinzukommt: Das japanische Freizeitvergnügen beschränkt sich in Deutschland üblicherweise auf die Badewanne oder eben auf Karaokebars, in denen dann der Sänger genug Promille intus hat, um sich zu trauen – und die Zuhörer genug Promille, um es zu ertragen…
Auch wer im Büro CDs laufen lässt, könnte sich durchaus ins Abseits stellen – die frühen Werke der Ärzte, von „Gwendolyne“ über „Claudia hat ’nen Schäferhund“ und „Tittenmaus“ bis zu „Geschwisterliebe“ in ausreichender Lautstärke abgespielt lassen beispielsweise mögliche Chancen auf den Chefposten ungemein sinken. Ein Radio wiederum führt zu Ärger mit der GEZ. Meist ist Musik im Büro deshalb kurzerhand verboten.
Zuhause ist es auch nicht immer möglich, beispielsweise weil die Kinder bereits fernsehen oder der Partner ausschließlich Klassik erträgt. Und das führt dann zu der schüchternsten Art, Musik zu konsumieren: per Kopfhörer auf dem Weg ins oder aus dem Büro. Das soll Sex zuverlässig verhindern – zumindest bekommt aber niemand mit, was man sich für Schweinkram reinzieht. Außer man ist zufällig Präsident der Vereinigten Staaten.
Oooh my little pretty one
When you gonna give me some time, Sharona?
Ooh you make my motor run, my motor run.
Gun it comin off the line Sharona
Never gonna stop, give it up
Such a dirty mind.
Always get it up for the touch
of the younger kind
The Knack My Sharona
Der bekam nämlich von seinen Töchtern letzten Juli zu seinem Geburtstag einen Ipod. Und von einigen Titeln, die George W. Bush höchstpersönlich auf seinem kleinen weißen Apple-MP3-Spieler hat, erfuhr jetzt die New York Times. Und nun ist das Land päpstlicher als der Papst – nein bushiger als der Präsident – und landauf landab herrscht Verwunderung und Empörung: „Negermusik! Schweinkram! Sexuell explizite Texte!“. Ja selbst der Spiegel schreibt entsetzt „Experten sprechen von einem schweinischen Geschmack“.
Neben Country findet sich im präsidialen portablen Musikcenter nämlich unter anderem Musik eines ehemaligen Alkoholikers, was als sehr passend angesehen wird, weil Bush ja dieselbe Karriere hinter sich hat, und der 79er-Hit „My Shirona“ von The Knack. Der gerade von Joe Levy vom Rolling Stone als „sexuell eindeutig“ eingestuft wurde.
And it's a teenage sadness
Everyone has got to taste.
An in-between age madness
That you know you can't erase
Til she's sitting on your face.
Good girls don't,
Good girls don't,
Good girls don't, but I do...
The Knack Good Girls dont
Was ein Glück, dass George W. Bush nicht andere Songs der Knack geladen hatte, wie den feuchten und oral endenden Teenagertraum Good Girls don't – oder gar Klassiker von Chuck Berry wie Maybellene, bei dem es nicht wirklich um ein Autorennen geht („And I caught Maybellene at the top of the hill“) oder gar My Ding A Ling. Die Erkenntnisse der Hobbypsychologen wären sicher vernichtend.
Once I was swimming cross Turtle creek
many snappers all around my feet
Sure was hard swimming cross that thing
with both hands holdin' my ding a ling
My ding a ling, your ding a ling
We saw you playin' with your ding a ling
My ding a ling everybody sing
I want to play with my ding a ling
Chuck Berry My ding a ling
Und da hilft auch die ebenfalls missverständliche Aussage von Mark McKinnon, Medienberater des Präsidenten nicht wirklich weiter: It’s music to get over the next hill. Der Präsident ist einfach nicht der Saubermann, den er für die religiösen Rechten, seine stärkste Wählergruppe, darstellt. Er hört nicht Vivaldi und Chopin, sondern ist ein ganz normaler Mensch. Sowas aber auch.
Wer nicht ebenso wie Mr. Bush den Hobbypsychologen anheim fallen will, sollte sich allerdings überlegen, ob er wirklich bei Amazon oder Itunes seine Lieblingsmusiklisten hinterlegen oder Dienste wie Last.fm nutzen will. Ein, zwei falsche Titel – und ein zukünftiger Arbeitgeber könnte Homosexualität oder Drogenkonsum vermuten.
Allerdings ist Apple an dem musikalischen Bush-Outing unschuldig: „Wir machen nie VIPs publik, auch nicht, wenn sie uns Händler melden“, versichert Georg Albrecht von Apple Deutschland Telepolis, „und was jemand bei Itunes gekauft hat, würde Apple schon aus Datenschutzgründen niemals verraten“. Frank Limbacher von Apple vermutet eher eine gezielte PR-Indiskretion aus dem Weißen Haus, durch die die Bush-Playlist in die New York Times geriet.
Bei intensiven Recherchen fand Telepolis nun allerdings doch noch eine Playlist auf Itunes, die schwer nach George W. Bush riecht und unter anderem folgende Titel enthält:
Bruce Springsteen Chimes of Freedom
Bob Dylan With God on our side
Zack de la Rocha We want it all
System of a down Boom!
Nancy Griffith Good night New York
Pearl Jam Masters of War
Jeff Buckley Halleluhjah
Paul Simon American tune
Amerikanische Itunes Celebrity Playlist
Nur The Clash – Know your rights, Steve Earl – The revolution starts und vor allem John Foggerty – Fortunate son passen nicht so ganz ins Bild, obwohl George W. Bush durchaus John Foggerty hört. Aber nicht dieses Lied – weil es über ihn geschrieben sein könnte.
Some folks are born made to wave the flag,
ooh, they're red, white and blue.
And when the band plays "Hail To The Chief",
oh, they point the cannon at you, Lord.
It ain't me, it ain't me,
I ain't no senator's son,
It ain't me, it ain't me,
I ain't no fortunate one, no.
Some folks are born silver spoon in hand,
Lord, don't they help themselves, oh.
But when the taxman come to the door,
Lord, the house look a like a rummage sale, yes.
It ain't me, it ain't me,
I ain't no millionaire's son.
It ain't me, it ain't me,
I ain't no fortunate one, no.
John Foggerty Fortunate son