Zeitenwende: Jetzt greift die Bundeswehr nach zivilen Funk-Frequenzen
Kriegsfähigkeit: Armee beansprucht knappe Funkfrequenzen. Terrestrisches Fernsehen und Mobilfunk sollen weichen. Kommt die Kriegswirtschaft im Äther?
Die anstehenden militärischen Auseinandersetzungen mit der feindlichen Welt außerhalb der Nato werfen ihre Schatten voraus. Und so wird die Gelegenheit genutzt, einen seit Längerem bestehenden Streit um die Kommerzialisierung von Funkfrequenzen neu aufzulegen.
So besteht beispielsweise seit geraumer Zeit die Absicht, Kulturfrequenzen zwischen 470 und 694 MHz, die bislang vom terrestrischen Fernsehen sowie von drahtlosen Mikrofonen in Theatern, Konzerthallen oder bei Filmproduktionen genutzt werden, schon bald für andere Zwecke zu nutzen, denn diese Frequenzzuteilungen sind bis zum 31. Dezember 2030 befristet.
Wollten sich bislang vorwiegend Mobilfunkbetreiber diese Frequenzen im sogenannten TV-UHF-Band sichern und die bisherigen Nutzer wie DVB-T2-Fernsehen auf die mit Zusatzkosten verknüpften Medien, Kabel oder Satellitenfunk verweisen und Bühnenproduktionen wieder auf verkabelte Mikrofone zurückzuwerfen, kommen inzwischen neue Player ins Spiel, welche die Macht zu haben scheinen, sich das begehrte Frequenzspektrum unter den Nagel zu reißen.
Diese Sicherheitsbehörden bestimmen
Hierzu zählen in der Bundesrepublik die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie die Bundeswehr.
So streben die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) und die National Radio Frequency Agency – Germany (NARFA DEU), die in Deutschland für die militärische Frequenzverwaltung zuständig ist, nach einer Neuaufteilung der physikalisch begrenzten Funkfrequenzen zugunsten von Behörden und Militär.
Das Nato-Frequenzband
Das Nato-Frequenzband zwischen 225 und 400 MHz lässt schon aus rein physikalischen Gründen keine weitere Entwicklung zu. Dabei wird der Bedarf an Funkfrequenzen in Zeiten der Digitalisierung der Aufrüstung deutlich größer werden und weitere bislang zivil genutzte Frequenzen vom Markt verdrängen.
Mit dem Nato-Frequenzband scheinen aus militärischer Sicht schon heute größere Übungen, welche einen potenziellen Gegner sicher abschrecken könnten, nicht mehr möglich. Die Übereignung des jetzt noch zivil genutzte Bereichs im TV-UHF-Band auf eine militärische Nutzung könnte hier eine erhebliche Entlastung bewirken.
Um für eine befürchtete militärische Auseinandersetzung im Interesse der Demokratieerhaltung in Deutschland gerüstet zu sein, erscheint den militärischen Argumenten zufolge eine dauerhafte und damit unbefristete Nutzung von Funkgeräten auch im Grundbetrieb mit der vollumfänglichen Bandbreite der bislang zivil genutzten Frequenzen für militärische Funkanwendungen unbedingt erforderlich.
Die aktuelle geopolitische Lage scheint für das Abschalten der zivilen Frequenznutzungen günstig zu sein, weil man die Abschaltung der Kulturfrequenzen jetzt vergleichsweise einfach mit der imaginierten Bedrohungslage begründen könnte.
Kultur zieht im Wettbewerb mit der propagierten Kriegsfähigkeit meist den Kürzeren. Auch die Informationsmöglichkeiten scheinen inzwischen weniger Bedeutung zu haben als eine durchschlagende Kriegsfähigkeit.
Die Umsetzung der neuen Frequenznutzung soll unmittelbar erfolgen
Als unvermeidbarer, dauerhafter Frequenzbedarf der Bundeswehr im Bereich 470 – 694 MHz, dem TV-UHF-Band, gilt ein aus Sicht des Militärs bedarfsgerechtes Frequenzspektrum von nicht weniger als fünf Funkkanälen mit einer Bandbreite von jeweils 8 MHz. Diese müssten für die militärische Nutzung dauerhaft zur Verfügung gestellt und somit einer zivilen Nutzung konsequent entzogen werden.
Aus militärischer Sicht scheint bei der Umwidmung der Frequenzen aufgrund der gefühlten Bedrohung durch Gegner der Nato Eile geboten.
Während der Bundesnetzagentur im zivilen Bereich die Frequenzzuteilung obliegt, soll bei der militärischen Frequenzsicherung anders vorgegangen werden. Hier soll der militärische Bedarf der Bundesnetzagentur lediglich vorab mitgeteilt werden.
Der Bundesnetzagentur bliebe dann nur die Leitung einer gemeinsamen Untersuchung mit Rundfunk, Kulturbereich und Bundeswehr, um eine mögliche Neuverteilung von Frequenzbereichen zu identifizieren.
Betrachtet man die militärischen Anforderungen im Lichte der Physik, gibt es da nur wenig Verhandlungsspielraum. So sollen die Nutzungsbandbreiten der militärischen Funkgeräte zwischen 1,4 und 5 MHz betragen und damit ergäbe sich schon ein Schutzabstand von 1,5 MHz zu den jeweils benachbarten Kanälen.
Im Detail berichtete Henning Gajek über die Frequenzinteressen des Militärs in Teltarif am 15.07.2024:
Die Funkkanäle sollten über den Frequenzbereich des TV-UHF-Bandes verteilt sein. Die Bundeswehr betrachte das TV-UHF-Band in drei Frequenzbereichen, nämlich:
470-510 MHz: Hier seien mindestens zwei Rundfunkkanäle zur o.g. Entlastung des Truppen- und Soldatenfunks erforderlich.
510-608 MHz: Hier seien mindestens ein Rundfunkkanal für die Vernetzung Rückwärtiger Dienste (Gefechtsstände) erforderlich.
614-694 MHz: Hier seien mindestens zwei Rundfunkkanäle im standardisierten (3GPP n71) Frequenzbereich zur Vernetzung von taktischen Einheiten wie Fahrzeugen erforderlich.
Auf Truppenübungsplätzen sowie zeitlich befristet bei militärischen Übungen soll darüber hinaus ein ergänzender Frequenzbedarf bestehen. Diese Frequenzen würden einer zivilen Nutzung dann nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen.
Während man sich mit diesen militärischen Absichten im Kulturbereich für die hauptsächlich lokale Nutzung von Funkmikrofonen arrangieren könnte, wäre die Frequenznutzung für die Reste des unter DVB-T2 angesiedelten terrestrischen Fernsehens nicht mehr möglich, weil es wohl nicht vermittelbar wäre, während militärischer Übungen auf den TV-Empfang zu verzichten. Die Militarisierung strebt somit auch im Äther nach neuen Ufern.