Ziercke wollte angeblich Persönlichkeitsrechte schützen

Der BKA-Präsident erklärt dem Bundestags-Innenausschuss, warum er einen Kinderpornographiekonsumenten unter seinen Beamten verschwieg

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Heute ließ sich der Bundestags-Innenausschuss von vier Beteiligten zur Affäre Edathy "unterrichten": dem Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig, dem Hannoveraner Oberstaatsanwalt Jörg Fröhlich, der niedersachsischen Justizministerin Antje Niewisch Lennartz (Grüne) und dem BKA-Präsidenten Jörg Ziercke (SPD). Mit der größten Spannung erwartet wurde dabei die Aussage von Ziercke, der bereits zum dritten Mal dort antreten musste.

Dass Ziercke so sehr im Fokus steht, liegt unter anderem daran, dass das SPD-Mitglied unlängst den von ihm erweckten Eindruck korrigieren musste, seine Behörde habe erst im Juni 2012 mit dem Abarbeiten der 2011 aus Kanada gelieferten Kinderpornographiehändler-Kundeninformationen bekonnen, in denen der Name des SPD-Politikers Sebastian Edathy steht. Dazu sah sich Ziercke genötigt, nachdem bekannt wurde, dass der Name eines BKA-Mitarbeiter, der sich ebenfalls auf dieser Kundenliste findet, bereits Anfang 2012 der Staatsanwaltschaft Mainz mitgeteilt wurde.

Der aktuell gegenüber der Öffentlichkeit vertretenen Version der Geschichte nach führte das BKA - anders als vorher von Ziercke suggeriert - bereits im Januar 2012 eine "Grobsichtung" der aus Kanada gelieferten Daten durch. Dabei sei niemandem der Name Edathy aufgefallen, weil der Abgeordnete erst Ende Januar 2012 den Vorsitz des NSU-Unterschuchungsausschusses übernahm.

Ziercke erklärte das Verschweigen dieser Merkwürdigkeit bei den ersten Anhörungen mit einem Hinweis auf die Persönlichkeitsreche des 2013 in den vorzeitigen Ruhestand geschickten pädophilen Beamten, die er angeblich schützen wollte. Das stellte die anwesenden Politiker offenbar so weit zufrieden, dass sie keine Rücktrittsforderungen mehr erhoben. Stephan Mayer von der CSU teilte mit, er glaube nicht, dass das Bundeskriminalamt Ermittlungen absichtlich verzögerte. Die SPD-Abgeordnete Eva Högl meinte sogar, ihr Parteigenosse Ziercke habe nun alle Vorwürfe gegen ihn "vollumfänglich ausgeräumt".

Außerhalb des Bundestags-Innenausschusses gibt es dagegen weiterhin Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Darstellung Zierckes - und vor allem daran, dass niemandem im BKA auffiel, dass Edathy auf der Kundenliste steht. Diese Zweifel nähren sich unter anderem daraus, dass der Name Edathy extrem selten ist. Außerdem sorgte der Abgeordnete bereits vor 2012 durch Bemerkungen wie der, er halte die Vorratsdatenspeicherung für notwendig, weil er wissen wolle, wer ihm unbestellt eine Plastikvagina zuschickte, für Schlagzeilen. Auch seine Forderung, dass Buchhändler neben der gesetzlichen eine zweite private Zensur einführen sollten, erregte ebenso wie seine Beschimpfung eines Facebook-Nutzers, der ihn auf Urheberrechtsverletzungen auf seiner Facebook-Seite aufmerksam machte, großes Aufsehen.

Edathy war darüber hinaus von 2005 bis 2009 Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, der damals über zahlreiche sicherheitspolitische Instrumente debattierte, die das Bundeskriminalamt forderte. Vor einigen Tagen kam zudem heraus, dass er in dieser Funktion dem BKA am 18. Mai 2007 einen Besuch abstattete. Fragen dazu, wen er bei diesem Besuch begegnete, werden vom Bundeskriminalamt nicht beantwortet. So bleibt unklar, ob der Direktor der BKA-Abteilung SO 12, die die Kinderpornographiefälle bearbeitete, Edathy schon vor dem Mai 2012 kannte, als er in seiner Funktion als ehemaliger Leiter der BKA-Ermittlungsgruppe Ceska vor dem NSU-Untersuchungsausschuss befragt wurde.

Edathy selbst hat inzwischen angekündigt, ein Buch zu schreiben, in dem er die Affäre aus seiner Sicht schildert. Die wahrscheinlich nicht unbeträchtlichen Einkünfte daraus könnte er behalten, wenn ihm nicht doch noch Erwerb oder Besitz strafbaren Materials nachgewiesen werden. Und wenn sich der Deutsche Buchhandel nicht doch noch entschließt, Edathys Forderung von vor fünf Jahren nachzugeben, und einen "ethischen Kodex" einzuführen, der über die Vertriebseinschränkungen der Justiz und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hinausgeht.

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