Zirkus Sarkozy

Zum 1.Mai erklärt der französische Staatspräsident noch einmal "wahre Werte". Doch im Hintergrund gibt es eine neue Affäre. Dabei geht es um 50 Millionen Euro Wahlkampfgeld von Gaddafi

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Heute, zum 1. Mai, greift Nicolas Sarkozy am Place du Trocadéro in Paris noch einmal voll in die Tasten, unterkomplex, hochtourig und theatralisch: "Ich werde Zehntausende von Franzosen versammeln. Ich werde ihnen von der Arbeit erzählen. Ich werde ihnen auch von einer Sache erzählen, die mir sehr am Herzen liegt, die Familie und das Erbe, das sie ihren Kindern hinterlassen wollen", so seine Ankündigung.

Allein dass Sarkozy seinen "eigenen 1.Mai" veranstaltet, wie übrigens auch Marine Le Pen unter dem Jeanne d'Arc-Motto, und den Feiertag mit dem Begriff wahre Arbeit besetzen wollte (er hat das Adjektiv dann später zurückgezogen, empört die französischen Gewerkschaften, die auf dunkle Zeiten in der Geschichte Frankreichs verweisen. Zum Beispiel auf die anti-gewerkschaftliche Aneignung des 1. Mai durch Pétain, der übrigens auch von "wahrer Arbeit" sprach.

"Gewerkschaften sind unnötig"

Dass Sarkozy, der im Wahlkampfschauspiel immer härtere Töne anschlägt, sich generell gegen die Existenz von Gewerkschaften aussprach - solche Vermittler ("intermédiaires") seien unnötig - , wird von den Gewerkschaften mit Entsetzen kommentiert. Kein Wunder, dass sich Teile der Gewerkschaften nun dezidiert hinter Hollande stellen. Ein Wunder, dass andere daran festhalten, keine Wahlempfehlung auszusprechen (wahrscheinlich ist die angesichts der scharfen anti-gewerkschaftlichen Aussagen Sarkozys auch nicht mehr nötig). Man wolle nicht, so die Begründung dieser Gewerkschaften, dass man es nach dem 6.Mai möglicherweise doch mit einem gewählten Staatsoberhaupt zu tun habe, gegen den man sich deutlich ausgesprochen hat.

Aktuell hat sich der Abstand zwischen dem führenden Hollande und Sarkozy in Umfragen verringert. Zwar liegt Hollande mit 53 Prozent noch immer um 6 Prozentpunkte vor Sarkozy, aber der konnte in der vergangenen Woche zulegen - wenn auch nur um einen Punkt -, während Favorit Hollande genauso viel verlor. Sarkozy wertet das optimistisch; auf eine unglaubliche, schauspielerhafte Art bemüht er sich um die Stimmen aus dem Lager der Le Pen-Wähler und der Mitte-Wähler (Bayrou), wobei sein Kurs eine ausgeprägte Rechtsdrift hat. Er biedert sich bei den Wählern des Front National geradezu an, mit einer Kommunikation, die als "unterkomplex" noch schmeichelhaft bezeichnet sind.

Wir verstehen, dass wir uns anstrengen müssen, aber dafür wollen wir im Gegenzug unsere Werte behalten, unsere Bräuche, unsere Kultur, unsere Landschaften, unser Klima, unsere Gewohnheiten, unsere Art zu leben, unser Stolz, Franzosen zu sein.

In seinem neuesten Wahlclip verspricht Sarkozy, dass er die Einwanderung in seiner nächsten Amtszeit halbieren wird, auch der Ausstieg aus dem Schengener Abkommen wird stets angekündigt. Das große Thema, das sich Sarkozy fürs Finale des Wahlkampfes ausgesucht hat, sind Grenzen. Frankreich braucht neue Grenzen, äußerlich wie innerlich. Man müsse sich auf seine Werte besinnen und Grenzlinien ziehen. Dass er mit diesem Grenz-Kurs, den ihm sein Berater Patrick Buisson nahegelegt hat, Wählerstimmen aus dem FN-Lager gewinnen will, ist offensichtlich. Doch bleibt die Frage, ob die FN-Wähler dieses Rollenspiel bei der Stichwahl würdigen. Sarkozy wird dadurch den Ruf nicht los, dass er auf der anderen Seite steht, auf der Seite der Elite, des Geldes.

Börsen halten zu Sarkozy

Dazu passt das Verhalten der Börsen nach dem ersten Wahlgang, die eindeutig signalisierten, auf welcher Seite sie stehen - und im weiteren Sinne auch die Affäre um die angebliche 50 Millionen-Euro-Wahlkampfhilfe im Jahr 2007 durch Gaddafi. Ein Geheimdienst-Dokument, dass die Internetpublikation Mediapart am vergangenen Wochenende veröffentlichte, soll beweisen, dass es diesen Deal gab.

Der Gaddafi-Deal

Allerdings bestreiten angebliche Mitwirkende des Deals, darunter Moussa Koussa, die Echtheit des Dokuments; ein anderer Geschäftsmann, verwickelt auch in andere obskure Geschäfte, dagegen halten das Dokument für authentisch. Ob das Geld jemals ausgezahlt wurde, geht daraus nicht hervor. Ein Gericht soll das nun klären, nachdem Sarkozy Klage gegen die Anschuldigen eingereicht hat - auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal dieses Präsidenten: Kein anderer strengte so viele Klagen gegen Medien an. Mediapart gibt sich einer genaueren Untersuichung gegenüber gelassen. Man habe mehr in der Hinterhand und monatelang gut recherchiert.

Die Zeitungen, außer der konservative Figaro, haben übrigens von Sarkozy eher profitiert. Der Zampano-Präsident ließ die Auflagen vor allem der Zeitungen links von der Mitte steigen.