Zu Gast bei den "Blutaktionären"
Seite 2: Der offizielle Geschäftsbericht 2012
- Zu Gast bei den "Blutaktionären"
- Der offizielle Geschäftsbericht 2012
- Fragen und Kritik aus der Friedensbewegung
- Antworten des Vorstandes
- Bilanz
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Seit dem 1. Januar 2013 ist Armin Papperger der neue Vorstandvorsitzende des Konzern, und so war es sein Privileg, den Aktionären den offiziellen Geschäftsbericht für das Jahr 2012, in dem noch sein Amtsvorgänger Klaus Eberhardt den Vorsitz innehatte, vorzutragen.
Zu Beginn seines Redebeitrags philosophierte Papperger darüber, dass Sicherheit ein "Grundbedürfnis aller Menschen" und die "Grundlage für Wohlstand und Stabilität in Krisengebieten" sei. Stolz konnte der Vorstandsvorsitzende verkünden, dass der Konzern seinen Umsatz von 4.454 (2011) auf 4.704 Millionen Euro (2012) steigern konnte. Zwar fiel die Rendite von 7,9 auf 6,4 Prozent, dennoch erhalten die Aktionäre mit 1,80 Euro pro Aktie auch in diesem Jahr die gleiche Dividende wie im Jahr zuvor. Dabei wird die Aktie z. Zt. an der Börse mit rund 38 Euro gehandelt.
Die Belegschaft blieb mit 21.767 Mitarbeitern, darunter rund 3.000 Ingenieure, nahezu unverändert. Davon arbeiten heutzutage nur noch 50 Prozent in der BRD. Dass der Rest im Ausland (Europa 16%, USA 6%, Südamerika 10%, Asien 5%, etc.) aktiv ist, ist ein klarer Indikator für die weltweiten Geschäfte des Konzern. Für Restrukturierungsmaßnahmen wurden im vergangenen Jahr 20 Mio. Euro investiert.
Allein auf den Rüstungsbereich entfiel 2012 ein Umsatz von 2.335 Mio. Euro (2011: 2.141 Mio. Euro). Außerdem verzeichnete man einen Auftragseingang mit einem Gesamtvolumen von 4.987 Mio. Euro, der in den nächsten Jahren abgearbeitet werden muss. Dabei zeigt sich, dass die Geschäftanteile im Inland und in Europa im Vergleich zum Vorjahr weiter rückläufig waren. Das Ende des Kalten Krieges und die Euro-Krise fordern ihren Tribut. Experten sprechen diesbezüglich vom "Defence Budget Cut". Demgegenüber nahmen die Rüstungsexporte in Staaten der "Dritten Welt" noch zu. Besonders Asien gilt auch zukünftig als "Wachstumsmarkt" für Waffengeschäfte, verkündete Papperger. Die Vergleichzahlen für 2012/2011 im Einzelnen:
- BRD: 24 % statt 28 %
- Europa: 22 % statt 30 %
- Asien: 27 % statt 14 %
- RoW: 27 % statt 28 %
Die vier größten Waffendeals 2012 waren die Lieferung von Militär-Lkw nach Südostasien (114 Mio. Euro), Waffenstationen für die USA (100 Mio.), Luftverteidigungssysteme für Brasilien (38 Mio.) und die Lieferung einer Fabrik zur Produktion von "Fuchs"-Transportpanzern nach Algerien (35 Mio.). In diesem Zusammenhang gab Papperger bekannt, dass 200 Arbeiter aus Algerien im Werk in Kassel ausgebildet werden (sollen).
Außerdem zeichnete der Vorstandsvorsitzende eine schönes Bild der Zukunft: Man müsse zwar von einem veränderten Marktumfeld ausgehen, werde aber an den beiden Säulen "Defence" und "Automotive" festhalten und bliebe ein "weltweit führender Anbieter". Gerade im Rüstungsbereich bestehe eine "exzellente Ausgangslage", man verfüge über ein "weltweites Kundennetz" in achtzig Staaten der Erde und sei ein "führendes europäisches Systemhaus für Heerestechnik". Im Rüstungsbereich rechne man mit einem "leichten Wachstum" aber "weniger Dynamik".
Im Rahmen der so genannten "Strategie 2015" setze man auf drei Prioritäten:
- Internationalisierung (Ausbau des außereuropäischen Geschäfts)
- Wachstum und Innovation (Investitionen in Höhe von 60 bis 80 Mio. Euro)
- Kosteneffizienz (Restrukturierungsmaßnahmen)
Die Kosten für die internen Restrukturierungsmaßnahmen belaufen sich im laufenden Jahr auf 40 bis 50 Mio. Euro. So müssten bei den Kettenfahrzeugen und den Luftverteidigungssystemen Kapazitätsanpassungen durchgeführt und die Standortstruktur optimiert werden. Dadurch werden in Kiel 90 und in Kassel 60 Arbeitsplätze wegfallen.
Bei den Waffenverkäufen favorisiere man "Systemgeschäfte": Wenn man einem Kunden ein ganzes Waffensystem verkaufen kann, fallen anschließend noch weitere "Folgegeschäfte" durch die Lieferung von weiteren "Komponenten" oder "Dienstleistungen" an. Außerdem würde man durch diese Kundenbindung unabhängiger von Konjunkturschwankungen. In diesem Zusammenhang strebt man einen "Ausbau von System- und Servicegeschäft" an.
Außerdem setzt der Konzern auf die "Hub-Strategie": Man verkauft nicht nur ein Waffensystem an ein anderes Land, sondern strebe die "Übernahme eines lokalen Anbieters" an. Dadurch würde sich die "lokale Wertschöpfung erhöhen", man hätte ein bessere "Vertriebsunterstützung" und könne leichter "in Nachbarländer expandieren". So dienten Waffengeschäfte mit der Südafrikanischen Republik zugleich als Brückenkopf für Rüstungsverkäufe nach Südamerika.
Die Manager von Rheinmetall erwarten, dass sich der gegenwärtige Trend fortsetzt und sich die Militärhaushalte weltweit regional sehr unterschiedlich entwickeln werden: USA minus, Europa minus, RoW (Rest of the World) plus! So würde sich der Anteil der Rüstungsgeschäfte außerhalb BRD/Europa von jetzt 36 % auf 50 % im Jahr 2015 steigern!
Trotz dieser – aus Sicht der Rüstungsaktionäre - "positiven" Selbstdarstellung überraschte Papperger zum Schluss seines Geschäftsberichts die Aktionäre mit schlechten Informationen: Für das erste Quartal 2013 rechnet man im Rüstungsbereich mit einem Minus von 44 Mio. Euro. So sei ein Munitionsauftrag für die USA ausgelaufen. Für das laufende Jahr erwartet man mit einem Rüstungsumsatz von 2,3 Mrd. Euro, also einem leichten Rückgang gegenüber 2012. Dennoch tröstete Papperger: "2013 ist ein Übergangsjahr. 2015 wollen wir einen Umsatz von über 5 Mrd. Euro bei deutlich verbesserter Profitabilität erzielen."
Im schriftlich vorgelegten "Einzelabschluss 2012" heißt es zu den aktuellen Risiken nur ganz allgemein:
Zu den potenziellen Risiken der Gesellschaften des Rheinmetall-Konzerns zählen einerseits nicht beeinflussbare Faktoren wie die nationale und internationale Konjunktur und die allgemeine Wirtschaftslage sowie andererseits unmittelbar beeinflussbare, zumeist operative Risiken, die durch das implementierte Risikomanagementsystem frühzeitig analysiert und für die, falls notwendig, Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Die genannten Gefährdungen sind nicht notwendigerweise die einzigen Risiken, denen der Rheinmetall-Konzern ausgesetzt ist. Risiken, die bisher noch nicht bekannt sind oder jetzt noch als unwesentlich eingeschätzt werden, können sich bei veränderter Sachlage konkretisieren, die Geschäftsaktivitäten beeinträchtigen und sich nachteilig auf die Vermögens, Finanz- und Ertragslage auswirken.
Kritik der Aktionäre
Nach dem offiziellen Geschäftsbericht folgte die Aussprache. Zunächst hatte Marc Tümmler von der "Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz" (DSW) seinen obligatorischen Auftritt. Sein Auftreten war sehr "smart", um es höflich auszudrücken. Er warf Papperger vor, sein Vortrag sei eine Ansammlung von Plattitüden, die die wirkliche Lage nur verschleiern würden. Trotz des Hinweises auf "prall gefüllte Auftragsbücher" habe sich das "Ergebnis halbiert". Da es mit dem geplanten Börsengang der "Automotive"-Sparte nicht geklappt hatte, worüber sich Papperger völlig ausgeschwiegen habe, stelle sich die Frage, ob nun nicht frisches Kapital für weitere Investitionen fehlen würde. Es sei fraglich, ob die eingeleiteten Maßnahmen schon 2014 Wirkung zeigen würden oder erst 2015. Dies würde die notwendige "Geduld der Aktionäre" strapazieren.
Lars Labriga von der "Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger" (SdK) schlug in die gleiche Kerbe: Auch er warf Papperger vor, sein Vortrag sei eine Ansammlung von Plattitüden aus dem BWL-Studium, dem die aussagekräftigen "Kenngrößen" fehlen würden. Das Jahr 2013 werde wohl ein "Jahr des Übergangs mit Hängebrücke" werden, ein "annus horribilis". Papperger habe die Aufmerksamkeit auf die Perspektive 2015 gelenkt, weil 2013 "schrecklich wird". Die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen in Höhe von bis zu 50 Mio. Euro seien nicht gerade klein, zudem stelle sich die Frage, wann diese Maßnahmen "etwas bringen werden".
Mit Daniel Meier oder Maier meldete sich auch ein Rheinmetall-Mitarbeiter aus dem Erprobungszentrum in Unterlüß (Niedersachsen) zu Wort. Er beklagte, dass für das Jahr 2012 nur noch eine Prämie in Höhe von 129 Euro ausgezahlt würde, während ein Jahr zuvor noch über 1.000 Euro ausgeschüttet worden waren. Außerdem würden durch die Einsparungen das betriebseigene Sommerfest und Jubiläumsfahrten ausfallen. Am Rande verriet er dem Auditorium, dass auf einer internen Betriebsversammlung eine Woche zuvor ein weit düsteres Bild von der Geschäftslage geschildert worden wäre, als hier auf der öffentlichen Aktionärsversammlung.