Zu Gast bei den "Blutaktionären"

Seite 5: Bilanz

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Durch das Ende des Kalten Krieges und die Euro-Krise ist die europäische Rüstungsindustrie in Schwierigkeiten geraten. Der militärische Interventionismus der letzten Jahre konnte nur vorrübergehend einen zusätzlichen Absatzmarkt kreiren, aber nach den militärpolitischen Fiaskos der Interventionen in Libyen, Irak und Afghanistan dürfte sich der Bellizismus erst einmal erschöpft haben - mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Beschaffungspolitik der Bundeswehr. Dies wollen die Rüstungskonzerne nun durch erhöhte Rüstungsexporte in Schwellenländer kompensieren, was die Friedensbewegung zu recht alarmiert.

Auch Rheinmetall ist offensichtlich von der Absatzkrise betroffen, obwohl der tatsächliche Umfang der Firmenprobleme auch durch die Hauptversammlung nicht wirklich erkennbar wurde. Immerhin gaben die Konzernbosse ein paar Informationshäppchen preis, obwohl sie sich mit ausweichenden Antworten – wie üblich – hinter ihren Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verschanzten.

Bei der diesjährigen Aktionärsversammlung fiel die Kritik an den Waffendeals noch heftiger aus als in den vorangegangenen Jahren. Der Vorstand bekam es diesmal mit Kritik von verschiedenen Seiten zu tun und jede hatte seine eigene Stoßrichtung: Mal ging es um die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung, mal um drohende Kampfeinsätze, mal standen militär-technische Fragen im Vordergrund. Sicherlich lassen sich alte Rüstungsmanager aus Düsseldorf nicht durch ein paar Wortbeiträge von Rüstungsgegnern beeindrucken, aber andererseits muss man sich in der Marmorwelt einer Vorstandsetage oder dem mondänen Villenviertel von Düsseldorf-Meerbusch nur selten eine solch massive und eloquent vorgetragene Kritik anhören.

Ein Rüstungskonzern ist keine Komfortzone: Zu den Krisenerscheinungen im eigenen Konzern kommt nun eine massive Rüstungskritik von außen, die noch über Jahre andauern wird. Auf der Hauptversammlung konnte man den Eindruck gewinnen, dass den Rüstungsmanagern mittlerweile schwant, dass in den nächsten Jahres noch einige politische Auseinandersetzungen auf sie zukommen werden, auf die sie heute noch gar nicht eingestimmt sind. Hier traf Peter Grottian mit seiner Fundamentalkritik ins Schwarze.

Jedenfalls wissen auch die Rüstungsmanager, dass sie das Beharrungsvermögen der Friedensbewegten nicht unterschätzen dürfen. Das haben die Beiträge der Kritischen Aktionäre in den letzten zwanzig Jahren auf den Hauptversammlungen immer wieder deutlich gemacht: Trotz der ausweichenden Antworten der Konzernleitung werden die gleichen Fragen Jahr um Jahr unermüdlich vorgebracht. Nun kommt zur Kritik im Saal der Protest auf der Straße hinzu. Dies zeigte die Demo am 14. Mai in Berlin, dies zeigte auch die erneute Mahnwache und Blockade vor der Konzernzentrale am Vortag in Düsseldorf durch das "Aktionsbündnis Rheinmetall entrüsten!".

Noch können die Rüstungsmanager, Rüstungsingenieure und Rüstungstechniker jeden Tag nach getaner Arbeit brav nach Hause zu Frau und Kind dackeln und ihr gemütliches Familienleben zelebrieren, während tagtäglich überall auf der Welt mit "Made in Germany"-Waffen von Rheinmetall gemordet und gemetzelt wird. Auch wenn so mancher Rüstungsmanager von Rheinmetall einfach nicht verstehen kann, was gegen lukrative Geschäfte mit tollen Waffen überhaupt einzuwenden ist, könnte es mit dieser selbstgefälligen deutschen Rüstungsidylle schon bald vorbei sein – so oder so.

Bei der Demo vor der Maritim-Hotel erklärte Christine Hoffmann von Pax Christi:

Wir können den Aktionären, also den Eigentümern von Rheinmetall, nur raten: Zwingt diesen Konzern endlich, vollständig auf zivile Produkte umzustellen. Wenn ihr Euch damit nicht durchsetzt, verkauft Eure Anteile, solange ihr noch was dafür bekommt. Denn wir werden nicht locker lassen, bis Ihre Rheinmetall-Aktien wertlos sind.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.